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Impfunfähigkeitsbescheinigung aus dem Internet als Kündigungsgrund

Wer seinem Arbeitgeber eine aus dem Internet ausgedruckte ärztliche „Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit“ vorlegt, ohne dass zuvor eine ärztliche Untersuchung stattgefunden hat, riskiert die Kündigung. Das geht aus einem neuen Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck hervor (ArbG Lübeck, Urteil vom 13.04.2022, Aktenzeichen 5 Ca 189/22).

Rechtsstreit zwischen Klinik und Krankenschwester

Das Arbeitsgericht Lübeck hatte über die Kündigungsschutzklage einer Krankenschwester zu entscheiden, die seit rund 20 Jahren in einer Klinik beschäftigt war und nicht gegen das Coronavirus geimpft ist. Im Zuge der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wurde sie von ihrem Arbeitgeber aufgefordert, einen Impf- oder Genesenenstatus nachzuweisen oder ein ärztliches Impfunfähigkeitszeugnis vorzulegen. Die Krankenschwester druckte daraufhin eine von einer Ärztin unterschriebene Impfunfähigkeitsbescheinigung aus dem Internet aus und legte diese dem Arbeitgeber vor. Ein Gespräch mit der Ärztin fand allerdings nicht statt – auch nicht digital. Die Klinik reagierte, indem sie das Gesundheitsamt informierte und der Mitarbeiterin fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Juli 2022 kündigte.

Die Krankenschwester wehrte sich gegen die Kündigung. Sie argumentierte, die Vorlage einer solchen Bescheinigung sei nicht zu beanstanden. Außerdem argumentierte die Mitarbeiterin mit Paragraf 20a Infektionsschutzgesetz, welcher die einrichtungsbezogene Impfpflicht regelt. Für den Fall, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin keine Impfunfähigkeitsbescheinigung oder eine fehlerhafte Bescheinigung vorlegt, ist dort vorgeschrieben, dass die Unternehmensleitung unverzüglich das Gesundheitsamt informieren muss. Die Möglichkeit einer Kündigung durch den Arbeitgeber ist in Paragraf 20a Infektionsschutzgesetz nicht ausdrücklich genannt. Die Mitarbeiterin meinte, allein das Gesundheitsamt könne in dieser Situation handeln und eine ärztliche Untersuchung veranlassen. Eine Kündigung als weitergehende Maßnahme sei ausgeschlossen.

Arbeitsgericht Lübeck: Ordentliche Kündigung wirksam

Das Arbeitsgericht Lübeck sah das anders und gab dem Arbeitgeber recht. Es beurteilte zwar die fristlose Kündigung – aufgrund der sehr langen Betriebszugehörigkeit – als unverhältnismäßig. Die hilfsweise ordentliche Kündigung unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist war nach Ansicht des Gerichts jedoch wirksam.

Denn: Die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass vorher eine Untersuchung erfolgt ist, stelle eine sehr schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar. Diese zerstöre das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit, so das Gericht. Deshalb bedurfte es nach Meinung des Gerichts keiner vorherigen Abmahnung. Aus § 20a Infektionsschutzgesetz ergebe sich kein arbeitsrechtliches Kündigungsverbot. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.