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„Der Mensch muss sich weiterentwickeln“

 

Personalwirtschaft: Herr Kilian, Sie sprechen oft von einer humanzentrierten Arbeitswelt 4.0. Aber gehört die Zukunft nicht eher den Robotern und Algorithmen? 

Dietmar Kilian ist Professor und Fachbereichsleiter
Dietmar Kilian ist Professor und Fachbereichsleiter „Geschäftsprozess und Unternehmensnetzwerk“ am Management Center Innsbruck (MCI). / Foto: PDA Group

Dietmar Kilian: Es ist ein Irrglaube, dass der Mensch durch die Maschinen, künstliche Intelligenz oder die Digitalisierung weniger wichtig wird. Sicherlich werden Routinetätigkeiten, die früher Menschen erledigt haben, künftig noch stärker automatisiert und mittler weile eigenständig von technischen Systemen übernommen. Im Gegenzug benötigen wir aber dringend Menschen, die diese Systeme bedienen, programmieren, vernetzen und kontextbedingt anwenden können. Die Verbindung, Vernetzung, Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Maschine und Mensch sind einfach unabdingbar. Aber Fragen zur Ethik, etwa bei der Nutzung von Daten, müssen vom Menschen klar definiert werden. 

An welcher Stelle im Gefüge aus vernetzten Dingen, Softwaretools und Robotern als Kollegen oder gar Chefs findet der Mensch künftig seinen Platz?

Der Mensch muss sich weiterentwickeln. Mit den richtigen Fähigkeiten sitzt er im Zentrum des beschriebenen Gefüges. Er plant, setzt um, managt und kontrolliert. Vor allem sind es Menschen, die auch in Zukunft die Gesamtkonzepte erstellen und Innovationen vorantreiben. 

Wie verändern sich die Anforderungen an die Mitarbeiter, insbesondere was die Soft Skills angeht?

Neben technischen Kompetenzen, etwa im Bereich Cloud, Datensicherheit, Programmierung, Big Data et cetera, sind es eben die Soft Skills, die sich ändern. Dazu zählt zunächst die Fähigkeit zu Kollaboration und Kommunikation. Mitarbeiter müssen mehr denn je mit den unterschiedlichsten Zielgruppen kooperieren, und das unternehmens- und länderübergreifend. Und sie müssen fähig sein, in Netzwerken zu denken. Sicherlich werden auch kritisches Denken, Kreativität und die Eigenschaft, flexibel auf sich schnell ändernde Herausforderungen und Dynamiken reagieren zu können, immer wichtiger. Das macht vielen Menschen Angst. 

Und wie sehen die Anforderungen an das Personalmanagement aus?

Genau hier muss das Personalmanagement ansetzen und die Mitarbeiter mitnehmen. Der Personalmanager wird zum Coach, der langfristig strategisch planen muss, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Die digitale Personalakte etwa, die leider in vielen Unternehmen noch nicht im Einsatz ist, bietet hier ganz neue Möglichkeiten. So sieht die HR-Abteilung, welche Qualifikationen fehlen, und sie kann Mitarbeitern Zugang zu Trainings geben, die abgestimmt sind auf ihre jeweiligen Vorkenntnisse. Curricula und Lernrouten, die von intelligenten Algorithmen erstellt werden, ergänzen dies und holen die Mitarbeiter da ab, wo sie stehen. In diesem Umfeld muss das Personalmanagement zum wirklichen Business Partner werden und somit Fachabteilungen unterstützen und die Entwicklungs- und Weiterbildungsplanung in Abstimmung mit der Unternehmensstrategie realisieren. Damit dies möglich ist, benötigt ein Unternehmen IT-Tools zur Big-Data-Analyse der Personalinformationen. 

Was kann ich als HR-Manager tun, um mich im Unternehmen neu zu positionieren?

Die Rolle des HR-Managers muss noch strategischer werden. Ein paar Unternehmen haben das schon erkannt, aber noch zu wenige. Routinetätigkeiten und Personalverwaltung werden stärker automatisiert, damit sich die HR-Abteilung auf die strategische Weiterentwicklung der Mitarbeiter und das Recruiting konzentrieren kann und zum Treiber der digitalen Transformation wird. Die technischen Möglichkeiten gibt es. Es gilt, sie auch zu ergreifen. Denn der Begriff des Business Partners muss mit Leben gefüllt werden und nicht zur leeren Worthülse verkommen.

Wie gut muss sich ein Personaler mit der Technik auskennen?

Gerade als Führungskraft muss ich die Digitalisierung der eigenen Abteilung aktiv vorantreiben. Das geht ohne ein technisches Verständnis nicht. Es wird künftig in den HR-Abteilungen noch mehr Spezialisten geben, die einen technischen Hintergrund haben, um die gestiegenen Anforderungen abzudecken. Dennoch kann ich als HR-Manager nur die richtigen Rahmenbedingungen und Strategien aufsetzen, wenn ich weiß, was bei automatisierten Prozessen im Hintergrund passiert. Und natürlich kann ich auch nur dann Verantwortung übernehmen, wenn einmal etwas nicht glattläuft. Das Verstehen von Algorithmen ist Führungsaufgabe, wie es kürzlich Ursula von der Leyen ausgedrückt hat.  

Sind Daten der Schlüssel zum Personalmanagement der Zukunft?

Ja, aber nicht ausschließlich. People Analytics werden seit einigen Jahren breit diskutiert und gerade in den USA gibt es beeindruckende Fallbeispiele. Daten schaffen Transparenz. HR-Manager werden deshalb auf einen ethischen Umgang mit Daten setzen und das gezielt nach innen und außen kommunizieren. Die Transparenz bringt eine Menge Vorteile, auch für den Mitarbeiter. So können Führungsfehler oder unbewusste Diskriminierungen, etwa bei Stellenausschreibungen oder Gehaltserhöhungen, durch Datenanalysen aufgedeckt werden. Des Weiteren unterstützen Informationen zu bestehenden Skills im Zusammenhang mit den Anforderungen der Zukunft maßgeblich Entscheidungen zur Weiterbildungsplanung und Umsetzung.

Sie kennen sowohl die deutsche als auch die österreichische Perspektive. Sind die Unternehmen beziehungsweise die HR-Bereiche in beiden Ländern in Sachen Digitalisierung unterschiedlich unterwegs oder treibt beide dasselbe um?

Als Nachbarn sind wir uns in vielen Dingen ähnlich. Die Bildungssysteme unterscheiden sich, doch leider gibt es sowohl in Deutschland als auch in Österreich noch einen zu geringen Fokus auf die digitale Bildung, speziell in der schulischen Bildung. Das merken am deutlichsten die Personalverantwortlichen – in beiden Ländern. 

Die digitale Transformation ist ein Langzeitunterfangen. Aber wie können konkrete schnelle Erfolge für HR aussehen?

Ein erster Schritt ist aus meiner Sicht die Digitalisierung der Personalakten, um Datenanalysen standortübergreifend durchführen zu können und die Kompetenzen der eigenen Mitarbeiter zu erkennen. Es gibt Lösungen, die einen raschen Übertrag ermöglichen, intuitiv sind und mit denen die neuen Compliance-Anforderungen erfüllt werden können. So lassen sich viele Routinetätigkeiten automatisieren, Weiterbildungsprogramme an die Kenntnisse einzelner Mitarbeiter anpassen und entsprechend der Unternehmensstrategie entwickeln. Unterstützende Digitalisierungstrainings sind dann unternehmensweit umsetzbar. Zusätzlich ist wichtig, dass die Business Partner das Unternehmen als Gesamtes in den Innovationsvorhaben mit Know-how unterstützen. Die Digitalisierung von HR kann jedes Unternehmen bewältigen. Es muss nur damit anfangen! 

Zur Person
Dietmar Kilian ist Professor und Fachbereichsleiter „Geschäftsprozess und Unternehmensnetzwerk“ am Management Center Innsbruck (MCI). Über 20 Jahre war er bei Unternehmen wie Nixdorf, Digital Equipment und SAP in Management- und Führungspositionen tätig, bevor er 2002 als Experte für Prozess-, Projekt- und Informationsmanagement ans Management Center Innsbruck wechselte. Kilian ist Managing Partner der PDA Group GmbH, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Academy Cube gGmbH sowie als Beirat und Advisor bei IT-Unternehmen und als Vorstand der Projekt Management Austria (PMA) aktiv.

Das Interview mit Dietmar Kilian ist in Ausgabe 01/2018 erschienen.