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Round Table Zeitarbeit: Die Ruhe vor dem Sturm

Die steigenden Energiepreise sind nur ein Beispiel dafür. Zudem fällt es nicht nur den Kundenunternehmen, sondern auch den Zeitarbeitsanbietern immer schwerer, stark gesuchtes Personal zu finden. Längst gilt das nicht mehr nur für Fachkräfte, sondern auch für die Besetzung von Stellen mit einfacheren Tätigkeiten. Zusammen mit stark volatilen Märkten macht das mittel- und langfristige Planungen für alle nahezu unmöglich.

Unternehmen reagieren sehr unterschiedlich auf diese Herausforderungen. Während die einen wieder verstärkt fest einzustellen versuchen, um sich gegen Personalmangel abzusichern, setzen andere noch mehr auf die Zeitarbeit, weil ihnen die Zukunftsaussichten derzeit viel zu unsicher sind. Eine Geschäftschance für die Anbieter von Zeitarbeit kann darin liegen, sich auf bestimmte Branchen- und Berufsbilder zu spezialisieren.

Zeitarbeit wird zwangsläufig teurer

Eine weitere Herausforderung liegt in steigenden Preisen. Nicht nur die Lebenshaltungskosten ziehen an, sondern auch die Kosten für die Zeitarbeit. Die Tarifpartner in der Branche haben sich im Zuge der Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro brutto pro Stunde ebenfalls auf neue, höhere Löhne geeinigt. Darauf konnten sich zwar alle Marktteilnehmer frühzeitig einstellen, aber mittlerweile ist die Situation doch eine andere als noch vor wenigen Monaten. Hinzu kommen weitere Kostentreiber, wie etwa die Erhöhung der Beiträge in der gesetzlichen Unfallversicherung. Ob der Personalmangel oder die Kosten für einen Arbeitgeber das größere Problem ist, wird sich von Fall zu Fall zeigen.

Rekrutierungsexperten qua Amt

Selbst zu rekrutieren, ist für sie zwar eine Möglichkeit, aber nicht immer die beste Lösung. Mehr denn je sind Recruiting-Expertise und Marktkenntnisse gefragt, um auf dem Arbeitsmarkt noch erfolgreich sein zu können. Die Zeitarbeitsanbieter sehen sich hier im Vorteil, zählt das Finden und Binden von Mitarbeitenden doch zu ihrem täglichen Kerngeschäft. Als einige ihrer Stärken sehen sie die schnelle und effiziente Identifizierung, Ansprache und Vermittlung von Kandidatinnen und Kandidaten sowie deren Weiterentwicklung. Beim aktuellen Bewerbermarkt wähnen manche sogar schon einen grundlegenden Wandel ihres Geschäfts hin zum Dienstleister für die Bewerbenden und Mitarbeitenden, die längst am längeren Hebel sitzen.

So können sie Anforderungen stellen, die früher nur wenigen Fachkräften vorbehalten waren. Die Nachfrage nach flexiblen Arbeitsmodellen ist auch bei Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeitern stark gestiegen, das muss von Arbeitgebern berücksichtigt werden. Für solche im ländlichen Bereich können flexible Homeoffice-Regelungen sogar ein Vorteil sein, um sich neue Kandidatinnen und Kandidaten zu erschließen.

Lebenslanges Lernen kommt nicht aus der Mode

Die Branche ist in Bewegung und verändert sich, aber Zukunftsängste hat sie keine. Noch wurde jede Studie, die den massenhaften Wegfall von Arbeitsplätzen aufgrund der Digitalisierung und Automatisierung prophezeite, von der Praxis widerlegt. Die Teilnehmenden des Round Table glauben zwar auch, dass manche Stellen wegfallen und andere sich wandeln, aber gleichzeitig entsteht neuer Bedarf. Daher seien solche Rechenspiele weniger entscheidend – sondern die Bereitschaft der Menschen, sich weiterbilden und -qualifizieren zu wollen.

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Zeitarbeit

Unter Zeitarbeit – umgangssprachlich auch Leiharbeit – versteht man die sogenannte Arbeitnehmerüberlassung. Dabei ist ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin nicht direkt bei einem Unternehmen angestellt, sondern bei einem externen Dienstleister, der die Arbeitskraft dann „verleiht“. Die „leihenden“ Unternehmen können so zum Beispiel flexibel Nachfragespitzen abdecken.

Darüber hinaus wünschen sich die Anbieter mehr Rückendeckung aus der Politik. Bei den mitunter chaotischen Zuständen an deutschen Flughäfen im vergangenen Sommer beispielsweise hätten sie gut und kompetent helfen können, glauben sie – wenn es ihnen erlaubt wäre, Arbeitskräfte aus Drittstaaten anzuwerben. Gerade bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ausland sei ihre engmaschige Betreuung und Unterstützung bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt ein Pfund, mit dem sie hätten wuchern können, wenn man sie gelassen hätte.

Zeitarbeit ist krisenerfahren

Alles in allem zeigen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Round Table angesichts aller unsicherer Prognosen wachsam, aber nicht bange. Die Nachfrage nach Zeitarbeit wird weiter vorhanden sein und die meisten Anbieter haben ihre Geschäftsfelder längst auf andere Bereiche ausgeweitet. Manche spezialisieren sich noch stärker auf die Beratung, während andere mittlerweile zusätzlich das Feld der Personalvermittlung bespielen. Die Branche, sind sich alle am Tisch einig, hat schon viele Krisen gut überstanden – und wird auch aus dieser gestärkt hervorgehen.

David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.