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Unternehmen lernen jeden Tag dazu

Corona-Begrüßung
Leitende Personaler schildern ihre Learnings aus der Krise. Foto: © kamonwan-adobe.stock.com

Wann die Corona-Krise ein Ende findet, mag heute niemand vorhersagen. Doch in einem Punkt sind sich HR-Verantwortliche aus ganz unterschiedlichen Branchen einig: Es wird eine Zeit nach der Krise geben – und die wird gerade für die Arbeitswelt besser sein als zuvor.

Bei ifm electronic wurde das Coronavirus bereits im Januar Thema. Der Weltmarktführer im Bereich der Sensortechnik ist mit über 7.300 Mitarbeitern in 95 Ländern rund um den Globus vertreten. „Aus China bekamen wir schon frühzeitig Meldungen aus erster Hand“, berichtet Steffen Fischer, Geschäftsführer Personal und Mitglied der zentralen Konzerngeschäftsleitung. „Was dann folgte, war aber auch für uns ein straffer Lernprozess. Täglich mussten wir uns mit wechselnden Szenarien auseinandersetzen, dabei Entscheidungen treffen – und bei aller eigenen Unsicherheit genau diese die Mitarbeiter nicht spüren lassen.“

Vor diesem Hintergrund betont Fischer die herausragende Bedeutung der Kommunikation: „Neben ausführlichen Schulungsunterlagen, detaillierten Führungskräfte- und Mitarbeiterinformationen war eine unserer ersten Maßnahmen das Einrichten einer 24-Stunden-Hotline für alle Mitarbeiter. Je stärker in Deutschland die Fallzahlen stiegen, desto öfter riefen unsere Kollegen an und stellten ganz unterschiedliche Fragen – sehr handfeste auf der einen Seite, äußerst komplexe auf der anderen.“

Persönlicher Austausch im Fokus

Auch bei McDonald’s Deutschland erweist sich in diesen Tagen die seit Jahren fest installierte Vertrauensstelle als zusätzliche wichtige Stütze in den unsicheren Zeiten der Corona-Krise. „Mit ihr sind wir im stetigen Austausch, um Stimmungen, Ängste und Sorgen – natürlich anonymisiert – in der Fläche aufzunehmen und zu klären“, sagt Personalvorstand Sandra Mühlhause. Außerdem befindet sich die Zentrale mit den Franchisenehmern und Restaurantleitern im engen Kontakt. Wichtig sei zudem, ein Stück Normalität vorzuleben, um auch so die nötige Sicherheit den eigenen Mitarbeitern zu vermitteln. „Wir legen sehr viel Wert darauf, dass unsere Franchisenehmer extrem nah an ihren Teams sind. Der persönliche Austausch mit den Mitarbeitern vor Ort ist heute wichtiger denn je.“

Nah an ihren Führungskräften und Mitarbeitern ist ebenfalls die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank). Hier finden neben projektbezogenen Video- und Telefonkonferenzen in einzelnen Abteilungen jeden Tag „Morning Calls“ statt. „Auf diese Weise wollen wir neben dem fachlichen Dialog auch den Austausch fördern, der normalerweise in der Kaffeeküche oder auf dem Flur stattfindet“, erzählt Christina Redeker aus dem Bereich Personal der apoBank. Die apoBank wurde im vergangenen Februar gemeinsam mit ifm, McDonald’s und rund 190 weiteren Unternehmen für ihre herausragende Personalführung und -strategie als „Top Employer 2020“ ausgezeichnet.

Digitale Transformation beschleunigt sich

Von der oft diskutierten Digitalisierungsschwäche deutscher Unternehmen ist derweil bei den Top Employern nichts zu spüren. Mit Videokonferenzen, neuen Messenger-Diensten, Projekt-Software und vielen weiteren Apps gestalten die Unternehmen ihre Abläufe um. Dabei ist sich Christina Redeker mit ihren Kollegen einig: „Wir sehen gerade eine wahnsinnig schnell zunehmende Akzeptanz für digitale Tools.“

Die stärkere Bereitschaft für neue Lösungen zeigt sich auch an ganz anderer Stelle. So schwärmt Sandra Mühlhause von der „schnell und unbürokratisch“ gestarteten Personalpartnerschaft, die ihr Unternehmen Mitte März mit Aldi Nord und Aldi Süd vereinbarte. Dabei werden Mitarbeiter, die von eigenen Restaurant-Schließungen oder eingeschränktem Betrieb betroffen sind und gerne weiterarbeiten möchten, gezielt an die Discounter vermittelt. Die Mitarbeiter werden zu den bei Aldi üblichen geltenden Konditionen befristet eingestellt und können nach dem Einsatz wieder zu McDonald’s zurückkehren. Nicht nur für Mühlhause „eine klassische Win-win-Situation“.

Recruiting rein virtuell

Pragmatische Lösungen sind derzeit auch beim Recruiting und Onboarding gefragt – etwa bei ifm. Zwar werden bereits vereinbarte Einstellungen vollzogen, doch weitere Neueinstellungen sind zunächst aufgeschoben. Personalchef Steffen Fischer erklärt, dass zu bereits angesprochenen Kandidaten der Kontakt gehalten werde: „Derzeit finden nur für wesentliche Bereiche ganz wenige Treffen statt – und dabei haben wir alle Hygienemaßnahmen genau im Blick.“

Vieles läuft stattdessen virtuell – das gilt auch bei der apoBank: „Oft wird vom Kandidaten selbst der Wunsch geäußert, statt eines persönlichen Treffens lieber eine Videoschalte zu machen“, sagt Christina Redeker. Ähnlich sieht es beim Onboarding aus. Anstelle von Welcome-Events denkt man nun über digitales Onboarding nach, das den Neuankömmlingen das Wichtigste vermitteln soll. „Auch die Kommunikation mit dem persönlichen Paten und Teile der Einarbeitung finden online statt“, berichtet Redeker. Ein Umstand, der aber nicht für Unruhe sorge. So profitiere die apoBank auch in dieser Hinsicht: „2017 haben wir mobiles Arbeiten noch gegen Widerstände eingeführt – und nun lernen plötzlich alle: Es geht!“

„Neues wird bestehen bleiben“

Ohnehin verändere die aktuelle Situation die Unternehmenskultur in hohem Maße. Ifm-Personalleiter Steffen Fischer meint, dass „vieles von dem, was wir heute erleben dürfen, bestehen bleiben wird: Mitarbeiter, die kreativ und effektiv digitale Tools anwenden, die Zusammenarbeit in virtuellen Teams, die gewonnenen Freiheiten für jeden Einzelnen, die schnelleren Entscheidungen und die effizienter gestalteten Projekte.“ Sandra Mühlhause von McDonald’s spürt, dass „unser Umgang mit dieser Krise mit jedem von uns etwas macht.“ Äußerst positiv sei dabei vor allem „die steile Lernkurve hin zu mehr Pragmatismus: Die Leute erkennen, dass man auch auf kurzen Wegen, mit wenigen Abstimmungsschleifen sehr gute Entscheidungen herbeiführen kann.“

Damit das so bleibt, nimmt Christina Redeker von der apoBank ihre HR-Kollegen in die Pflicht: „Bisher hieß es oft, dass HR zu sehr den Status quo verwalten würde. Diese Krise zeigt aber ganz eindeutig, dass wir mit Digital-Tools, neuen Arbeitsweisen und Prozessen in hohem Maße die Arbeitswelt der Zukunft gestalten. Diese wertvolle Leistung und tatsächliche ›Bedeutung von HR müssen wir alle noch stärker herausstellen!“

Von: Steffen Neefe, Country Manager DACH des Top Employers Institute