Gleich 14 Transportunternehmen, die zwar im Ausland (Österreich, Polen, Ungarn) ansässig, jedoch auch in Deutschland tätig sind, wandten sich gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG), genauer gegen die Vorschriften § 16, § 17 Abs. 2 und § 20. Damit werden (auch) ausländische Arbeitgeber verpflichtet, ihren in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern den Mindestlohn zu zahlen, die Beschäftigungen der Zollverwaltung zu melden und entsprechende Dokumente für Kontrollen bereitzuhalten. Gegen eine andere Regelung des MiLoG wollte ein 17 Jahre alter Auszubildender in einem Gastronomiebetrieb vorgehen. Nach § 22 Abs. 2 MiLoG gilt der gesetzliche Mindestlohn nämlich nicht für Kinder und Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung.
Bundesverfassungsgericht verweist an Fachgerichte
Karlsruhe entschied nun in beiden Fällen, dass zunächst der fachgerichtliche Rechtsweg beschritten werden müsse. Der Grundsatz der Subsidiarität sei also verletzt und damit die Verfassungsbeschwerden unzulässig. Die Pflicht, zunächst die Fachgerichte in allen Instanzen mit der Sache zu beauftragen besteht zwar dann nicht, wenn dies für den Betroffenen unzumutbar ist. Das aber sahen die Richter hier nicht.
Was die Transportunternehmen anbelange, sei es zwar unzumutbar, zunächst gegen die angegriffenen Pflichten des MiLoG zu verstoßen, um dann gegen den resultierenden Bußgeldbescheid in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren angehen zu können. Eine bessere Möglichkeit sei es aber, vor den Fachgerichten auf Feststellung zu klagen, durch die streitigen Regelungen nicht verpflichtet zu sein, so das Gericht.
Karlsruhe benennt ungeklärte Fragen beim MiLoG
Es sei nämlich naheliegend, dass die Fachgerichte ein Feststellungsinteresse bejahen würden, gelte es doch, zahlreiche Unklarheiten des MiLoG aufzuarbeiten, so die Richter, die offenbar mit einer kritischen inhaltlichen Bemerkung zum Gesetz nicht hinter dem Berg halten wollten. Die Fachgerichte hätten also Normen des MiLoG allein schon deshalb zu prüfen, um bei der Beantwortung zahlreicher Rechtsfragen mitzuwirken.
Klärungsbedürftig sei etwa, was unter der Voraussetzung „Beschäftigung im Inland“ zu verstehen sei. Sollten etwa auch nur kurzfristige Beschäftigungen in Deutschland hierunter fallen? Dann stelle sich aber sogleich die Frage, ob eine Mindestlohnpflicht für diese Fälle überhaupt erforderlich sei, um die mit dem Gesetz verfolgten Ziele zu erreichen.
Einen schweren finanziellen Nachteil durch das MiLoG konnte das Bundesverfassungsgericht seitens der Transportfirmen nicht ausmachen. Die behaupteten Insolvenzrisiken seien nicht mit Bilanzen belegt worden, hieß es. Auch diesbezüglich kam eine Unzumutbarkeit nicht in Betracht.
Für den 17-jährigen Auszubildenden gilt nichts anderes. Auch ihm sei möglich und zumutbar, nicht gleich nach Karlsruhe zu ziehen, sondern zuvor fachgerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Ein drohender schwerer Nachteil sei – auch in finanzieller Hinsicht wohlbemerkt – nicht in Sicht.
Zeitungszustellerin wehrt sich erfolglos gegen schrittweise Anhebung
Als unzulässig qualifizierten die Richter schließlich auch die Verfassungsbeschwerde einer Zeitungszustellerin, die sich an § 24 Abs.2 MiLoG störte. Für Beschäftigte dieser Branche sieht die Norm zunächst nur eine schrittweise Anhebung des Lohns und schreibt eine Vergütung von 8,50 Euro erst ab Januar 2017 vor.
Das Problem hier: Den Richtern fehlten Angaben dazu, ob die Dame tatsächlich die Voraussetzungen einer Zeitungszustellerin im Sinne des MiLoG erfülle. Außerdem habe sie nicht mitgeteilt, ob ihr derzeitiger Stundenlohn unter dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro liege. Damit fehlte eine zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung. Beschwerdeführer müssen stets geltend machen, selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffene Norm in ihren Rechten verletzt zu werden.
Quelle: Legal Tribune Online/una