Dass die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) Ende Juni 2022 bei bestem Berliner Wetter und mit Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft ihr 70-jähriges Bestehen feiern würde, hätte mancher Kritiker noch vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten. Zu groß war die Schieflage gewesen, in die der traditionsreichste HR-Verband Ende der Nullerjahre in bis dato ungekannter Koexistenz mit dem Bundesverband der Personalmanager (BPM) gestürzt war.
Und doch feierte die DGFP am Spindler & Klatt als Uferlocation an der Spree ihren runden Geburtstag. Corona hat den Verband keineswegs geschwächt, im Gegenteil ist es früh in der Krise gelungen, weite Teile des Veranstaltungsgeschäfts zu virtualisieren, Weiterbildungsangebote nah am Bedarf der HR-Community zu machen und damit als themensetzend und -treibend wahrgenommen zu werden. Trotzdem tat es allen Anwesenden sichtlich gut, von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Die führenden Köpfe der jüngsten DGFP-Entwicklung, Christian Lorenz und Kai Helfritz, schnappten in den vielen Gesprächen am Rande der Veranstaltung schon wieder neue Themenideen und -impulse auf. Sie sorgen für die inhaltliche und angebotsseitige Vitalität der DGFP.
Nahles überzeugt noch vor Amtsantritt
Auf der Bühne gaben andere Köpfe den Ton an. Während es in den vergangenen Jahren stets der BPM gewesen war, dessen gute Kontakte in die SPD-Parteizentrale dafür sorgten, dass sich Wirtschafts-, Familien- und Arbeitsministerinnen und -minister auf der Bühne des Personalmanagementkongresses tummelten, trumpfte die DGFP mit einer alten Bekannten auf. Dass sich Andrea Nahles als designierte Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit die Ehre gab, einen inhaltlichen Impuls zu übernehmen, war gewiss auch den Partei- und Adressbüchern von DGFP-Vorstand Thorsten Schäfer-Gümbel zu verdanken.
Die ehemalige Arbeitsministerin trumpfte nicht nur mit Themenkompetenz im Arbeitsmarkt und bemerkenswerter Souveränität im Stegreifvortrag. Durchaus war ihr in der Hitze des Berliner Nachmittags die neue Dringlichkeit des Arbeitskräftemangels auf allen Ebenen anzumerken, mit der sie sich unmittelbar auseinanderzusetzen haben wird. Doch sie wirkte zupackend und reformwillig – eine starke erste Note noch vor dem offiziellen Amtsantritt.
Die Auftritte des DGFP-Vorstands – ob nun durch Marion Röwekamp (EWE), Norbert Janzen (Metro) oder Carmen-Maja Rex (Heidelberg Cement) – zeigten, wie tief und breit die DGFP nach wie vor in der deutschen Wirtschaft verwurzelt ist, und dass sie die Personalarbeit hierzulande maßgeblich mit prägt. „Die DGFP hat sich in allen Dekaden ihres Bestehens mit den jeweiligen Herausforderungen der Zeit, aber auch mit dem Blick in die Zukunft befasst“, sagte die DGFP-Vorstandsvorsitzende Bettina Volkens. „Im Rahmen der 70-Jahrfeier war uns wichtig, auf Themen wie Fachkräftemangel und die Arbeitswelt der Zukunft aus Sicht der kommenden HR-Generation zu blicken. Unsere Talente von heute werden in wenigen Jahren unsere Profession maßgeblich bestimmen.“ Dieses Konzept ist aufgegangen: Über die Bühnen-Impulse der Young Professionals Miriam Masch, Charlotte Krische und Johanna Hackel – unter anderem zu New Work und Vertrauen – wird an den Tischen beim Abendessen noch gesprochen, teilweise auch kontrovers diskutiert.
Je später der Abend
Und so war es ein bezeichnender Moment am Spreeufer, als Ex-Geschäftsführerin Katharina Heuer ziemlich spät und lange nach Abschluss des offiziellen Parts ankommt. Ehemalige Mitarbeitende schließen sie zur Begrüßung in die Arme. Heuer ist gleich mittendrin in diesem Abend, in dieser Organisation, die ihr dieses Jubiläum mitzuverdanken hat. Denn auch als sie 2013 als Geschäftsführerin zur DGFP kam, war es fast schon zu spät gewesen; es stand schlecht um den Verband.
Doch Heuer blieb. Nicht zuletzt ihren mutigen Reformen und ihrem persönlichen Engagement ist es zu verdanken, dass die DGFP eine Wende Richtung Zukunft vollziehen konnte – über Düsseldorf nach Frankfurt nach Berlin; vom tradierten, gewachsenen und nicht zuletzt selbstgewissen Personalerverband hin zu einem kleinen, reaktionsfähigen HR-Netzwerkteam mit neuen Ideen. Dass dieses Team seit 2019 in der Geschäftsführung in zweijährig wechselndem Turnus geleitet wird (Norma Schöwe 2019 bis 2021; Ralf Steuer seit 2021), mag manchen Beobachter und manche Beobachterin noch verwirren, unterstreicht aber die deutlich luftigere, offenere Struktur der heutigen DGFP.
Ja, der Sommerabend in der umgemodelten Ex-Industrie-Location am Wasser in Berlin-Kreuzberg, er passt zu diesem Verband im Umbruch. So betonte auch Geschäftsführer Ralf Steuer, es sei mehr als ein Jubiläumsfest gewesen. „Wir wollten darüber hinaus ein Zeichen setzen, dass ein Netzwerk wie unseres neben inhaltlichem Wissenstransfer auch vom persönlichen Austausch lebt. Wer die Atmosphäre gespürt hat, die Energie und den Spaß erlebt hat, der wird zustimmen.“ Das tun wir – und gratulieren herzlich zum Jahrestag!
Cliff Lehnen ist Chefredakteur der Personalwirtschaft und unter anderem spezialisiert auf die Themen Organisationsentwicklung, Unternehmenskultur, Innovations- und Veränderungsmanagement.