Vor allem Arbeitnehmer, die in der Hierarchie weit oben oder ganz unten stehen, sind für die Firma auch nach Feierabend erreichbar und beantworten in ihrer Freizeit regelmäßig Mails oder Anrufe. Von den leitenden Angestellten sind etwa 36 Prozent davon betroffen, unter den einfachen Arbeitern sind es mit 38 Prozent noch etwas mehr. In beiden Gruppen geben rund 18 Prozent an, dass sie entweder verfügbar sein müssen oder sich zumindest dazu verpflichtet fühlen.
Verpflichtung oder „Freiwilligkeit“ macht einen kleinen Unterschied
Bei Berufstätigen, die in der Freizeit grundsätzlich keinen Kontakt mit dem Unternehmen haben, liegt der Zufriedenheitswert mit der Work Life Balance auf einer Skala von null (minimale Zufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Job und Privatleben) und zehn (maximale Zufriedenheit) im Schnitt bei 6,25. Bei Arbeitnehmern, die auch in der Freizeit arbeiten oder verfügbar sind, weil sie glauben, erreichbar sein zu müssen, beträgt der Wert nur 5,08. Bei Beschäftigten, die nach Feierabend zwar das Smartphone auf berufliche Nachrichten checken, aber das nach eigenem Empfinden nicht tun müssten, liegt der Wert bei 6,11 und damit näher an dem der Gruppe, die nach Feierabend nicht mehr erreichbar ist. Das zeigt eine Studie von Dr. Yvonne Lott, Forscherin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Ausgewertet wurden die Angaben von 790 Paaren, bei denen jeweils beide Partner im Jahr 2016 berufstätig waren.
Die Differenz von 1,3 Punkten auf der Skala zwischen jenen, die sich zur Arbeit in der Freizeit verpflichtet fühlen und jenen, die diesen Zwang zur Verfügbarkeit nicht sehen, macht laut Lott einen großen Unterschied aus, denn generell ordneten sich die meisten Probanden bei Befragungen zur Zufriedenheit sehr stabil ein Stück oberhalb der Mitte ein.
Das Gefühl, nie ganz abschalten zu dürfen, stellt also eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität dar,
so die Forscherin. Sie sieht jedoch auch die weniger Gestressten als gefährdet an, denn diese hätten vor allem ihren beruflichen Erfolg im Blick, würden aber nicht merken oder ignorieren, dass ihr Arbeitsverhalten belastend für die Gesundheit sein könne. Außerdem ergab die Untersuchung, dass einfache Arbeiter noch unzufriedener mit ihrer Work Life Balance sind als Manager, da erstere zumeist Aufträge empfangen, daher könne bei ihnen ein Gefühl fehlender Autonomie und Kontrolle die Unzufriedenheit verstärken, besonders wenn sie damit am Feierabend konfrontiert sind.
Auch der Partner wird bei permanenter Verfügbarkeit unzufriedener
Ganz gleich ob Beschäftigte die Arbeit in ihrer Freizeit als „freiwillig“ und als nicht problematisch empfinden, kann sie zur Belastung für die ganze Familie werden. Allein die Tatsache, dass der Partner in der Freizeit arbeitet, senkt die Zufriedenheit mit der eigenen Work-Life-Balance. Die Analyse zeigt, dass sich der Wert auf der Skala um fast einen halben Punkt verschlechtert – auch dabei handelt es sich laut der Studienautorin um einen statistisch signifikanten Effekt und ein deutliches Indiz dafür, dass mobile Arbeit in der Freizeit die Partnerschaft belasten kann.
Die Studie „Intra-Individual and Crossover Effects of Work Contact in Leisure Time on Satisfaction with Work-Life Balance“ steht in englischer Sprache zum > Download bereit.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.