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„Der Personaler muss seinen Job neu justieren“

Personalwirtschaft: Frau Remdisch, wo steht Deutschland heute bei der digitalen Entwicklung?

Portrait Sabine Remdisch
Foto: privat

Sabine Remdisch: Anders als im Silicon Valley, wo Unternehmen wie Google, Apple, Facebook und Co. früh den digitalen Schnellzug ins Rollen gebracht haben, haben wir in Deutschland lange abgewartet. Mittlerweile aber spürt man auch hier bei den Unternehmen, dass sie die digitale Transformation intensiv in Angriff nehmen. Die Nachfrage nach Themen wie Digital Leadership und Führen in virtuellen Teams, nach digitalen Geschäftsmodellen, Design Thinking und Innovationsmodellen bis hin zum Thema Social Collaboration, also der vernetzten Zusammenarbeit von Menschen über Orte und Länder hinweg mithilfe elektronischer Medien, ist groß.

Welche Rolle spielt HR bei der Digitalisierung?

HR ist ganz klar gefragt, die digitale Transformation zu gestalten. Es geht um Fragen wie: Was soll unsere digitale Kultur ausmachen, wie sehen neue digital vernetzte Führungsmodelle aus, wie können wir Arbeitsorte und -zeiten flexibilisieren? Bei all diesen Fragen geht es primär um die Menschen, die die Digitalisierung bewältigen müssen. Es geht um einen großen Veränderungsprozess, in dem HR viel gestalten und unterstützen muss, damit Mitarbeiter die Veränderung auch annehmen. Denn die digitale Transformation erfordert vor allem den Erwerb neuer Kompetenzen und einen deutlichen „Mindset Shift“. IT muss technologisch unterstützen, aber den Hut für den kulturellen Wandel muss sich vor allem HR aufsetzen.

Warum tut sich HR so schwer damit?

Oft höre ich von Führungskräften und erfahrenen Personalern, dass sie keine Digital Natives seien und sich mit den technischen Neuerungen schwertun. Mitunter zweifeln sie sogar, ob sie mit ihren Führungskompetenzen noch gefragt sind. Dieses Denken ist falsch. Wir brauchen gerade die erfahrenen Personaler und Führungskräfte, die wissen, wie Change Management funktioniert und wie man Mitarbeiter ins Boot holt, die wissen, wie man mit schwierigen Konflikt- und Veränderungssituationen umgeht und die wichtige strategische Prozesse einleiten können. Man muss als HR-Verantwortlicher kein Digital Native sein. Wichtig ist vielmehr, offen für das Neue zu sein, sich den Schuh schnell anzuziehen und mutig voranzugehen, um den Veränderungsprozess in Gang zu bringen.

Da kommt einiges auf HR zu…

Ja, und sehr viel Spannendes: Denn es geht darum, den Arbeitsplatz der Zukunft zu gestalten. HR hat die wichtige Aufgabe, neue Jobs aufzubauen und entsprechende Jobprofile zu erarbeiten, neue Trainingsformate und -inhalte zu entwickeln und neue digitale Kommunikationsplattformen zu etablieren. HR hat die Chance, bestmögliche Bedingungen zu schaffen, damit Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten können und wollen. Welche Prozesse sind für eine globale Zusammenarbeit wichtig? Welche Zugänge zum vernetzten Arbeiten braucht unsere Organisation, damit Mitarbeiter auch länderübergreifend ihr Wissen teilen kön-nen? Wie funktioniert zum Beispiel eine virtuelle Kaffeeküche? Um darauf Antworten zu finden, lohnt sich der Blick in Organisationskulturen der New Economy: Nicht nur Unternehmergeist und Innovation prägen die neue Kultur der Zusammenarbeit, sondern auch das Arbeiten in Communities und der gleichberechtigte Austausch auf neuen Kanälen.

Was bedeutet der kulturelle Wandel für den Personaler?

Der Personaler muss seinen Job neu justieren. Hat er früher Bedarfsanalysen gemacht und Trainingsangebote entwickelt und verwaltet, organisiert der Mitarbeiter zunehmend seine Weiterbildung selbst. Dabei braucht der Lernende schnelle Problemlösungen. Warum nicht hierfür Experten oder Kollegen einsetzen, die zum Beispiel über Like-Systeme dafür belohnt werden, dass sie ihr Wissen teilen? Solche Wissensplattformen für die Vernetzung oder Peer Learning aufzubauen, wird künftig eine zentrale HR-Aufgabe sein. Personaler werden dann zu Wissensbrokern, die gut vernetzt sind und wissen, wer welches Wissen im Unternehmen hat. Erfolgreich werden künftig diejenigen sein, die sich weniger als Verwalter von Personal- und Trainingsdaten begreifen, sondern vielmehr als Initiatoren, Moderatoren und Begleiter des Lernprozesses.

Zur Person: Professor Dr. Sabine Remdisch ist Universitätsprofessorin für Personal- und Organisationspsychologie und Leiterin des Instituts für Performance Management an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Gastwissenschaftlerin an der Stanford University im Silicon Valley.

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