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Was droht, wenn ich ChatGPT meine Arbeit machen lasse?

Wir haben für Teil 39 unserer Kolumne „So ist’s Arbeitsrecht” bei Jakob Friedrich Krüger, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Kliemt.Arbeitsrecht, nachgefragt, welche arbeitsrechtlichen Folgen der Einsatz von KI-Tools haben kann.

Personalwirtschaft: Was droht, wenn ich ChatGPT oder ein ähnliches Tool meine Arbeit machen lasse?
Jakob Friedrich Krüger: Das hängt davon ab, ob die Tatsache, dass der Arbeitnehmer ChatGPT für die Erbringung seiner Leistung verwendet hat, eine Pflichtverletzung darstellt. Pflichtverletzungen können zu Abmahnungen oder im schlimmsten Fall zum Ausspruch von Kündigungen führen.

In welchen Fällen würden Sie von einer schweren Pflichtverletzung sprechen? Wenn im Arbeitsvertrag explizit steht, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung selbst erbringt?
Bei der Frage, wann eine schwere Pflichtverletzung vorliegt, muss immer der Einzelfall geprüft werden. Die Schwere des Verstoßes gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag muss dazu führen, dass der Arbeitgeber berechtigterweise nicht mehr an dem Arbeitsverhältnis festhalten muss. Wann dies im Fall der Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) vorliegt, lässt sich nicht abschließend sagen. Aber wenn die Aufgaben vollständig an die KI abgegeben werden, ohne Kenntnis des Arbeitgebers, dürfte dies der Fall sein. Wenn die KI aber nur eine Hilfestellung war, wird es schwer, jemanden dafür abzumahnen, sofern keine weiteren Verstöße hinzukommen. Kritischer wird es, wenn die Verwendung von ChatGPT negative Konsequenzen für den Arbeitgeber hat.

Was für Konsequenzen meinen Sie?
Bei vielen KI-Tools wissen wir gar nicht oder nicht genau, wo die Informationen, die wir dort eingeben, landen oder ob sie gespeichert werden. Wenn ein Arbeitnehmer nun Geschäftsgeheimnisse oder persönliche Daten von Mitarbeitenden bei ChatGPT eingibt und diese dann an die Öffentlichkeit geraten, kann eine schwere Pflichtverletzung vorliegen, die auch eine Kündigung rechtfertigen kann.

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Unsere Arbeitsrecht-Kolumne

Die Kolumne „So ist’s Arbeitsrecht” erscheint alle zwei Wochen und klärt HR-relevante Fragen im Recht. Gibt es bei Ihnen Unklarheiten zu arbeitsrechtlichen Themen? Dann schreiben Sie gerne an unsere Redakteurin: gesine.wagner@faz-bm.de.


Also ist es beispielsweise kein Betrug, ein Bewerbungsanschreiben von ChatGPT schreiben zu lassen?
Nein, ich denke eher nicht. Gerade das Anschreiben für eine Bewerbung wird ja auch bereits jetzt schon nicht immer von den Bewerbern und Bewerberinnen erstellt, sondern sie verwenden häufig Muster und Vorlagen. Allein durch die Tatsache, dass man das Anschreiben nicht selbst geschrieben hat, dürfte das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch nicht gestört sein. Insgesamt ist der Umgang mit KI derzeit noch nicht abschließend gesetzlich geregelt.

Wann ist damit zu rechnen?
Es gibt einen Vorschlag des europäischen Parlaments und dem Rat zu einer europäischen KI-Verordnung – Gesetz über die Künstliche Intelligenz. Mit der Umsetzung ist frühestens Ende dieses Jahres zu rechnen. Darin wird auch näher definiert, was unter Künstlicher Intelligenz zu verstehen ist und wie damit umgegangen werden soll.

Jakob Friedrich Krüger ist seit 2018 Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Kliemt.Arbeitsrecht und berät häufig an der Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Datenschutz, z.B. bei der Einführung von IT-Systemen.

Was ist, wenn die KI Fehler macht, die zu negativen Konsequenzen für den Arbeitnehmer führen? Vorstellbar wäre ja zum Beispiel ein ungewolltes Kündigungsdatum bei einer automatisch generierten Kündigung.
Aktuell hat der Arbeitnehmer, der ein Kündigungsschreiben mit ChatGPT schreiben lässt, einfach Pech gehabt, wenn dabei ein Fehler passiert. Das gilt auch für den Arbeitgeber. Die Kündigung wird rechtlich so betrachtet als hätte er oder sie diese selbstgeschrieben. Ein Fehler beim Datum würde der Person zugerechnet werden, die die Kündigung ausspricht. Dies kann im schlimmsten Fall zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, jedoch zumindest zu Problemen, wie etwa der Verlängerung der Kündigungsfrist. In diesem Zusammenhang warten wir derzeit noch auf die Umsetzung der EU-KI-Haftungsrichtlinie. Wenn diese in nationales Recht umgewandelt wird, könnte der Anbieter der KI für mögliche Schäden haften, abhängig von den in der Richtlinie festgehaltenen Voraussetzungen.

Auch schon vor dem aktuellen Hype um diverse KI-Tool kamen in vielen Branchen Ghostwriter zum Einsatz, wodurch die Arbeitsleistung nicht durch einen selbst erbracht wurde. Gibt es Gerichtsurteile dazu, die auf die Verwendung von KI-Tools übertragbar sind?
Hat jemand einen Ghostwriter für eine wissenschaftliche Arbeit engagiert, um einen akademischen Abschluss zu erlangen, kann dies zu einem strafrechtlichen Verfahren führen und zumindest kann ihm der akademische Titel aberkannt werden. Im Kontext des Arbeitsrechtes sind mir solche Fälle nicht bekannt, etwa dass wegen dem Zurückgreifen auf Ghostwritern Abmahnungen ausgesprochen worden sind. Wurde etwa die Rede eines Vorstandsvorsitzenden von einem Ghostwriter oder Redenschreiber erstellt, kommt dies häufig auch nicht an die Öffentlichkeit beziehungsweise stellt dies keine Pflichtverletzung dar, die eine Abmahnung zur Folge hat. Das kann im Gegenteil ja sogar der Aufgabenteilung innerhalb des Unternehmens entsprechen und ist durchaus üblich.

Sollten Unternehmen zum Einsatz von KI-Tools Vereinbarungen mit ihrer Belegschaft treffen?
Ja, oft geschieht das aber erst, wenn es schon einen Vorfall gab, etwa eine Datenschutzverletzung oder Geheimnisverrat. Vorausschauende Vereinbarungen zur Künstlichen Intelligenz sehen wir bisher eher selten. Allerdings beinhalten viele der heute verwendeten Unternehmenssoftwares bereits KI, und dies wird in der mit dem Betriebsrat abzuschließenden Vereinbarung auch mit geregelt. Vergleichbares sieht man auch bei dem Umgang mit der privaten Nutzung des Dienstgerätes.

Inwiefern?
Dort handeln Arbeitgeber oft erst, wenn das Firmennetzwerk von Schadsoftware befallen ist, da auch dazu viele Arbeitgeber noch keine Regelungen getroffen haben. Grundsätzlich sollten sich Unternehmen aber nicht nur in einem negativen Sinn mit KI beschäftigen, welche Tools und Anwendungsbereiche sie ihrer Belegschaft verbieten sollten. Sie sollten vielmehr in den Austausch mit ihrer Belegschaft gehen und überlegen, an welchen Stellen die KI eine Hilfestellung sein kann und der Einsatz durchaus sinnvoll wäre.

Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem schreibt Sie über Recruiting und Employer Branding.