Was war geschehen? Ab Anfang vergangener Oktober hatten sich zeitweise bis zu 450 Mitarbeiter der Tuifly „spontan“ krank gemeldet. Der Flugbetrieb wurde erheblich beeinträchtigt. Leidtragende war dabei nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern auch die Passagiere, deren Flüge gestrichen wurden.
In den letzten Jahren hatte kein Arbeitsgericht über einen vergleichbaren Vorfall zu entscheiden. Dass es sich allerdings bei kurzzeitigen Krankmeldungen nicht um ein geeignetes Mittel für einen Arbeitskampf handelt, ist vollkommen klar. Die Mitarbeiter bewegen sich damit auf gefährlichem Terrain. Für einen Streik, also eine rechtmäßige Arbeitsniederlegung, muss nicht der Arbeitgeber aufkommen, sondern allenfalls die Gewerkschaft muss Löhne und Gehälter für den Zeitraum des Streiks zahlen.
Streik oder Betrug?
Bei kollektiven Krankmeldungen ohne Vorliegen eines Grundes zahlt der Arbeitgeber Löhne und Gehälter hingegen weiter und finanziert damit die rechtswidrige Arbeitsniederlegung. Es handelt sich daher aus strafrechtlicher Sicht um einen Betrug zu Lasten des Arbeitgebers. Eine vorgetäuschte Erkrankung stellt auch – unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Mitarbeiters dar, die eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann.
Zwar sind Einzelfälle unrechtmäßiger Krankmeldungen in der Praxis kaum nachweisbar. Die Beweiskraft eines ärztlichen Attests ist in der Regel vor einem Arbeitsgericht nicht zu erschüttern. Außerdem sind Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz erst bei einer Erkrankung von mehr als drei Kalendertagen an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen.
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung früher zu verlangen, auch schon ab dem ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit. Davon wird in der Praxis jedoch nur selten Gebrauch gemacht, wenn der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Krankmeldungen noch nicht aufgefallen ist, also etwa durch häufige Kurzerkrankungen. Besteht für den Mitarbeiter keine Verpflichtung, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei einer Kurzerkrankung vorzulegen, reicht im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens allein die Behauptung des Mitarbeiters, er sei krank gewesen. Diese Behauptung wird der Arbeitgeber nur in den seltensten Fällen widerlegen können.
Rechtliche Möglichkeiten des Arbeitsgebers
Im Falle einer „Massenkrankmeldung“ können dem Arbeitgeber allerdings Mittel zur Aufklärung rechtswidriger Fehlzeiten zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich nicht um einen Spontanentschluss einzelner Mitarbeiter handelt, sondern eine geplante bzw. abgesprochene Aktion naheliegt. Für eine solche Aktion spricht vor allem die plötzliche Genesung eines Großteils der Belegschaft nach einem Einlenken des Arbeitgebers oder der Fortsetzung von Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern.
In einem solchen Fall dürfte regelmäßig ein hinreichender Verdacht bestehen, der weitgehende interne Ermittlungen rechtfertigen kann. Als naheliegendes Mittel kommt dabei zunächst eine Befragung der vermeintlich erkrankten Mitarbeiter in Betracht. Es kann außerdem daran gedacht werden, die Mitarbeiter zu befragen, die nicht an der Aktion teilgenommen haben. Sie können gegebenenfalls bestätigen, dass sie auf eine Teilnahme an der „Massenkrankmeldung“ angesprochen wurden. Auch eine Überprüfung des E-Mail-Verkehrs der Mitarbeiter ist nicht ausgeschlossen.
Bei Vorliegen eines hinreichenden Verdachts gegen einen Mitarbeiter kann eine Überprüfung des E-Mail-Verkehrs nach § 32 Abs. 1 S. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zulässig sein, um etwa gegen den Arbeitgeber begangene Straftaten aufzuklären. Die Vorschrift gilt zunächst dann, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des E-Mail-Systems untersagt hatte. Wenn die private Nutzung erlaubt ist, gelten zusätzlich die strengen Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes (TKG), das eine Einsichtnahme durch den Arbeitgeber grundsätzlich verbietet. Sofern allerdings der Übertragungsvorgang der E-Mail bereits abgeschlossen und die E-Mail abgelegt ist, sprechen sehr gute Argumente dafür, dass das TKG keine Anwendung mehr findet und der Arbeitgeber auf die E-Mails zugreifen kann.
Autoren:
Moritz Kunz, Partner, und
Dr. Tobias Brinkmann, Associate
Kanzlei Herbert Smith Freehills Germany, Frankfurt