Wird eine Unternehmensberatung ins Haus geholt, so in der Regel mit dem Ziel, betriebliche Abläufe effizienter zu gestalten, Prozesse zu optimieren, Kosten zu senken. Dass in diesem Rahmen dann meist über Personalkosten diskutiert wird, macht den Berater scheinbar zum natürlichen Feind des Betriebsrates.
Diese Sichtweise blendet aber aus, dass Betriebsrat und Unternehmensleitung gemeinsame Ziele verfolgen – wenn es nämlich um Gesundheit und Wohlbefinden als Grundlage für Leistungsfähigkeit und Gewinn geht. Hier werden fünf Gründe dafür aufgeführt, dass sich ein Betriebsrat unter Umständen sogar selbst dafür einsetzen sollte, einen Berater ins Haus zu holen:
1. Kennzahlen-Analyse begründet Neueinstellungen
Als das Chemieunternehmen Clariant vor etwa zehn Jahren begann, immer mehr zu produzieren, ohne dass neue Stellen geschaffen wurden, wuchs der Druck auf die Belegschaft. Betriebsratsvorsitzender Richard Tschernatsch konnte sich mit seinen Forderungen nach Neueinstellungen zunächst nicht durchsetzen – bis er der Standortleitung eindeutige Kennzahlen präsentierte. Die Gegenüberstellung von Produktionswachstum auf der einen und Personalabbau und hohen Überstundenzahlen auf der anderen Seite überzeugte: Neue Mitarbeiter wurden gebraucht. Sowohl, um den Stress unter den Mitarbeitern zu reduzieren, als auch, um das Leistungsspektrum halten zu können.
Für sein umfassendes Maßnahmenpaket zu Personalanpassungen an Produktionsmengen, Altersstruktur und Ausfallzeiten wurde der Clariant-Betriebsrat im November 2018 mit dem Deutschen Betriebsräte-Preis in Silber ausgezeichnet. Dahinter steht eine Leistung, für die viele Unternehmen wohl eine Beratungsfirma engagiert hätten. Von Vorteil war in diesem Fall, dass sich im produzierenden Sektor Input, Output und benötigte Arbeitszeit meist eindeutig erfassen lassen.
In diesem Fall kann eine kompetente Beratungsfirma unterstützen und durch detaillierte Mitarbeiterinterviews die reale Auslastung ermitteln. Wenn die Berater eine Überlastung erkennen, werden auch sie der Geschäftsführung zu Neueinstellungen raten. Denn diese führen zwar kurzfristig zu Kostensteigerungen, langfristig steigern sie aber die Marge, weil Fehlzeiten vermieden werden und viele Mitarbeiter nun einmal mehr Leistung erbringen können als wenige. Das Ergebnis: Der Stress sinkt, die Performance steigt.
2. Arbeitsauslastung ermitteln und stressbedingte Erkrankungen vermeiden
Psychische Erkrankungen waren 2018 die Ursache für 15,2 Prozent der krankheitsbedingten Fehlzeiten. Trotz eines leichten Rückgangs im Vergleich zum Vorjahr stehen damit psychische Krankheiten wie Anpassungsstörungen, Depressionen und Burnout auf Platz 3 der Liste. Oft sind besonders leistungsbereite, engagierte und somit für das Unternehmen wertvolle Mitarbeiter betroffen. Präventions- und Gesundheitsmaßnahmen sind natürlich nötig, jedoch oft nicht ausreichend. Denn die Ursachen für die Überforderung sind ebenso strukturell bedingt, durch zu hohen Termin- und Wettbewerbsdruck und zu wenig Anerkennung und Wertschätzung durch Führungskräfte und Kollegen.
Es gehört zu den Aufgaben des Betriebsrates, wie auch zu denen der Unternehmensleitung, die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz zu einer Gefährdungsbeurteilung verpflichtet, die auch die Bewertung der objektiven psychischen Belastung einschließt. Entsprechende Risiken zu mindern und Erkrankungen zu vermeiden, liegt auch im Interesse des Unternehmens; nur gesunde Mitarbeiter können ihr Leistungspotential voll ausschöpfen. Betriebsrat und Unternehmensspitze zielen somit auf denselben Punkt: Die Gesundheit der Mitarbeiter.
Eine perspektivisch denkende Unternehmensberatung setzt daher ebenfalls diesen Fokus. Sie kann gesundheitsschädigende Tendenzen bereits an der Basis erkennen, denn sie hört jedem einzelnen Mitarbeiter aufmerksam zu. Letztendlich ist es ihre Aufgabe, Überlastungen und persönliche Differenzen aufzudecken und in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der Geschäftsführung einen gesunden Weg zu finden.
3. So viel Arbeitsschutz wie nötig, so wenig Bürokratie wie möglich
Besonders im Labor-, Distributions- oder Lagerbetrieb, aber auch im produzierenden Bereich ist die Vermeidung von Arbeitsunfällen essentiell. Die Vorgaben dazu sind im Arbeitsschutzgesetz geregelt. Aber jedes Unternehmen kann noch einige Schritte weitergehen, wenn es um die Sicherheit der Mitarbeiter geht. Denn die Mitarbeiter sind es, die täglich beobachten, wo Gefahren bestehen, die gebannt werden könnten.
Umgekehrt wissen auch sie am besten, an welchen Stellen sie durch Maßnahmen, die über das Gesetz hinausgehen, in ihrer Arbeit behindert werden.
Ein Stichwort ist hier beispielsweise Bürokratie: Erlegt die Unternehmensspitze den Mitarbeitern zu viele Dokumentationspflichten auf, kann dies zu Langeweile auf der einen und zu Überlastungen auf der anderen Seite führen.
Suchen Betriebsrat und Geschäftsführung Unterstützung bei einer kompetenten Unternehmensberatung, kann diese genau ermitteln, wo den Mitarbeitern der Schuh drückt. Auf diese Weise können die Arbeitsbedingungen verbessert und die Motivation gesteigert werden.
4. Beratung kann Mobbing im Ansatz ersticken
Mobbing beeinträchtigt die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Betroffenen erheblich. Die ständige Herabsetzung führt zu Unsicherheiten, Fehlern und Selbstzweifeln während der Arbeit. Dem Ziel langfristiger Gewinne steht das im Wege: Wer treibt schon mutig Innovationen und Projekte voran, wenn er nicht an sich glaubt? Die weiteren Folgen sind aber noch gravierender: psychische und auch physische Beschwerden, Krankschreibungen und schließlich oft Kündigung. Nicht nur hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die Angestellten vor Mobbing zu schützen, es ist auch im betriebswirtschaftlichen Interesse, lange Fehlzeiten und den Verlust von Fachkräften zu verhindern. Das Ziel sollte es sein, Mobbing nicht zu dulden und zu unterbinden.
Eine gute Unternehmensberatung unterstützt alle Beteiligten dabei, dieses Ziel zu erreichen. Auch hier geht es nicht um kurzfristige Einsparungen durch Senkung der Personalkosten. Vielmehr sind die qualifizierte Sicht „von außen“, eine langjährige Expertise und sehr gute Interviewtechniken und Analysefähigkeiten gefragt. Das ist wichtig, weil zum einen oft mehrere Hierarchieebenen in die Vorgänge verstrickt sind und Mobbing zum anderen häufig subtil erfolgt und von objektiv begründeten Entscheidungen anzugrenzen ist.
Eine Beratungsfirma muss die Stellen im Unternehmen identifizieren, an denen Mobbing das Arbeitsklima gefrieren lässt. In detaillierten und anonymisierten Mitarbeiterinterviews sollte jeder Einzelne zu Wort kommen. Qualifizierte Berater sind dann in der Lage, die Gesamtheit einer „Problemabteilung“ zu betrachten und gemeinsam mit der Unternehmensspitze und dem Betriebsrat entsprechende Maßnahmen zu erarbeiten.
5. Prozessoptimierung verbessert Arbeitsklima und Leistung
Ineffizienz ist nicht nur teuer, sie macht auch unzufrieden. Mitarbeiter wollen Sinn in ihrer Arbeit sehen und ihre Arbeit als sinnstiftend empfinden, dann fehlen sie seltener am Arbeitsplatz und zeigen deutlich weniger arbeitsbedingte gesundheitliche Beschwerden.
Langwierige, redundante und undurchschaubare Prozesse werden eher nicht als sinnstiftend empfunden. Müssen Mitarbeiter endlose Papierprozesse verfolgen, statt eigene Fähigkeiten produktiv einsetzen zu können, führt das zu Unzufriedenheit. Zusätzlich zieht sich der Prozess vielleicht durch sehr viele Freigabeschritte so in die Länge, dass der Mitarbeiter das Ergebnis seiner eigenen Arbeit kaum noch wahrnimmt. Doch auch das andere Extrem ist frustrierend: Wenn nämlich feste Standards und Vorgehensweisen fehlen, die Zuständigkeiten unklar sind und praktisch das Rad immer wieder neu erfunden wird.
Dass solche Prozesse außerdem teuer sind, ist unstrittig. Betriebsrat und Geschäftsführung sollten also an einem Strang ziehen und nach Möglichkeit eine spezialisierte Unternehmensberatung mit der Prozessoptimierung beauftragen. Im eigenen Hause fehlt dafür häufig nicht nur die Zeit, sondern auch die nötige Distanz.
Im Rahmen einer umfassenden Analyse werden einerseits harte Fakten betrachtet, wie detaillierte Prozessabläufe und Auslastungen der Mitarbeiter. Gleichzeitig sollten aber auch in Interviews Erfahrungen, Kenntnisse, Ängste und Optimierungsansätze jedes einzelnen betroffenen Mitarbeiters erfragt und dokumentiert werden. Denn sehr oft haben die Mitarbeiter bereits Ideen zur Verbesserung parat. Betroffene werden so zu Beteiligten und Mitarbeiter nehmen die Ergebnisse ihrer Arbeit wieder als Erfolge wahr.