Leadership prägt
Am Tag der Verleihung des Deutschen Personalwirtschaftspreises stellten sich die nominierten Unternehmen aus der Kategorie Leadership vor. Ob Stadtreinigung, technisches Institut oder Agentur: Im Fokus stand hier ganz klar die Belegschaft, die den Takt angeben darf und sollte – wenn sie das Vertrauen der Führungsebene genießt.
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In einem mit 100 Teilnehmenden voll belegten virtuellen Workshop-Raum stellten Peggy Hertner, Leiterin der Geschäftseinheit Reinigung und Jens Großmann, Leiter Geschäftseinheitenentwicklung der Berliner Stadtreinigung, ihr neues mitarbeiterorientiertes Arbeitszeitsystem vor. Moderator Cliff Lehnen, Chefredakteur der Personalwirtschaft, hob die doch eher ungewöhnliche Nominierung eines Unternehmens hervor, dessen Mitarbeitende nicht vornehmlich am Schreibtisch sitzen. Aber: „Wir sind nicht blue collar, sondern orange collar“, sagt Großmann. Mit dem Projekt soll der Fokus auf die Belegschaft gesetzt werden, so Großmann, der das Reinigungsgewerbe als stark hierarchisch getrieben beschreibt. „Das drehen wir gerade um“, sagt er. Führungskräfte sollen mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden setzen und ihnen auf Augenhöhe begegnen.
Zunächst wurden die Bedürfnisse der Belegschaft analysiert, anschließend darauf reagiert. Ein früherer Schichtbeginn um 5:30 Uhr wurde beispielsweise festgelegt. Dies wurde ergänzt mit einem späteren Arbeitsangebot für die Beschäftigten, welche unter anderem wegen familiären Verpflichtungen ihre Arbeit noch nicht um diese Uhrzeit aufnehmen können. Das benötigte Meinungsbild und Feedback wurde flächendeckend von allen Mitarbeitenden der Stadtreinigung eingeholt. „Wir sind über jede der 15 Berliner Liegenschaften getingelt“, erinnert sich Hoffmann. Das Modell wird derzeit noch „hemdsärmelig“ organisiert, so Großmann, doch eine digitale Lösung wird bereits geplant.
HR als Panther im Käfig
Als nächstes präsentierte Luise Schneider, zuständig für Personalentwicklung beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme, kurz IAIS, das Projekt „Vom harten Performance Management und dem Vertrauen zu einem Panther“. Die Kampagne nutzt als Symbol den hin- und herlaufenden Panther aus dem berühmten Gedicht von Rainer Maria Rilke. Die Stäbe stehen im Vorstellungsvideo des IAIS für all die Regelungen des öffentlichen Dienstes, an die sich das Institut halten muss. HR sieht Luise Schneider hierbei nicht in der häufig genannten stereotypen Rolle „harter Hund“ sondern als eben jenen Panther, dem Vertrauen entgegengebracht werden muss. „HR muss agieren können und das Vertrauen der Führungskraft haben“, sagt sie.
Eines der neuen Recruiting-Ziele war, mehr Frauen für das Institut zu gewinnen, entgegen des derzeit starken Männerüberschusses in MINT-Berufen. Die beste Voraussetzung dafür, so Schneider, ist, das Versprechen einer von Vielfalt und Gleichberechtigung geprägten Arbeitsatmosphäre auch wirklich einzuhalten und Chancengleichheit im Unternehmen zu verankern, denn: „Frauen ziehen weitere Frauen an“. Dies wurde erreicht durch ein verpflichtendes Diversity-Training und 44 maßgeschneiderte Programme, die Förderung für alle Mitarbeitenden möglich machen. Der Erfolg gab dem Projekt recht: In den letzten anderthalb Jahren waren beim IAIS 45 Prozent der neu eingestellten Fachkräfte weiblich.
5-Stunden-Tag als Langzeitexperiment
Gerade klassische Agenturarbeit assoziiert man eher mit Überarbeitung als mit kurzen Arbeitszeiten. Dagegen stellte sich die Agentur Rheingans Digital Enabler aus Bielefeld, die Unternehmen aus dem Mittelstand berät. Bereits im Oktober 2017 führte ihr Gründer Lasse Rheingans für alle Mitarbeitenden den 5-Stunden-Arbeitstag ein. Janine Kunz, Account- und Projektmanagerin bei Rheingans Digital Enabler, erklärte, wie sie dieses ambitionierte Vorhaben in die Tat umsetzte und warum. „Fünf Stunden bilden einen Präsenzrahmen von acht bis 13 Uhr. Auf diese Weise vermeiden wir das klassische Mittagstief nach der Pause.“
Auch an Mitarbeitende mit Kindern in Schule und Betreuung wurde gedacht. Janine Kunz, die selbst morgens ihr Kind in die Kita bringen muss, kann sich ihre fünf Arbeitsstunden individuell einteilen: „Wir legen Ziele für jede Woche fest, doch wann ich daran arbeite, ist mir überlassen.“ Zeitfresser wie Meetings baute die Agentur ab, indem sie diese auf 15 Minuten herunterbrach. Zudem wurden Räume geschaffen, in denen ohne Unterbrechungen und Ablenkungen hochkonzentriert gearbeitet werden kann. Und was sagt die Kundschaft? „Natürlich mussten wir die Kunden informieren und waren hier ganz transparent. Wir haben ihnen klargemacht, dass durch die verkürzte Arbeitszeit nicht die Qualität unserer Dienstleistung leidet“, so Kunz. Für sie war es sinnvoll, das Arbeitsumfeld auf die Mitarbeiter auszurichten und sie ihre Potenziale entfalten zu lassen, denn: „Am Ende sind es sie, die den Umsatz des Unternehmens erarbeiten.“
Cliff Lehnen zog am Ende des Panels, bei dem im Chat reges Interesse an allen drei Projekten herrschte, das Fazit, dass gerade diese Kategorie eins beweise: „Man muss kein Großunternehmen im Rücken haben, um mit Leadership-Projekten zu prägen.“+++ Alle Videos unserer Finalisten können auf unserer Seite und unserem YouTube-Kanal angesehen werden. +++