Was langsam anlief, nimmt nun etwas mehr Fahrt auf: In den deutschen Unternehmen, welche standardisierte Auskunftsanfragen eingeführt hatten, wird auch, zusätzlich zu diesen fest definierten Prozessen, regelmäßig die Entgeltgleichheit mithilfe von Reporting und Monitoring geprüft. 78 Prozent der befragten Unternehmen haben ihre Gehaltsstrukturen nach Geschlecht überprüft. Untersuchungen nach ethnischer Herkunft und Nationalität führten allerdings bisher nur 9 Prozent durch.
+++ Wir versorgen Sie mit HR-Neuigkeiten! Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an✉️ +++
Das sind die zentralen Ergebnisse der „Fair Pay Studie“, für die Willis Towers Watson in Kooperation mit dem Fair Pay Innovation Lab Anfang 2020 79 Unternehmen in Deutschland mit insgesamt zwei Millionen Beschäftigten befragt hat. Die Studienteilnehmer sind im Finanzsektor, der allgemeinen Industrie, in der Hightech-Industrie, in der Pharmabranche und im Gesundheitswesen oder im öffentlichen Sektor tätig. Fair Pay bezieht sich nicht nur auf das Gehalt im engeren Sinne, sondern auf alle Prozesse, die mit der Vergütung zusammenhängen oder sich auf diese auswirken. Die Studie untersucht sowohl die Entgeltgleichheit als auch die Gleichstellung generell.
Deutschland hinkt hinterher
Laut den Experten, sind individuelle Auskunftsanfragen trotzdem weiterhin selten. Noch immer geben 40 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Mitarbeitenden keine Anfragen gestellt haben und lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen ergreift konkrete Maßnahmen bei Gehaltserhöhungen und Boni.
Dazu sagt Henrike von Platen, CEO/Founder FPI Fair Pay Innovation Lab gGmbH:
Nachholbedarf gibt es bei der konkreten Umsetzung. Wenn den Worten nun auch Taten folgen, sind wir auf einem sehr guten Weg.
Nun sei es wichtig, so die Experten, dass Unternehmen sich fragen, woher die Vergütungsunterschiede kommen und was die Ursachen dafür sind. Es gilt, Fair Pay auf Basis von umfassenden Analysen und mithilfe einer offenen Kommunikation ganzheitlich im Unternehmen zu integrieren.
Der Blick ins restliche Europa zeigt: Analysen finden dort wesentlich häufiger statt. Zwar liegt das auch an einer anderen Rechtslage in diesen Ländern – die Analysen müssen häufig im Geschäftsbericht offengelegt werden, der gesetzliche Druck ist also höher. In Deutschland ist aber auch ein genereller Haltungswechsel nötig. Denn die Vorteile von Fair Pay liegen, so die Experten, schließlich auf der Hand: Es erhöht das Engagement der Mitarbeitenden, nutzt vorhandene Potenziale im Unternehmen besser, fördert das Arbeitgeber-Image, reduziert die Fluktuation und erleichtert das Recruiting von Talenten.
Maßnahmen bei Recruiting und Beförderung
40 Prozent der deutschen Unternehmen analysieren ihr Gehaltsgefüge eher qualitativ in Einstellungs- und Beförderungsprozessen. Sie nehmen dabei nicht nur aktuelle Gehälter in den Blick, sondern auch Einstiegsgehälter, Grundgehaltserhöhungen und Beförderungsquoten.
Hier sind insbesondere Frauen sowohl als Potenzialträgerinnen und noch mehr als Führungskräfte unterrepräsentiert: Lediglich 28 Prozent der Führungspositionen sind von Frauen besetzt. Zwei Drittel der befragen Unternehmen suchen im Recruiting nach Möglichkeiten, Gleichstellung zu fördern, etwa in Hinblick auf die Anteile von Männern und Frauen an Bewerbungen, genderneutrale Bewerbungsgespräche und Einstellungen oder die Qualifikation der Interviewenden.
So verwenden 91 Prozent der befragten Unternehmen genderneutrale Formulierungen, und auch in Leistungsbeurteilungen achten über 75 Prozent auf ausgeglichene Sprache. 62 Prozent bieten Unconscious-Bias-Trainings für Rekrutierende an.
Ein Fünftel der Unternehmen hat zudem in die Gestaltung des Performance-Managements und der Beförderungsprozesse eingegriffen, um Fairness sicherzustellen. Im Vergleich zu 2018 werden beispielsweise Förderprogramme immer beliebter: Vier Fünftel haben diese bereits eingeführt. Aber auch Coaching, Mentoring und die Schaffung geeigneter Netzwerke werden von der deutlichen Mehrheit der Unternehmen mittlerweile unterstützt.