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Freiwilliges „Du“ – sonst Rauswurf!

In den vergangenen 18 Monaten hat er sechs seiner oberen Führungskräfte gefeuert, bis die endlich aufhörten, mit ihm zu diskutieren.

Dieser Top-Chef hatte eine Vision. Vielleicht war es ein Traum, vielleicht ein Friseur oder Taxifahrer, die ihm seine rattenscharfe Idee implementierten, vielleicht ein Zeitungsartikel, den er im lokalen Käseblatt las. Die Vision: Ab jetzt duzen sich alle im Unternehmen. Die Human-Resources- und die PR-Abteilung durften die Vision begleiten beziehungsweise dieser hinterherhecheln. Denn damit das auch klappte, nahm dieser Top-Chef die Implementierung selbst in die Hand. Wahrscheinlich wollte er HR bei der schwierigen Aufgabe eines ‚Cultural Change‘ einfach nur helfen.

Die „Umbegeisterung“ seiner Mitarbeiter und Führungskräfte setzte paradoxerweise spontan mit seiner feinziselierten Argumentation ein: Bei uns gibt’s keinen Zwang zum Duzen – aber wer nicht mitmacht, den brauchen wir nicht mehr. Wer das hört, bei dem kommt sofort neben dem Überlebensinstinkt die Einsicht, dass Duzen unglaublich wichtig ist. DAS ist Führung! So etwas lernt man in keinem noch so ausgefeilten PE-Seminar! Besser noch: Sofort können Führungskräfte quer durch das Unternehmen erklären, warum das Du so unendlich wichtig ist: Mit dem „Du“ wird doch die Fachkompetenz jedes Einzelnen viel stärker wahrgenommen. Ja eben: Fachkompetenz wird erst durch die Anrede deutlich – das einem das all die Jahre entgangen ist! Ein Unter-Chef erläuterte euphorisch das Ganze aus einer anderen Perspektive: Er betonte, dass er sich mit dem Top-Chef einig ist – und dass man sich jetzt nicht mehr hinter einem „Sie“ verstecken könne, wenn man es fachlich nicht drauf hat.

Es ist zweifelsohne super, dass man die eigene Unfähigkeit nun hinter einem ankumpelnden „Du“ verbergen kann. Eine vollkommen neue Situation! Außerdem, so hat man im gesamten Unternehmen festgestellt, wird im bislang streng hierarchisch aufgebauten Unternehmen durch das „Du“ ein unglaublicher Kulturwandel ausgelöst, der dazu führt, dass Hierarchien abgebaut werden. In normalen Unternehmen werden Hierarchien abgebaut, in dem Hierarchien abgebaut werden. Hier aber regelt es das Duzen. Spontan und durch sektenmäßige Erleuchtung? Für Organisationsentwickler erschließen sich neue Horizonte. Denn das „Du für alle“ wurde offenbar bislang total unterschätzt, irgendwie. Dabei kann man damit alles ändern!

Der schönste Satz echter Freude einer Führungskraft im Bericht einer überregionalen Zeitung zu dieser Duz-Begeisterung lautete sinngemäß: Den Impuls zum Duzen bekamen wir zwar vom Top-Chef, aber typisch für unser Unternehmen haben wir diese Idee mit Begeisterung aufgegriffen.

Welche Macht hat das „Du“ in Deinem Unternehmen?
Schreib uns!