Ist es nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die individuelle Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, verbleibt es bei der zwingenden Geltung der tariflichen Bestimmungen.
Das Urteil:
Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag verweist auf die Tarifverträge der Deutschen Bundespost (Telekom). 1995 wurde das Arbeitsverhältnis auf die Deutsche Telekom AG übergeleitet. Im Juni 2007 erfolgte ein Betriebsübergang auf die Beklagte. Am selben Tag schloss diese mit der Gewerkschaft ver.di Haustarifverträge ab, die insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten (Erhöhung der Arbeitszeit von 34 auf 38 Stunden) sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung von den Tarifverträgen abweichen.
Nach Auffassung des Klägers sind die Arbeitszeit- und Entgeltregelungen der letztgenannten Tarifverträge aufgrund der vertraglichen Bezugnahme weiter anzuwenden. Diese Bestimmungen seien günstiger als die kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifverträge der Beklagten. Er hat deshalb die Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von 34 Stunden sowie insbesondere die Vergütung von wöchentlich vier weiteren Stunden begehrt.
Die Revision der Beklagten vor dem Bundesarbeitsgericht war weitgehend erfolgreich. Zwar finden die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG mit Stand aus Juni 2007 aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiter Anwendung. Deren Arbeitszeit- und Entgeltbestimmungen sind aber im maßgebenden Zeitraum nicht günstiger als die für das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträge der Beklagten. Bei dem vorzunehmenden Sachgruppenvergleich können Arbeitszeit und das regelmäßig geschuldete Arbeitsentgelt nicht isoliert betrachtet werden. Sie bilden vielmehr eine einheitliche Sachgruppe. Ändert sich eine der zu vergleichenden Regelungen, ist für den betreffenden Zeitabschnitt ein erneuter Vergleich durchzuführen.
Konsequenz für die Praxis:
Ist nach den geltenden Tarifverträgen sowohl die Arbeitszeit länger als auch das dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Monatsentgelt höher, ist die einzelvertragliche Regelung über geringere Stunden und geringeres Einkommen nicht zweifelsfrei günstiger.
Hinweis: BAG-Urteil vom 15. April 2015, 4 AZR 587/13