Wie das herausgebende Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) berichtet, gehörte es von Anfang an zu den Zielen der insgesamt 18 Beiträge des Sammelbands „Managing Expatriates“, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Expatriates zu verbessern. Etwa, indem neben der Theorie auch Hinweise für die praktische Realisierung der Erkenntnisse vermittelt werden: „Beispielsweise können die Befunde Organisationen und Unternehmen bei der Auswahl und der Ausbildung internationaler Beschäftigter unterstützen.“ Wann, wenn nicht jetzt während der Corona-Pandemie mit stark eingeschränkter Reisetätigkeit wäre eine bessere Gelegenheit für Unternehmen, ihre Prozesse bei Auslandsentsendungen zu prüfen und gegebenenfalls zu optimieren? Also hinein ins und ran ans Werk.
Dass arbeitsbedingte Auslandseinsätze einen Anpassungsbedarf erzeugen, versteht sich von selbst. Während ihm einige mit offenen Armen begegnen, verursacht er bei anderen Stress, der die Arbeitszufriedenheit mindern und die Gesundheit beeinträchtigen kann. Im ungünstigsten Fall steht dadurch früher oder später der gesamte Einsatz auf der Kippe. Ein Forscherteam untersuchte daher psychologische Faktoren, die die Anpassung im Gastland erleichtern und vor negativen Folgen der Entsendung schützen können. Die Datenbasis lieferten Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, die im Rotationsverfahren alle paar Jahre in ein neues Land versetzt wurden. Sie beantworteten für die Studie Online-Fragebögen zu Stress, physischer und psychischer Gesundheit, Standortanpassung, Arbeitszufriedenheit und beruflich-familiären Konflikten. Die Faktoren wurden in Beziehung zur Selbsteinschätzung der Beschäftigten gesetzt – in puncto Selbstwirksamkeit, der Zuversicht, Probleme bewältigen zu können und dem Vertrauen in ihre Fähigkeit, ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen.
Obacht schon bei der Einstellung
Es zeigte sich, dass diese Selbsteinschätzung eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden von Expatriates spielt. „Entsendende Organisationen können diese Erkenntnisse bei der Personalrekrutierung, -auswahl und beim Training vor der Abreise nutzen“, schreiben die Forscher. Eine Option sei beispielsweise, Rekrutierungsstrategien für Expatriates auf Personen zuzuschneiden, die nicht nur ein Interesse, sondern auch ein angemessenes Vertrauen in die Herausforderungen von internationalen Arbeitseinsätzen haben. Diese würden sich wahrscheinlich dauerhaft am wohlsten während ihrer Auslandseinsätze fühlen. „Darüber hinaus sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden bei der Entwicklung und Stärkung von Optimismus, interner Kontrolle, Selbstwirksamkeit und anderer selbstbeurteilender Überzeugungen unterstützen“, heißt es in der Studie weiter. Solche Präventionsstrategien könnten helfen, die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit zu erhalten.
Fehlende Sprachkenntnisse
in der Landessprache sollten nicht als unüberwindbares Hindernis angesehen
werden.
Eine andere Untersuchung hat die Sprachkenntnisse von Expatriates genauer unter die Lupe genommen – mit überraschendem Ergebnis. Anders, als man zunächst vermuten könnte, ist das Beherrschen der lokalen Sprache nämlich kein Schlüsselfaktor für den Erfolg einer Auslandsentsendung. Die Teilnehmenden waren ausnahmslos deutsche Muttersprachler. Ihre Kenntnisse der Sprache des Gastlandes standen laut Studie in einem „vernachlässigbaren bis schwachen Zusammenhang“ mit den meisten ihrer Arbeitsergebnisse. Auf die Arbeitszufriedenheit oder ihre Leistung wirkten sie sich kaum aus. Fremdsprachenkenntnisse erleichtern aber zumindest die Interaktion, indem sie eine effektivere Kommunikation mit den Einheimischen ermöglichen. „Obwohl die Sprache sicherlich dazu beitragen kann, dass sich Expatriates in ihrer neuen Umgebung wohlfühlen, sollten fehlende Sprachkenntnisse in der Landessprache nicht als unüberwindbares Hindernis angesehen werden“, folgern die Autoren.
Sprache zählt zur Kultur, der sich ein weiteres Forschungsprojekt angenommen hat. Grund dafür war, dass der Erfolg interkultureller Trainings, die viele angehende Expatriates durchlaufen, bisher sehr unterschiedlich beurteilt wurde. Tatsächlich zeigte sich auf Grundlage der verwendeten Datenbasis aus der Privatwirtschaft, dass der Zusammenhang zwischen solchen Trainings und der Arbeitsleistung, der Arbeitszufriedenheit und auch der internationalen Anpassung meist gering war – und manchmal sogar negativ.
Interkulturelles Training – aber richtig!
Die Autoren verdammen das Instrument des interkulturellen Trainings aber nicht per se. Zu Recht, denn eine weitere Studie in dem Sammelband zeigt, dass sich Unterstützungsprogramme für Entsendungen im Auswärtigen Dienst sehr wohl unter anderem positiv auf die Jobzufriedenheit ausgewirkt und damit ihr Ziel erreicht haben. Vielmehr plädieren sie für eine Verbesserung: „In erster Linie muss der sorgfältigen Spezifizierung des Zwecks von interkulturellem Training und dem tatsächlichen Trainingsbedarf der Expatriates mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.“
Internationale Entsendungen würden sich in ihren kulturellen Kontexten, Anpassungsherausforderungen und Arbeitserwartungen stark voneinander unterscheiden. Daher sei es unwahrscheinlich, dass ein „interkulturelles Training von der Stange“ für alle gleich wirksam ist. Personalverantwortliche und Wissenschaftler sollten vielmehr Trainings entwickeln, die auf die jeweils spezifisch notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten abzielen. Damit sollte eine Evaluation der Entwicklungsziele verbunden sein, um die Wirksamkeit der Trainings zu testen und sie gegebenenfalls weiter zu verbessern.
Eines können solche Programme gleichwohl nicht ersetzen: die Anwesenheit der eigenen Familie. Auch ihr Einfluss wurde untersucht – und er ist erwartungsgemäß groß. Das Zusammensein wirkt sich in der Regel positiv auf die Lebenszufriedenheit und die Anpassung der Entsendeten aus, insbesondere in „weniger schwierigen“ Zielregionen. Gerade dort kann die emotionale und soziale Unterstützung durch Partner, Kinder oder andere Familienmitglieder eine wichtige Ressource für den Entsendeten darstellen.
Der Sammelband „Managing Expatriates“ (in englischer Sprache) kann kostenfrei hier heruntergeladen werden. Wir sprachen hier außerdem mit einem der Herausgeber über die Ziele des Projekts.
David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.