Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht mehr angemessen, wenn sie die in einem Tarifvertrag geregelte Vergütung um mehr als 20 Prozent unterschreitet. Handelt es sich bei dem ausbildenden Arbeitgeber um eine gemeinnützige juristische Person, rechtfertigt allein der Status der Gemeinnützigkeit es nicht, von einer Orientierung an den einschlägigen Tarifverträgen abzusehen.
Das Urteil:
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Zweck der Förderung der qualifizierten Berufsausbildung. Dazu schließt er Berufsausbildungsverträge ab und bildet Auszubildende in seinen Mitgliedsbetrieben aus. Der Kläger bewarb sich im Januar 2008 bei einem solchen Mitgliedsunternehmen um einen Ausbildungsplatz. Der Berufsausbildungsvertrag wurde mit dem Beklagten geschlossen. Die Ausbildung erfolgte in dem Unternehmen, bei dem sich der Kläger beworben hatte. Dieser erhielt während des Ausbildungsverhältnisses nur ca. 55 Prozent der Ausbildungsvergütung nach den anzuwendenden Tarifverträgen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Zahlung einer entsprechend höheren Ausbildungsvergütung nach den tariflichen Bestimmungen. Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Das Gericht hat die Unangemessenheit der vom Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung festgestellt und entgegen der Ansicht des Beklagten rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Ausbildungsvergütung auch eine Entlohnung der geleisteten Arbeit darstellt. Diese kam zwar nicht dem Beklagten selbst, jedoch seinem Mitgliedsunternehmen zugute. Besondere Umstände, die geeignet sein könnten, trotz des Unterschreitens der tariflichen Ausbildungssätze um fast 50 Prozent die Vermutung der Unangemessenheit der vom Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung zu widerlegen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
Konsequenz für die Praxis:
Grundsätzlich bemisst sich die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung an den geltenden Tarifverträgen. Eine durch Spenden Dritter finanzierte Ausbildungsvergütung, die mehr als 20 Prozent unter den tariflichen Sätzen liegt, ist allerdings noch nicht zwingend unangemessen. Der ausbildende Betrieb kann die darauf gerichtete Vermutung widerlegen, indem er darlegt, dass besondere Umstände die niedrigere Ausbildungsvergütung rechtfertigen.
Hinweis: BAG-Urteil vom 29. April 2015, 9 AZR 108/14