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Agilität beginnt im Kopf

Erfolgreiche Unternehmerin
Für einen erfolgreichen Wechsel sollten Unternehmen die Agilität ganzheitlich einführen, anstatt auf Einzelmaßnahmen zu setzen. © Rido / stock.adobe.com

Die Arbeitswelt wird auch im neu angebrochenen Jahrzehnt zunehmend komplexer und unvorhersehbarer. Unternehmen und ihre Mitarbeiter müssen Agilität ganzheitlich in allen Unternehmensbereichen implementieren, um flexibel auf veränderte Anforderungen reagieren und bestehen zu können. Doch nur eines von fünf Unternehmen hat über den instrumentellen Einsatz von Agilität hinaus auch die dazugehörige Philosophie im Unternehmen verankert. Diese ermöglicht es einer Organisation aber erst, wendig auf sich wandelnde Umstände und Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Das Konzept der Organizational Dexterity beschreibt die mentale Adaptivität einer Organisation und befähigt Unternehmen zur gelebten Agilität. Unternehmen mit hoher Organizational Dexterity haben nachgewiesen zufriedenere Mitarbeiter und sind wirtschaftlich erfolgreicher.
Wie können Unternehmen also mithilfe von HR ihre Organizational Dexterity erhöhen? People-Themen sind dabei zugleich größte Herausforderung und wichtigster Erfolgsfaktor für eine gelungene Transformation. Personalverantwortliche haben deshalb im Zusammenspiel mit anderen Stakeholdern einen der größten Erfolgshebel in der Hand: die Unternehmens- und Führungskultur. Welche weiteren Erfolgshebel bestehen, beschreibt Capgemini Invent in seiner Ende 2019 erschienenen Change-Management-Studie.

Die Unternehmenskultur ist unerlässlich für Dexterity

Fakt: Mehr als drei Viertel der hoch anpassungsfähigen Unternehmen (77 Prozent) führen ihren hohen Dexterity- Grad auf den Kulturwandel zurück. In Unternehmen mit hoher Dexterity herrscht eine Kultur des Miteinanders, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Transfer: Um die Wirkung agiler Methoden wie Scrum oder Design Thinking nachhaltig im Unternehmen zu verankern, werden immer auch die entsprechenden Werte, Normen und Einstellungen benötigt, die ein agiles Mindset erst ermöglichen. Werte wie Transparenz, Offenheit und Vertrauen müssen sich auch in den angewandten HR-Instrumenten widerspiegeln. Dazu gehört beispielsweise Echtzeit-Feedback, welches dabei helfen kann, eine offene und angstfreie Feedbackkultur zu stärken. HR sollte mit all seinen Instrumenten dazu beitragen, eine sogenannte „psychological safe environment“ zu etablieren, also eine Unternehmenskultur, in der Fehler als Teil des Lernprozesses anerkannt und Mitarbeiter darin bestärkt werden, Dinge auszuprobieren und neuen Impulsen nachzugehen.

Führung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der agilen Transformation

Fakt: Ob sich die oben beschriebene Kultur etablieren kann oder nicht, liegt hauptsächlich an der Haltung der Mitarbeiter und Führungskräfte. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten begründen ihren Gewinn an Dexterity durch die Veränderung des Verhaltens und Rollenverständnisses von Führungskräften und Mitarbeitern.

Transfer: Führungskräfte, die sich als Coaches, Visionäre und Katalysatoren verstehen, befähigen ihre Mitarbeiter zu Verantwortungsübernahme und proaktivem Handeln in Bezug auf unternehmerische Entscheidungen, dem Entdecken neuer Geschäftsmöglichkeiten sowie ihrer persönlichen Weiterentwicklung. Sie wirken als Multiplikatoren der Bewegung und haben deshalb einen wichtigen Stellenwert in der agilen Transformation. Um Dexterity also nachhaltig implementieren zu können, sollte immer auch das (Top-)Management in Werte- und Kulturentwicklungsmaßnahmen seitens HR involviert sein. Auch die Rollen der Mitarbeiter verändern sich. Beschäftigte sind nicht mehr festgelegt auf ihre ursprünglichen Aufgaben, sondern bewegen sich sowohl horizontal als auch vertikal zwischen verschiedenen Teams und Rollen. Durch flexible Karrierepläne und beispielsweise Modelle zur Jobrotation kann die Personalentwicklung die Mitarbeiter dabei aktiv unterstützen.

Digitale Vorreiter erreichen schneller den höchsten Reifegrad der Dexterity

Fakt: Das Ausmaß, in dem vorhandene Daten verarbeitet werden, macht laut einem Drittel (32 Prozent) der Interviewten den Unterschied zu mehr Dexterity aus. Mit einher geht dabei Workforce Automation, also die Automatisierung von Geschäftsprozessen durch den Einsatz von Maschinen und künstlicher Intelligenz. Diese ist bei Unternehmen, die Dexterity schon leben, um knapp 40 Prozent höher als bei Unternehmen, die noch ganz am Anfang der agilen Transformation stehen.

Transfer: Unternehmen mit hoher Datenkompetenz wie Facebook, Amazon oder Netflix sind schon lange Vorreiter im Bereich der angewandten Agilität. Agile Arbeitsweisen und Datengetriebenheit haben sich hier früh über die IT und die Softwareentwicklung hinaus etabliert. Nicht nur Mitarbeiter aus der IT sollten wissen, was es bedeutet, digitale Daten zum Arbeiten und für Entscheidungen zu nutzen. Eine frühzeitige Sensibilisierung sowie Up- beziehungsweise Reskilling im Bereich der Digitalisierung und Workforce Automation sind hier wichtige Faktoren. Außerdem lohnt sich die Investition in Datenmanagement- und analysetools im HR-Bereich, um zum Beispiel durch People Analytics Personalentscheidern valide und unvoreingenommene Daten für das Talent Management oder die Nachfolgeplanung zu liefern.

Crossfunktionale Projektteams sind fest etabliert in Dexterity-erfahrenen Unternehmen

Fakt: In 71 Prozent der Unternehmen, die schon fortgeschritten sind auf dem Weg zur Organizational Dexterity, arbeiten die Mitarbeiter zumindest zu einem Teil ihrer Arbeitszeit in Projektteams. Bei Unternehmen, die sich gerade erst am Anfang der Dexterity-Reise befinden, sind dies (nur) 53 Prozent der Mitarbeiter.

Transfer: Hierarchische Strukturen haben ihre Daseinsberechtigung, bremsen jedoch die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen, wenn der überwiegende Teil in traditionelle Top-Level-Strukturen aufgeteilt ist. Stattdessen helfen flexible und crossfunktionale Netzwerkstrukturen dabei, Teams autonom arbeiten und weitestgehend unabhängig entscheiden zu lassen. Damit werden Unternehmen befähigt, sich schnell verändernden Marktanforderungen anzupassen und Kundenwünsche zeitnah umzusetzen. Beginnend mit Pilotteams mit Nähe zum Kunden beziehungsweise dem zu lösenden Problem, kann die Transformation hin zu projektbasierten Teams schrittweise auf andere Bereiche ausgerollt werden. Was es bedeutet, interdisziplinär und rollenbasiert anstatt funktionsbasiert zu arbeiten, sollte den Mitarbeitern frühzeitig durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen nähergebracht werden. Dies erleichtert den Übergang und verringert den anfänglichen Widerstand, den jeder Change-Prozess mit sich bringt.

Fazit: Um für die Herausforderungen der VUCA-Welt gerüstet zu sein, ist es notwendig, dass Unternehmen über die vereinzelte Implementierung von agilen Methoden und Teams hinauswachsen und Agilität ganzheitlich im Unternehmen verankern. Der Unterschied zwischen „doing agile” und „being agile” wird durch die in der Studie identifizierten Erfolgshebel deutlich hervorgehoben. Neben der Unternehmenskultur, dem Rollenverständnis von Führungskräften und Mitarbeitern, der Datenkompetenz und Struktur gehören zu diesen Erfolgshebeln ebenfalls Prozesse, Arbeitsumfeld, Governance und Ökosystem. Personalverantwortliche, die in ihrem Unternehmen Organizational Dexterity erreichen wollen, sollten zunächst den Status-quo dieser acht Faktoren ermitteln. Denn nicht für jedes Team ist agiles Arbeiten zielführend und nicht für jedes Unternehmen gilt das gleiche Erfolgsrezept. Zu wissen, wo das eigene Unternehmen steht, um daraufhin die richtigen Maßnahmen abzuleiten, ist der erste Schritt in die richtige Richtung.

Von: Dr. Ursula Bohn, Head of Organizational Dexterity DACH, Principal, People & Organization,, Capgemini Invent, München, ursula.bohn@capgemini.com und Laura Uchtmann, Senior Consultant, People & Organization, Capgemini Invent, Berlin, laura.uchtmann@capgemini.com

Über die Studie
Capgemini Invent führt seit 2003 alle zwei Jahre eine umfassende Change-Management-Studie durch. Für die aktuelle Studie „Auf dem Sprung – Wege zur Organizational Dexterity” wurden 1135 Unternehmensvertreter aus elf Ländern und mehr als 17 Branchen befragt. Nach der Analyse des international ausgerollten Online-Fragebogens folgten qualitative Tiefeninterviews mit ausgewählten Teilnehmern. Die interviewten Beschäftigten kommen sowohl aus kleineren Unternehmen als auch aus dem Mittelstand und Konzernen.

Dieser Praxistransfer ist in der Personalwirtschaft 03/2020 erschienen. Sie können das gesamte Heft in unserem › Shop bestellen

Bilderstrecke: Agilität beginnt im Kopf

In dieser Bilderstrecke lesen Sie die Ergebnisse der neuen Studie von Capegemini Invent. Darin hat das Unternehmen untersucht, wie der Wechsel in die Agilität gelingen kann.

Quelle: Capegemini Invent, 2019

Das Capgemini Invent Organizational Dexterity Modell beschreibt acht Hebel, mit denen Dexterity im Unternehmen zum Leben erweckt und nachhaltig in der Organisation verankert wird.

Quelle: Capegemini Invent, 2019

Die Studie unterscheidet drei Reifegrade der Dexterity, in die die Unternehmen eingeteilt wurden: 1. Experimental Phase, 2. Probational Phase sowie 3. Establishment Phase.

Quelle: Capegemini Invent, 2019

Im Rahmen der Studie wurde der Status Quo der Organizational Dexterity entlang der acht beschriebenen Hebel erfasst. Die Ergebnisse sind hier abgebildet.

Quelle: Capegemini Invent, 2019
25,1 Prozent der befragten Organisationen stehen noch am Anfang ihrer agilen Transformation und experimentieren mit dem Konzept und den begleitenden Methoden (Experimental Phase). 54,5 Prozent der Unternehmen sind schon etwas weiter und befinden sich momentan zwischen Bewährung und Umsetzung von agilen Methoden, was Veränderungen im Mindset mit sich bringt (Probational Phase). Erst jedes fünfte Unternehmen (20,4 Prozent) ist bereits weit fortgeschritten und hat eine Arbeitsweise etabliert, die die Teams flexibel und agiler werden lässt – zwar nicht in der gesamten Organisation, aber in den Bereichen, die als Schrittmacher vorgesehen sind (Establishment Phase).
Quelle: Capegemini Invent, 2019

Die Studie belegt sowohl einen positiven Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg …

Quelle: Capegemini Invent, 2019

… als auch auf die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitern. Beides ist umso höher, je selbstverständlicher agile Denk- und Handlungsweisen im Arbeitsalltag integriert werden.

Quelle: Capegemini Invent, 2019

Es gibt einen bedeutenden positiven Zusammenhang zwischen Dexterity und der digitalen Kompetenz im Unternehmen. Die Studie von Capgemini Invent zeigt, dass digital aufnahme- und umsetzungsbereite Unternehmen eher als andere die Establishment Phase erreichen.

Quelle: Capegemini Invent, 2019

Die Studie zeigt einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen Dexterity und Workforce Automation.

Quelle: Capegemini Invent, 2019

Die Abbildung zeigt die Verteilung der von den Studienteilnehmern genannten Erfolgsfaktoren auf die acht identifizierten Hebel. Die größte Wirksamkeit für eine Transformation hin zu Dexterity geht demnach von der Unternehmenskultur aus (77 Prozent), gefolgt von den Hebeln Leadership & People (64 Prozent) sowie Prozessen (45 Prozent).