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Was ändert sich zum 1. August 2022 bei den Arbeitsverträgen? 

Wir haben für Teil 23 unserer Kolumne „So ist’s Arbeitsrecht” bei Paula Wernecke, Rechtsanwältin bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle, nachgefragt.

Personalwirtschaft: Was ändert sich zum 1. August 2022 bei den Arbeitsverträgen? 
Paula Wernecke: Die Arbeitsbedingungenrichtlinie der EU wird in nationales Recht umgesetzt. Insbesondere werden Änderungen im Nachweisgesetz (NachwG) vorgenommen. Am wichtigsten ist hier wohl die Verpflichtung des Arbeitgebers, die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich dem Arbeitnehmer mitzuteilen. Dabei gilt eine strenge Schriftform und die elektronische Form ist nicht ausreichend. Die Gesetzesänderung gilt ab 1. August dieses Jahres und entfaltet sowohl für neue als auch für bestehende Arbeitsverträge Wirkung. 

War die elektronische Form denn vor dem neuen Gesetz möglich und wenn ja, wieso wurde die moderne Variante nun ausgeschlossen? 
Der europäische Gesetzgeber hat in Art. 3 der Richtlinie explizit festgehalten, dass eine Bereitstellung von Informationen in elektronischer Form ausreicht. Das „Warum“ des deutschen Gesetzgebers bleibt nebulös. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf diese Verschärfung kritisiert hat, ist es verwunderlich, dass er auf diese Kritik nicht eingegangen ist.

Welche Änderungen stehen neben der Schriftform an? 
Zusätzlich nimmt der Gesetzgeber Änderungen hinsichtlich der mitzuteilenden Bedingungen vor. Besonders hervorzuheben sind hier neue Informationspflichten zum Kündigungsschutzverfahren. Der Arbeitgeber muss über das einzuhaltende Verfahren inklusive Kündigungsfristen und Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage informieren. 

Gibt es einen Zeitrahmen für die Informationspflicht? 
Die Unterrichtung hat bei neuen Arbeitsverträgen fortan bis spätestens zum ersten Tag der Arbeitsleistung zu erfolgen. Bei Änderungen an wesentlichen Vertragsbedingungen im laufenden Arbeitsverhältnis spätestens am Tag des Wirksamwerdens der Änderung, also am 1. August 2022. Gibt es keine wesentlichen Vertragsänderungen bei laufenden Verträgen, aber eine Aufforderung zur Information der Arbeitnehmer, spätestens am siebten Tag nach der Aufforderung. 

Um welche Arbeitsbedingungen außer den Kündigungsfristen geht es noch? 
Der Arbeitgeber muss auf Dauer der Probezeit, sofern diese vereinbart wurde, auf die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden, auf die Umstände von Arbeit auf Abruf sowie auf etwaige Ansprüche bezüglich vom Arbeitgeber bereitgestellter Fortbildungen hinweisen. Zudem muss er noch auf Informationen bezüglich der betrieblichen Altersvorsorge hinweisen, wenn er dem Arbeitnehmer eine solche zugesagt hat und der Versorgungsträger nicht dazu verpflichtet ist, den Arbeitnehmer selbst zu informieren.

Was konkret empfehlen Sie, um die Änderungen des Nachweisgesetzes zu übernehmen? 
Auf jeden Fall sollten sich Arbeitgeber frühzeitig mit den Änderungen vertraut machen und diese entsprechend vorbereiten. Im Rahmen von neuen Arbeitsverträgen sollte der Arbeitgeber die Musterarbeitsverträge auf Konformität überprüfen und die notwendigen Anpassungen vornehmen. Generell ist es auch möglich, bei Vertragsschluss ein entsprechendes Informationsblatt auszuhändigen. Das Nachweisgesetz sieht nicht vor, dass die Information im Arbeitsvertrag erfolgen muss. 

Und bei bestehenden Arbeitsverträgen? 
Auch hier sollte ein Informationsblatt vorbereitet werden, welches im Rahmen von bestehenden Arbeitsverhältnissen schnell ausgehändigt werden kann, da dem Arbeitgeber nach Aufforderung durch den Arbeitnehmer lediglich eine Frist von in der Regel sieben Tagen zur Beantwortung verbleibt. Eine Anpassung der Arbeitsverträge ist jedoch grundsätzlich nicht notwendig. Hier sollte sich der Arbeitgeber auf entsprechende Anfragen nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung einstellen. 

Paula Wernecke ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle mit dem Tätigkeitsschwerpunkt im Arbeitsrecht. (Foto: JOCAO/Joachim_Weber)
Paula Wernecke ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle mit dem Tätigkeitsschwerpunkt im Arbeitsrecht. (Foto: JOCAO/Joachim_Weber)

Was ist mit befristeten Verträgen. Da gibt es doch auch Änderungen, oder? 
Der Gesetzgeber hat zum einen Paragraph 1 der alten Fassung des Nachweisgesetzes dahingehend geändert, dass nun auch Aushilfen, welche höchstens einen Monat eingestellt werden, vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sind. Zum anderen hat er die neue Fassung des NachwG dahingehend ergänzt, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen die vorhersehbare Dauer oder das Enddatum genannt werden müssen. Daneben muss die Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen von nun an in einem angemessenen Verhältnis zur Befristungsdauer stehen. Dies ist zwar von der Rechtsprechung bereits anerkannt, wurde nun aber auch gesetzlich festgelegt. Des Weiteren sind Arbeitgeber nun dazu verpflichtet, befristet Beschäftigten, die einen Wunsch nach einem unbefristeten Arbeitsverhältnis äußern, eine begründete Antwort innerhalb eines Monats zu übermitteln.

Was passiert, wenn der Arbeitgeber diesen Verpflichtungen nicht nachkommt? 
Die Änderung sieht nun vor, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung eine Ordnungswidrigkeit darstellt und ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro pro Arbeitnehmer nach sich ziehen kann.  

Wenn man schon dabei ist: Was sollte man bei Arbeitsverträgen gleich noch mit anpassen? 
Soweit ein Musterarbeitsvertrag konkrete Angaben zum Arbeitsentgelt enthält, sollten schon in Hinblick auf die Transparenz die feststehende Erhöhung des Mindestlohns auf 10,45 Euro ab 1. Juli 2022 und die geplante Erhöhung auf 12 Euro ab 1. Oktober 2022 berücksichtigt werden. Wenn hierzu keine kollektive Vereinbarung besteht, ist auch eine Regelung zu Homeoffice und mobilem Arbeiten im Arbeitsvertrag sinnvoll. Ebenfalls überprüfen sollten Arbeitgeber ihre Musterverträge auf Ausschlussfristen und Verfallklauseln.  

Warum? 
Häufig enthalten solche Klauseln überhaupt keine Ausnahmen. Ansprüche, die den Mindestlohn betreffen, sowie Ansprüche aus unerlaubter Handlung und vorsätzlicher Vertragsverletzung müssen von der Anwendung solcher Klauseln ausdrücklich ausgenommen sein. Andernfalls sind die entsprechende Klausel insgesamt unwirksam.

Alles zum Thema

Die Kolumne “So ist’s Arbeitsrecht” erscheint alle zwei Wochen und klärt HR-relevante Fragen im Recht. Gibt es bei Ihnen Unklarheiten zu arbeitsrechtlichen Themen? Dann schreiben Sie gerne an unsere Redakteurin: gesine.wagner@faz-bm.de.

Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem schreibt Sie über Recruiting und Employer Branding.