Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

Klare Verhältnisse gewünscht

Foto © rdnzl/Adobe Stock
Foto © rdnzl/Adobe Stock

Eine aktuelle Studie zeigt, dass die meisten Mitarbeiter zufrieden mit ihrem Modell der Abeitszeiterfassung sind. Während viele Führungskräfte auf Vertrauensarbeitszeit setzen, wünschen sich vor allem Frauen und jüngere Mitarbeiter eindeutig geregelte Arbeitszeiten mit Vollerfassung.

+++ › Hier finden Sie die Bilderstrecke mit den Grafiken. +++

Bereits wenige Tage nach dem Urteilsspruch des EuGH zur Arbeitszeiterfassung vom 14. Mai 2019 startete die Unternehmensberatung  Groß & Cie. gemeinsam mit dem Center for Leadership and Behavior in Organizations (CLBO) an der Universität Frankfurt eine Befragung unter Arbeitnehmern – 864 Personen nahmen teil. Die Ergebnisse liegen der Personalwirtschaft exklusiv vor.

Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:

    •    Die Mehrheit der Befragten ist mit dem in ihrem Unternehmen genutzten Zeiterfassungsmodell zufrieden und wünscht sich keine großartigen Neuregelungen.
    •    Ältere sind mit ihrem Arbeitszeitmodell zufriedener. Junge Arbeitnehmer unter 30 wünschen sich seltener Vertrauensarbeitszeit (34 Prozent) und wollen klare Regelungen.
    •    Auch Frauen schätzen eher Arbeitsmodelle mit Vollzeiterfassung, obwohl erwartet werden könnte, dass Flexibilität für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als wichtig wahrgenommen wird.
    •    Ebenso wünschen sich Befragte ohne Führungsposition häufiger eine Vollerfassung als Führungskräfte.
    •    Mit der Arbeitszeiterfassung zufriedene Mitarbeiter sind auch signifikant stärker mit dem Unternehmen identifiziert und offener für Vertrauensarbeitszeitmodelle.

    1. Jeder Zweite ist zufrieden mit der aktuellen Zeiterfassung

    51 Prozent aller Befragten sind aktuell voll oder sehr zufrieden mit der Art der Erfassung ihrer Arbeitszeit. Insgesamt spricht die hohe Zufriedenheit mit der aktuellen Erfassung zusammen mit der hohen Polarität der Erfassungsarten dagegen, dass eine einheitliche Regelung für alle zufriedenstellend sein kann (siehe Grafik F10).

    2. Arbeitszeit wird entweder ganz oder gar nicht erfasst

    Die große Mehrheit der Befragten erfasst ihre Arbeitszeit entweder ganz oder gar nicht. Auch wenn Menschen in Vertrauensarbeitszeit arbeiten,  bedeutet dies nicht, dass sie ihre Arbeitszeit nicht erfassen: 42 Prozent der Befragten tun dies freiwillig (siehe Grafik F9). Hingegen findet die Erfassung der Überstunden gemäß Arbeitszeitgesetz § 16 (2) explizit nur bei sehr wenigen der Befragten statt (siehe Grafik F12).

    3. Kleine Unternehmen setzen häufig auf Vertrauensarbeitszeit

    Befragte, die in Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern tätig sind, geben zu über 60 Prozent an, dass sie ein Vertrauensarbeitszeitmodell haben. Allerdings sind in dieser Teilgruppe nur 45 Prozent mit der aktuellen Form der Erfassung sehr oder voll zufrieden.

    Die Vollerfassung wird besonders in mittelgroßen Unternehmen (100 bis 500 Mitarbeiter) genutzt. Dort sind die Mitarbeiter auch am häufigsten sehr oder voll zufrieden (56,3 Prozent) mit der aktuellen Form der Erfassung ihrer Arbeitszeit (siehe Grafik F8).

    4. Männer sind zufriedener mit Arbeitszeiterfassung

    Auffällig ist, dass Männer signifikant zufriedener mit der Arbeitszeiterfassung sind als Frauen. Frauen haben seltener Vertrauensarbeitszeitmodelle und häufiger eine Vollerfassung ihrer Arbeitszeiten. Das liegt möglicherweise daran, dass unter den Befragten nur 35 Prozent der Frauen, dagegen aber 52 Prozent der Männer in einer Führungsposition und nur 26 Prozent der Frauen nach eigener Aussage mehr als 45 Stunden in der Woche arbeiten, wohingegen es bei den Männern fast 50 Prozent sind (siehe Grafik F7).

    Ersichtlich ist aus der Umfrage auch, dass sich die Annahme, Teilzeitkräfte (häufig sind es immer noch Frauen, die sich neben einem Teilzeitjob um die Kinder kümmern oder Angehörige pflegen, während der Mann Vollzeit arbeitet) oder jüngere Mitarbeiter würden flexiblere Arbeitszeiten bevorzugen, nicht bestätigt. „Immer mehr Menschen, die bereits ständige Erreichbarkeit und Arbeitsmöglichkeit erlebt haben, tendieren zu einer klaren Trennung der Sphären und setzen auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihrer Leistung“, berichtet Studieninitiator Michael Groß. Diese Entwicklung gehe rasant vonstatten: „Das gab es so vor zwei oder drei Jahren noch nicht.“

    5. Zeiterfassung soll Ausbeutung verhindern

    Der Grad der Zustimmung zum EuGH-Urteil hängt stark von der Frage ab, in welchem Erfassungsmodell die Befragten sind und wie zufrieden sie damit sind. So stimmen einerseits Personen, die bereits in der Vollerfassung sind – für sie ändert sich nichts – und andererseits Personen, die mit ihrem Erfassungsmodell besonders unzufrieden sind, der EuGH-Rechtsprechung am meisten zu (über 43 Prozent). Die mit ihrem aktuellen Modell besonders Unzufriedenen sprechen sich vor allem dafür aus, dass Zeiterfassung Ausbeutung verhindern solle (63,6 Prozent). Dies lässt vermuten, dass diese Personen wahrscheinlich in nicht-reglementierten Modellen Ausbeutung erfahren. Im Umkehrschluss bewerten Befragte, die bereits im Modell Vertrauensarbeitszeit arbeiten, mit 37,6 Prozent die EuGH-Rechtsprechung am häufigsten als zu streng.

    6. Keine anderen Modelle gewünscht, sondern einfachere Lösungen

    Die Zufriedenheit mit der eigenen Art der Erfassung ist insgesamt groß und spiegelt sich in den Meinungen zur künftigen Erfassung wider. Nur sehr wenige Befragte möchten die Erfassung reduzieren (2,2 Prozent). Wichtiger wäre den Befragten eine Vereinfachung (etwa durch Apps, 17 Prozent) oder Ergänzung (etwa für Homeoffice, 9,5 Prozent). Besonders die Befragten mit Vollerfassung wünschen sich eine Vereinfachung (22,2 Prozent), möchten aber zugleich nur sehr selten in die Vertrauensarbeitszeit wechseln (7,3 Prozent). (Siehe Grafik F11).

    Michael Groß rät Unternehmen, sich intensiv mit den Bedürfnissen der eigenen Organisation zu  beschäftigen, die Unternehmenskultur und den aktuellen Umgang mit der Arbeitszeiterfassung zu berücksichtigen; „Alles auf den Kopf zu stellen, wird nicht funktionieren.“ Gleiches gelte für die unreflektierte Übernahme von Best Practices. Deutlich mehr Erfolg verspreche ein schrittweises, kooperatives Vorgehen in Abstimmung mit den Mitarbeitern. 

    Die Studie und die Befragten im Überblick:
    •    Die Befragung fand online vom 21. Mai bis 28. Juni 2019 statt.
    •    864 Personen nahmen vollständig an der Befragung teil.
    •    Vertreten sind Befragte von Gewerkschaften, Behörden, KMU wie auch Dax-Unternehmen.
    •  
     Von den Befragten sind 62 Prozent männlich, 46 Prozent tragen
    Führungsverantwortung. 5,3 Prozent der Teilnehmer sind selbstständig.
    •  
     Das Durchschnittsalter der Befragten entspricht dem der
    sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen in Deutschland.
    Leicht unterrepräsentiert sind Mitarbeiter unter 30 Jahren.

    Lesen Sie weiter:

    Zum Thema Vertrauensarbeitszeit lesen Sie › unser Gespräch mit dem Arbeitszeitexperten Dr. Andreas Hoff.

    Wir resümieren für Sie die › wichtigsten Gesichtspunkte des EUGH-Urteils zur Zeiterfassung.

    › Hier finden Sie die Bilderstrecke mit den Grafiken.

    Themen