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Personalberatungen müssen verstärkt Erwartungen der Unternehmen dämpfen

Die Auftragsbücher sind nach wie vor gut gefüllt: Trotz (zwischenzeitlich abklingender) Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine verzeichnen die Executive Search-Spezialistinnen und -Spezialisten eine ungebrochene Nachfrage nach ihren Dienstleistungen. Ausnahmen bilden einzelne Branchen wie die Automobilindustrie, die aber bereits seit längerer Zeit in einem tiefgreifenden Transformationsprozess stecken. Wie schwer die Suche nach Top-Personal ist, scheinen auch die Unternehmen immer stärker zu spüren. Öfter als früher versuchen einige von ihnen zunächst, entsprechende Positionen selbst zu besetzen, um dann zu merken, wie schwer die Aufgabe geworden ist – und dass es ohne professionelle Hilfe nicht mehr geht.

Für die Anbieter ist das Geschäft damit trotz guter Zahlen ebenfalls schwieriger geworden. Nicht nur, dass auch sie alle Hebel in Bewegung setzen müssen, um Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren zu können, die den jeweiligen Anforderungen gerecht werden. Auch der Kandidatenmarkt ist volatiler geworden: Die Wechselbereitschaft nimmt in Krisenzeiten eher ab. Dennoch testen einige ihren Marktwert auf diese Weise, um dann kurz vor Vertragsschluss doch noch abzusagen.

Erwartungsmanagement wird wichtiger

Erfolgversprechend sind Geschäftsbeziehungen besonders dann, wenn Auftraggeber und Personalberatungen an einem Strang ziehen. Letztere verfügen über ein lange gewachsenes Netzwerk, das weit über öffentliche Quellen hinausgeht. Und sie haben aktuelle Einblicke in den Markt, mit denen sie mitunter auch überzogene Erwartungen von Unternehmen einhegen können. In vielen Fällen müssen diese heute bei den Kandidatinnen und Kandidaten für sich werben und ihnen beispielsweise auch mehr Freiheiten in der Arbeitsgestaltung und -organisation zugestehen. Das hat sich aber noch nicht überall herumgesprochen. Insbesondere bei vielen Mittelständlern muss ein Umdenken stattfinden.

Vermittler und Mediator

Anspruchsvolle Unternehmen auf der einen Seite, anspruchsvolle Kandidatinnen und Kandidaten auf der anderen – da klingt es fast wie die Quadratur des Kreises, beide in Einklang zu bringen. Genau hier sehen die Expertinnen und Experten am Round Table eine Kernaufgabe ihrer Personalberatungen. Als Vermittler und Mediator können sie Anforderungen, Motivationen und Wünsche aufnehmen und im besten Fall zur Deckung bringen. Einen Königsweg gibt es da nicht, jeder Fall ist bei hohen Leitungsfunktionen individuell zu betrachten. Während der eine großen Wert auf sein örtliches Umfeld legt, mag für die andere eine möglichst flexible Arbeitszeit ausschlaggebend sein.

Um monetäre Aspekte alleine geht es ihnen in den meisten Fällen nicht. Vielmehr ist auch Wertschätzung ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor. Es lohnt sich daher, die eigenen Standardprozesse einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dazu zählt beispielsweise, Kandidatinnen und Kandidaten nicht wochenlang im Unklaren über den Stand des Besetzungsprozesses zu lassen.

Auf Unternehmensseite spielen Diversity und Nachhaltigkeit mittlerweile zwar eine Rolle, aber noch keine bestimmende. Insbesondere die Vielfalt der Belegschaft lässt sich nicht mit Druck erzwingen, sondern kann nur schrittweise erreicht werden. Daher gibt es diesbezüglich bislang auch selten zwingende Vorgaben der Auftraggeber, wenngleich sie das Thema auf dem Schirm haben. Was die Nachhaltigkeit eines Unternehmens und seines Handelns angeht, wird dies eher von der Kandidatenseite zur Sprache gebracht: Sie fragen häufiger als früher nach dem sozialen oder ökologischen Engagement eines potenziellen Arbeitgebers.

Technologie hilft nur in Maßen

Diese waren in den vergangenen beiden Jahren stark mit Krisenaufgaben und noch länger mit der digitalen Transformation beschäftigt. Technologien und Tools spielen auch bei den Personalberatungen eine Rolle – wenngleich sie im Executive Search nach Ansicht der Teilnehmenden an einem gewissen Punkt an Grenzen stößt. So können sie beispielsweise bei der Vorauswahl von Bewerbungen gute Dienste leisten, wenn es um Volumenprozesse geht. Bei Besetzungen auf C-Level bleibt jedoch der Fokus auf die einzelne Person, auf Persönliches unersetzbar. Gleiches gilt für die Kommunikation mit den Auftraggebern: Ein analytisches Dashboard ist nicht gewünscht, wenn eine Nadel im Heuhaufen zu finden ist. Solche Mandate sind immer Einzelprojekte, die persönlich besprochen werden wollen. Auch das ist eine Form der Wertschätzung.

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Personaldienstleister

Der Begriff Personaldienstleister wird oftmals synonym für die Zeitarbeitsfirma verwendet. Eine Verwechslung mit dem Personalvermittler hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert. Im Grunde genommen ist die Personaldienstleistung ein Überbegriff, der Dienstleistungen zum Thema Gewinnung, Einsatz und Freisetzung von Personal verbindet und auf den Verkauf von Arbeitsleistung abzielt.

Ausblick: Vorsichtig optimistisch

Der Ausblick der Expertinnen und Experten auf die folgenden Quartale fällt angesichts vieler Unwägbarkeiten verhalten optimistisch aus. Der Fach- und Führungskräftemangel wird weiter bestehen, Top-Personal händeringend gesucht. Außerdem befinden sich Schlüsselindustrien wie die Pharma- und die Automobilbranche im Umbruch. Hier wird künftig ganz anderes Fachwissen nötig sein als bisher – und damit auch entsprechendes Führungspersonal. Insofern rechnen die Beratungen auch im laufenden Jahr mit guten Zahlen. Wenn Deutschland nicht in eine Rezession rutscht. Und wenn die Energiepreise hierzulande nicht so hoch steigen, dass manch energieintensive Industrie in andere Länder mit niedrigeren Preisen ausweichen muss. Abgesehen davon eint alle Teilnehmenden des Round Table eines: die Hoffnung auf baldigen Frieden.

Info

David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.