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Die Feedback-App als Allheilmittel?

Feedback-App und Mitarbeiterbefragungen
Rückmeldung per Click – Feedback-Apps liegen im Trend; Bild: vladwel/Fotolia.de

Aktuell diskutieren viele mittelständische Unternehmen wie auch Großkonzerne innovative Formate für Feedback-Prozesse: Von Pulsbefragungen als Alternative zu klassischen Mitarbeiterbefragungen über Instant Feedback als neues Format für Echtzeitrückmeldung bis hin zu kontinuierlichen Feedback-Prozessen als Ablösung von Mitarbeiterjahresgesprächen. Die Bandbreite an modernen digitalen Formaten für Befragungen wächst immer weiter und die Feedback-Landschaft in Unternehmen entwickelt sich substanziell fort.

Darauf aufbauend liegen derzeit Feedback-Apps voll im Trend. Mit diesen digitalen Befragungs-Tools können jederzeit Rückmeldung gegeben und angefordert werden, und das „Hineinhorchen“ ins Unternehmen lässt sich problemlos über mobile Geräte abwickeln. Doch können die neuen Werkzeuge den Betrieben tatsächlich auf ihren zentralen Baustellen in der Unternehmensentwicklung und der Personalarbeit weiterhelfen? Oder handelt es sich nur um ein weiteres Instrument, das theoretisch hilfreich ist, aber praktisch nicht gelebt wird?

Feedback als zentrale Stellschraube in Unternehmen

Viele Unternehmen merken aus verschiedenen Richtungen, dass Feedback eine zentrale Stellschraube in Richtung Zufriedenheit und Engagement sowie Bindung der eigenen Mitarbeiter darstellt. Nicht nur in den jüngeren Generationen Y und Z ist Feedback selbstverständlich. Vor allem privat genutzte Apps haben die Verfügbarkeit von Ergebnissen in Echtzeit zur Gewohnheit gemacht, ebenso die Möglichkeit, Rückmeldungen auf sehr niedrigschwelligem Wege einzuholen. Genauso werden kürzere Zyklen für organisationale Feedback-Prozesse wie Mitarbeiterbefragungen und für personenbezogene Entwicklungsprozesse wie Mitarbeitergespräche wichtig, wenn ernsthaft über agile Kultur und flexible Strukturen gesprochen werden soll.

Aufbauend auf kontinuierlichem Feedback wird demnach eine Unternehmenskultur der Wertschätzung und der Partizipation angestrebt, die langfristig gestaltet und aufrechterhalten werden muss. Diese Zielsetzung steht allerdings im Gegensatz zu kulturellen Merkmalen, nach denen Führung in Deutschland an vielen Stellen weiterhin sehr sachlich und mit hoher Unsicherheitsvermeidung praktiziert wird. Gerade auch der positive Umgang mit Fehlern und mit Scheitern – zumindest in Bereichen, in denen Fehler nicht mit Menschenleben oder anderen existenziellen Entscheidungen in Verbindung stehen – führt ebenfalls zu einer herausfordernden Situation in Bezug auf Feedback. Schließlich müssen ehrliche Rückmeldungen zwangsweise dazu führen, dass blinde Flecken aufgedeckt und besprochen werden, sodass eine defizitorientierte Perspektive diesbezüglich problematisch ist.

Technische Lösungen für kulturelle Probleme?

Spannend ist der aktuelle Trend in Richtung Feedback-App vor allem aufgrund der bereits dargestellten Ausgangslage: An einigen Stellen entsteht der Eindruck, dass grundlegende kulturelle Herausforderungen auf einer möglichst simplen technischen Basis gelöst werden sollen. Gleichwohl ist zu beachten, dass ein digitales Tool – und genau das ist eine Feedback-App in letzter Instanz – durchaus zu einer Kulturveränderung beitragen kann. Doch diese Kulturveränderung muss auf verschiedensten Ebenen ansetzen: von einem Vorleben durch Multiplikatoren über eine Integration in Veranstaltungen und regelmäßige Meeting-Formate bis hin zur Einbindung und Abbildung in verschiedene Prozesse der Personal- und Organisationsentwicklung.

Ein Tool allein kann keine kulturellen Probleme lösen, dafür ist Unternehmenskultur zu komplex und vielschichtig. Schließlich wird diese vor allem auch durch Rituale und Regeln sowie Werte geprägt. Selbstverständlich muss ein Werkzeug entsprechende Unternehmenswerte aufgreifen. Mithilfe eines Tools können Rituale verändert und neue Regeln definiert werden. Doch ohne eine Einbettung in einen übergeordneten Veränderungsprozess werden diese Effekte entweder verpuffen oder schwer systematisch in Gang kommen.

Feedback-App versus traditionelle Feedback-Prozesse

Die Vorteile einer Feedback-App liegen dabei im Vergleich zu traditionellen Feedback-Prozessen auf der Hand – mit ihr gehen eine größere Flexibilität und vielfältige Anwendungsszenarien einher:

•    Der mobile Zugang und die Verwendung von Apps ermöglichen die kontinuierliche Einbindung von Mitarbeitern, gerade im Blue-Collar-Bereich oder in Branchen wie Handel und Kliniken, ohne dass man auf aufwändige Terminallösungen oder papierbasierte Befragungen zurückgreifen muss.

•    Die Nutzung einer App ist für viele Mitarbeiter mit einer niedrigen Hemmschwelle verbunden, da sie aus dem privaten Bereich bekannt ist und weil damit eine geringere Komplexität als mit einer aufwändigen Business-Software assoziiert wird.

•    Die systematische Integration einer Feedback-App in bestehende Veranstaltungsformate führt zu ganz neuen Einsatzszenarien, die ohne mobile Version nicht denkbar wären.

•    Mittels einer Feedback-App eröffnen sich unter Einhaltung vollständiger Anonymität vielfältige Analysemöglichkeiten, da durch die Selbststeuerung und die Eigenverantwortung aller Nutzer die Interaktion zwischen und innerhalb von Abteilungen sichtbar wird.

Trotz dieser Vorteile ist aber wichtig, dass mit der Einführung einer Feedback-App nicht die automatische Lösung aller Probleme in Bezug auf Feedback-Kultur, offene Rückmeldung sowie Wertschätzung und Partizipation verbunden ist. Zentrale Fragen müssen parallel dazu kontinuierlich thematisiert und diskutiert werden: Wie gebe ich konstruktiv Feedback? Wie fordere ich es an? Wie kann ich es bestmöglich annehmen? Wie kann ich als Führungskraft meine Mitarbeiter bei diesen Fragestellungen unterstützen?

Kontinuität mit Augenmaß ist gefragt

Insofern schließt sich der Kreis in Bezug auf Kulturentwicklung und die Einbettung einer Feedback-App in einen tiefergehenden übergeordneten Veränderungsprozess. Selbst in Zeiten der Digitalisierung müssen Veränderungsprozesse zur Entwicklung der Unternehmenskultur mit verschiedenen Ansätzen auf analoger und digitaler Ebene ansetzen. Weniger ist auf der digitalen Ebene bei langfristigen Veränderungsprozessen manchmal mehr, schließlich lebt eine Feedback-App von einer regelmäßigen Nutzung und von einer großen Reichweite innerhalb der Belegschaft, sodass der schrittweise Aufbau einer umfangreicheren digitalen Feedback-Landschaft oftmals erfolgsversprechend ist.

Aus Perspektive der Kulturveränderung in einem Unternehmen muss Feedback zwangsweise in einer gewissen Kontinuität und Häufigkeit angestoßen und abgegeben werden, sowohl auf der persönlichen als auch auf der digitalen Ebene. Das bedeutet allerdings nicht, dass tägliche oder wöchentliche Befragungen die beste Lösung sind. Diese können schnell eine Befragungsmüdigkeit provozieren. Ferner ist Feedback kein Selbstzweck, und es geht gerade auch um die Überleitung der Ergebnisse in systematische Folgeprozesse und Entwicklungsmaßnahmen, sodass eine zu häufige Durchführung vor allem zu Stress bei allen Beteiligten und damit zu oberflächlicheren Folgeprozessen und Entwicklungsmaßnahmen führen kann.

Praxisbeispiele: Einsatz einer Feedback-App in Handel und Automotive

An dieser Stelle werden exemplarisch zwei Szenarien dargestellt, in denen eine Feedback-App eingebettet in einen größeren Veränderungsprozess eingeführt wurde. Die Erfahrungen zeigen, dass auf diesem Weg mit Hilfe einer App die Kontinuität und Selbstverständlichkeit von Feedback maßgeblich erhöht werden kann – wenn begleitende Maßnahmen alle Beteiligten dafür qualifizieren, wie sie mit Feedback umgehen können und wie Feedback eingefordert werden kann.

Praxisbeispiel 1 – Handel: Die Unternehmensgruppe Dr. Eckert ist mit über 200 Filialen mit
mehr als fünf Marken seit Jahrzehnten im deutschen Einzelhandel
etabliert. Die fortschreitende Digitalisierung eröffnete dabei die
Möglichkeit, die Unternehmenskultur noch stärker in eine partizipative
Richtung zu entwickeln. Eine digitalisierte Feedback-Welt ist ein
Merkmal dieser Entwicklung, um die Erfahrungen und Meinungen der
Mitarbeiter in allen Filialen und in den zentralen Funktionen
kontinuierlicher zu berücksichtigen. Als Startpunkt wurde die
Mitarbeiterversammlung gewählt, auf der 500 Mitarbeiter aus ganz
Deutschland zusammenkamen und die Feedback-App zum ersten Mal aktiv
nutzten. Bereits an dieser Stelle erfolgte also eine systematische
Verknüpfung des digitalen Tools mit analogen Begegnungsformaten. Mit
kontinuierlichen Kurzbefragungen zu verschiedensten Themen und der
Weiterentwicklung in Richtung Führungskräfte-Feedback und moderne Formen
von Mitarbeitergesprächen unterstützt die Feedback-App nun den Dialog
innerhalb des Unternehmens beziehungsweise zwischen Mitarbeitern und
Führungskräften.
Praxisbeispiel 2 – Automotive: Tec Alliance ist weltweit mit verschiedenen Standorten
erfolgreich im Automotive Aftermarket aktiv. Aufbauend auf den
Herausforderungen durch die Globalisierung und durch die Verschmelzung
des Unternehmens aus verschiedenen Einzelfirmen ist ein großangelegter
Prozess der Organisationsentwicklung gestartet worden. Dabei wurden
unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt, um sowohl Kunden als auch
Mitarbeiter und Führungskräfte in den weiteren Prozess zu integrieren.
Durch flächendeckende Ownership Workshops und gezielte
Managementtrainings wurde die Grundlage für den weiteren
Veränderungsprozess gelegt. Eine Feedback-App spielt dabei auf
verschiedenen Ebenen eine Rolle, zum Beispiel bei selbstgesteuerten
Feedback-Prozessen für Mitarbeiter und Führungskräfte, die jederzeit mit
individuell wählbaren und veränderbaren Inhalten zu beliebigen
Zeitpunkten gestartet werden können. Ergänzt um Pulsbefragungen und
flexible Formate für Mitarbeitergespräche entsteht auf diesem Weg eine
digitale Plattform, die den Veränderungsprozess systematisch aufgreift
und im Unternehmensalltag sichtbar macht.

Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass eine Feedback-App einen großen Beitrag zur Veränderung der Unternehmenskultur leisten kann. Allerdings ist das Tool dabei immer nur ein Teil des Veränderungsprozesses und nicht das Ziel. Mit individuellen digitalisierten Feedback-Welten eröffnen sich damit neue Möglichkeiten für Unternehmen – wenn die in diesem Beitrag dargestellten Stolpersteine berücksichtigt werden. Feedback ist und bleibt schließlich eine der mächtigsten Stellschrauben in Unternehmen, gerade auch um langfristig innovativ zu bleiben und das Schlagwort „Agilität“ mit Leben zu füllen.

Autor:

Prof. Dr. Simon Werther, HRinstruments

Prof. Dr. Simon Werther, Diplom-Psychologe, ist Professor für Innovationsmanagement an der Hochschule der Medien Stuttgart und Gründer der › HRinstruments GmbH. Außerdem ist er Initiator und Vorsitzender der Fachgruppe HR-Start-ups im Bundesverband Deutsche Start-ups, Mitglied der Jury des HR Innovation Award sowie Autor zahlreicher Fachbücher und Fachartikel.