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Unbegrenzter Urlaub nur für Top-Führungskräfte: Was gilt es zu beachten?

Goldman Sachs hat für alle Partner und Managing Directors unbegrenzten Urlaub eingeführt. Die Top-Führungskräfte des Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmens können sich weltweit ab dem 1. Mai 2022 wann immer sie es für nötig halten, frei nehmen. Alle anderen Angestellten erhalten jährlich zwei Tage mehr Urlaub als zuvor und haben nun mindestens drei Wochen pro Jahr frei, die sie auch nehmen müssen. Damit wolle Goldman Sachs sicherstellen, dass die Beschäftigten Zeit haben, sich auszuruhen und Energie zu tanken, heißt es in einem Memo an die Mitarbeitenden. Der Schritt kann als Reaktion auf massive Beschwerden von jungen Analysten des Unternehmens gesehen werden. Diese hatten im Frühjahr 2021 von einem nicht zu bewältigenden und mental krank machenden Arbeitspensum sowie zahlreichen Überstunden berichtet.

Nun soll es für sie mehr Urlaub und für ihre höchsten Vorgesetzten unbegrenzte und flexibel wählbare Freizeit geben. Wie unser Schwestermagazin Finance berichtet, wurden 2019 465 Goldman-Sachs-Angestellte zu Managing Directors gemacht, sieben davon kamen aus Deutschland. Die neue Regelung zum unbegrenzten Urlaub wird deshalb auch deutsche Top-Führungskräfte betreffen. Somit muss sich Goldman Sachs zumindest hierzulande an das hiesige Arbeitsrecht halten.

Mindesturlaub muss eingehalten werden

Dieses lässt sich laut Anja Naumann, Rechtsanwältin und Partnerin bei CMS Deutschland, generell mit einem unbegrenzten Urlaub vereinbaren. Dafür müssen allerdings ein paar Grundregeln eingehalten werden. Die Managing Directors müssen etwa jährlich 20 Tage Urlaub haben, wenn sie als Arbeitszeitmodell eine Fünf-Tage-Woche haben und 24 frei Tage bei einer Sechs-Tage-Woche. Dass diese Tage auch genommen werden, muss Goldman Sachs sicherstellen.

Eine einheitliche Urlaubsregelung für alle Beschäftigten – also Managing Directors und Juniors – muss  es laut Naumann nicht zwingend geben. Die neue Urlaubsordnung von Goldman Sachs verstoße nicht gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbietet die willkürliche Schlechterstellung von einzelnen Mitarbeitenden, die sich nicht aus sachlichen Gründen ergibt. Zudem dürfen Beschäftigte nicht aufgrund von Diskriminierungsmerkmalen wie Alter, Geschlecht und Herkunft  weniger Urlaub bekommen.

Die Gewährung etwa von unbegrenztem Urlaub nur für Führungskräfte sei genauso eine Ausnahme wie eine Unterscheidung aufgrund guten oder schlechten Verhandelns: Wenn der Arbeitgeber einzelnen Mitarbeitenden mehr Urlaub ermöglicht, weil besagte Beschäftigte einen höheren oder unbegrenzten Urlaub ausgehandelt haben und diese Übereinkunft im Arbeitsvertrag festgehalten wurde, werden andere Mitarbeitende dadurch nicht diskriminiert. Sie hätten die Verhandlung ja auch besser oder überhaupt führen können, so die Argumentation.

Klare Regelungen sind empfehlenswert

Allen Unternehmen, die unbegrenzten Urlaub einführen möchten, empfiehlt die Rechtsanwältin folgendes zu beachten: Der Arbeitgeber sollte sicherstellen, dass genommene freie Tage zunächst vom gesetzlichen Mindesturlaub abgezogen werden. Denn er muss überprüfen, dass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin den gesetzlichen Mindesturlaub nimmt. Zudem sollte es klare Regeln für das Urlaubsmodell geben.

Naumann empfiehlt, festzuhalten, dass die Regelungen nicht in der Probezeit oder nach Kündigungserklärungen gelten. Sonst würden die ersten sechs Monate nicht als Hilfe für Arbeitgeber und Arbeitnehmer dienen, um die Kompatibilität festzustellen. Und eine Person, die kündigt, könnte ansonsten direkt mit der Einreichung des Kündigungsschreibens ihre Arbeit niederlegen. Auch sollte ein Mindestabstand zwischen den einzelnen Urlaubsblöcken festgelegt werden, um den Betriebsablauf zu gewährleisten und an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gedacht werden.

Sozialen Druck mitbedenken

Dass die Einführung von unbegrenztem Urlaub auch an ganz anderen Aspekten scheitern kann, zeigt das Beispiel der britischen Recruiting-Beratung Diversity Unknown. Dort wurde die vor einiger Zeit eingeführte Regelung nun wieder rückgängig gemacht Gründer Ollie Scott erklärt den Sinneswandel auf Linkedin. Keiner der Mitarbeitenden habe mehr als 21 Tage pro Jahr Urlaub genommen. Dies sei aus einem Gefühl der sozialen Erwünschtheit und des Gruppenzwangs heraus als „Guilty Standard“ entstanden. Sozialer Druck könne dazu führen, dass sich Mitarbeitende weniger Urlaub als vorher üblich nehmen. „Es gab auch eine generelle Sorge, wie viel Urlaub nun wirklich genommen werden darf“, schreibt Scott.

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Er bezieht sich in seinem Post zudem auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die den Nutzen von unbegrenzten Urlaub anzweifeln. So würden Menschen am besten funktionieren, wenn sie klare Regeln haben, anstatt sich etwas selbst definieren müssen. Ob das neue Urlaubsmodell von Goldman Sachs mehr als nur einen Attraktivitätsfaktor für die Arbeitgebermarke darstellt und wirklich für mehr Erholung für die Mitarbeitenden sorgt, bleibt abzuwarten.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.