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Fall Bobic: „Schlechtes Agreement besser als ein guter Prozess“

Der Fußballbundesligist Hertha BSC Berlin und sein geschasster Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic sehen sich vor Gericht wieder. Das Arbeitsgericht Berlin hat den Eingang einer Klage durch Bobic‘ Anwälte bestätigt und für Anfang April einen ersten Gütetermin vorgesehen, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten.

Aber was war passiert? Bobic, als „Heilsbringer“ von Frankfurt nach Berlin gekommen, konnte die in ihn geweckten Hoffnungen nicht erfüllen. Die Hertha ist klar die Nummer zwei in der Stadt und kämpft nach wie vor gegen den Abstieg. Dazu kamen verschiedene andere Vorwürfe wie ein „lockerer Umgang mit den Finanzen“, wie der Spiegel schreibt, trotz Sparvorgaben des Vorstandes sowie ein vermeintlich zu hoch dotierter Vertrag mit der mit Bobic befreundeten Hertha-„Legende“ Axel Kruse und einiges mehr. Kurz vor seiner Freistellung hat Bobic zudem einem Reporter gegenüber gesagt, wenn er noch einmal nach der Zukunft des Trainers fragen würde, bekäme er „eine gescheuert“. Das alles – vor allem Letzteres – nahm sein Arbeitgeber, die aus dem Verein ausgelagerte Hertha BSC Verwaltung GmbH, zum Anlass, Bobic freizustellen und sowohl eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. So zumindest steht es in den Medien, selbst äußern möchte sich keine der beiden Seiten.

Wie die Chancen der Streitparteien vor Gericht einzuschätzen sind, und was Managerinnen und Manager in anderen Unternehmen daraus lernen können, erklärt Pascal Croset, der sich als Arbeitsrechtler und Hertha-BSC-Fan mit dem Fall beschäftigt hat, im Interview.

Pascal Croset ist Inhaber der Arbeitsrechtsboutique Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht und vertritt Arbeitnehmer und Arbeitgeber. (Foto: Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht)
Pascal Croset ist Inhaber der Arbeitsrechtsboutique Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht und vertritt Arbeitnehmer und Arbeitgeber. (Foto: Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht)

Personalwirtschaft: Herr Croset, Fußballspieler sind ja arbeitsrechtlich gesehen erst einmal normale Arbeitnehmer. Aber wie ist das bei einem Manager wie Fredi Bobic?
Pascal Croset: Anders. Bobic war nämlich als Geschäftsführer der Hertha BSC Verwaltung GmbH eben kein Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne. Er hatte keinen Arbeitsvertrag, sondern einen Geschäftsführer-Dienstvertrag. Das heißt, es gibt für ihn keinen gesetzlichen Kündigungsschutz.

Er kann also deutlich einfacher gekündigt werden als ein Spieler oder ein Trainer?
Ja und nein. Er genießt zwar, wie gesagt, nicht den klassischen Kündigungsschutz. Aber gerade weil man weiß, was für ein Schleudersitz so ein Geschäftsführer-Posten sein kann, stehen in den Dienstverträgen in aller Regel lange Kündigungsfristen, Mindestvertragslaufzeiten, Entschädigungen oder ähnliche Klauseln drin. In der Presse ist ja stellenweise auch zu lesen, dass sich die Hertha durch die außerordentliche Kündigung wegen Fehlverhaltens eine vertraglich vereinbarte Abfindung sparen will. Darüber kann man aber nur mutmaßen, wenn man den Vertrag nicht kennt.

Sind solche Klauseln auch in Unternehmen fernab des Fußballs üblich?
Ja. Ich würde schätzen, dass in neun von zehn Geschäftsführer-Dienstverträgen so etwas drinsteht.

Die fristlose außerordentliche Kündigung beruht ja offenbar vor allem auf der Situation, in der Bobic einen Reporter bedroht haben soll. Seine Aussage „Wenn du noch mal fragst, kriegst du eine gescheuert“ wird dabei von keiner Seite bestritten. Nur die Bewertung ist unterschiedlich. Wie sehen Sie das?
Eine Ausübung von Gewalt gegen Reporter während der Dienstzeit wäre ohne Weiteres geeignet, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Eine Drohung mit Gefahren für Leib und Leben im dienstlichen Zusammenhang ebenso. Und so eine Interviewsituation gehört natürlich zur Dienstzeit. Allerdings: Hier lag, anders als die Hertha es behauptet, eindeutig keine ernste Drohung vor.

Wie meinen Sie das?
Es war nur – aber immerhin – eine sehr unfreundliche Ansage an den Reporter. Wenn man sich das unbefangen anschaut, muss man sehen, dass es eine etwas derbe Formulierung für die Aufforderung war, nicht mehr solche Fragen zu stellen. Ich würde sogar bezweifeln, dass das für eine Abmahnung reichen würde.

Das heißt, der Kontext ist hier auch aus arbeitsrechtlicher Sicht wichtig.
Auf jeden Fall! In einer Auseinandersetzung vor Gericht würde auch das Arbeitsumfeld mit einbezogen. Wenn etwa ein Dax-Vorstand so etwas sagen würde, wäre das sicher etwas anderes. Im Fußballstadion ist der Ton nun einmal etwas rauer.

Ein weiterer Vorwurf gegen Bobic ist, mit seinem guten Freund aus Spielertagen Axel Kruse einen 100.000-Euro-Jahresvertrag für eine Tätigkeit als „Hertha-Botschafter“ geschlossen zu haben. Zeitgleich haben andere Ex-Spieler, die wesentlich erfolgreicher waren und/oder länger für die Hertha gespielt haben, nur Verträge mit einem Tagessatz von 1.000 Euro bekommen . Was ist von dem Vorwurf zu halten?
Hier werden meiner Meinung nach Äpfel mit Birnen verglichen. Denn zum einen ist ein Jahresvertrag nur schwer mit einem Vertrag zu vergleichen, in dem Tagessätze vereinbart werden. Es ist davon auszugehen, dass Kruse zudem deutlich mehr Termine zugesagt und zum Beispiel Bildrechte abgegeben hat als die Ex-Spieler mit Tagessätzen. Dazu kommt: Axel Kruse ist eine absolute Integrationsfigur in Berlin: Kruse und das Olympiastadion, das gehört hier zusammen. Daher dürften die 100.000 Euro im Jahr auch absolut angemessen sein, unabhängig von etwaigen Erfolgen während der Karriere.

Vorwürfe, einzelne Freunde, Bekannte oder Verwandte zu bevorzugen und mit Verträgen zu „versorgen“, gibt es ja auch immer mal in anderen Unternehmen. Worauf schaut der Arbeitsrechtler oder die Arbeitsrechtlerin bei solchen Auseinandersetzungen?
Man schaut vor allem, ob der Vertrag schädigend für den Arbeitgeber ist. Also, ob die Summe im Hinblick auf die Gegenleistung einigermaßen angemessen ist. Wenn Axel Kruse die 100.000 Euro ohne relevante Gegenleistung bekäme, dann sähe der Fall hier anders aus. Davon ist aber nicht auszugehen.

Allerdings muss die Hertha sparen, was man Fredi Bobic‘ Personalpolitik jenseits des Kruse-Vertrages aber nicht angemerkt hat. Schließlich stieg unter ihm das Personalbudget massiv an – trotz Sparvorgabe des Vorstandes. Hätte das nicht allein schon zur Demission gereicht?
Hier muss man sich fragen, ob der Geschäftsführer seine Kompetenzen überschritten hat. Geschäftsführer führen dem Wortsinne nach die Geschäfte der Gesellschaft. Und dazu gehört es, das vorhandene Geld der Gesellschaft auszugeben – anders gesagt: investieren. Und das hat er ja ohne Frage getan, wenn auch vielleicht nicht so erfolgreich wie erhofft. Neben der hier nicht gegebenen Situation einer drohenden Insolvenz setzen hier nur die „genehmigungsbedürftigen Geschäfte“ eine Grenze.

Was sind das für Geschäfte?
Das ist sehr individuell auf die jeweilige Firma zugeschnitten und in der Satzung, der Geschäftsordnung oder im Dienstvertrag geregelt. Dort steht dann, dass der Geschäftsführer für bestimmte Geschäfte die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen muss. Das könnte hier zum Beispiel die Verpflichtung eines Spielers für einen Zeitraum von über drei Jahren oder mit einer Vergütung über einer gewissen Grenze sein. In anderen Unternehmen können es auch Lieferantenvereinbarungen sein. Hat ein Manager oder eine Managerin aber nicht die Grenzen des Kataloges der „genehmigungsbedürftigen Geschäfte“ übertreten, dann mag man ihm Fehlinvestitionen vorwerfen – diese stellen aber keine Vertragsverletzung dar.

Auf Außenstehende wirkt es ein bisschen so, als ob die Hertha alle nur halbwegs plausiblen Kündigungsgründe zusammengestellt hat – nach dem Motto „Irgendwas wird wohl schon verfangen”. Ist das eine kluge Prozesstaktik?
Ein klassisches Jein. Denn alles, was man vor Gericht nicht vorträgt, wird die Kündigung auch nicht tragen. Also muss man alle Vorwürfe sammeln, und schauen, was die Gegenseite wiederum zur Verteidigung vorträgt. Und manchmal hat ein Richter oder eine Richterin auch eine spezielle Meinung. Das kommt vor. Zum Beispiel bei der vermeintlichen Bedrohung im Fall Bobic. Dass sie ernst gemeint war, würden wahrscheinlich 97 von 100 Richtern verneinen. Aber es gibt auch welche, die sagen: So wird bei mir nicht geredet.

Was spricht denn gegen eine solche Taktik?
Man entblößt sich. Zwangsläufig macht man ja auch die eigenen Prozesse und Unzulänglichkeiten öffentlich. Das ist hochnotpeinlich. Selbst was juristisch Sinn macht, ist aus PR-Sicht eine Katastrophe – und zwar für beide Seiten. Bei so etwas gibt es nur Verlierer. Ein schlechtes Agreement ist immer besser als ein guter Prozess. Sprich: Häufig sind außergerichtliche Vereinbarungen besser als öffentlichkeitswirksame Prozesse, selbst wenn diese gewonnen werden.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.