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Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben wird immer wichtiger, um Mitarbeiter zu rekrutieren und zu binden. Dazu gehören Homeoffice, Teilzeitregelungen und betriebsnahe Kinderbetreuung. Unternehmen müssen ihre Personalarbeit aber nicht nur familienbewusst und lebensphasenorientiert gestalten, sondern auch die individuellen Lebensentwürfe der Mitarbeiter mit einbeziehen. Individuelle Werte, Ziele und Interessen beeinflussen berufliche Entscheidungen und die Nachfrage nach Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Privatleben – Lebensentwürfe sind der Schlüssel für individuelle Karrierewege.
Das ist ein Ergebnis der Studie „Vereinbarkeit 2020“, die die Berufundfamilie Service GmbH in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) der Fachhochschule Ludwigshafen durchgeführt hat. Dafür wurden 1.000 Mitarbeiter aus vier Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet (AOK Hessen, Fraport AG, ING-DiBa und Merz Pharma) zu ihren Lebensentwürfen befragt.
Unabhängig vom Lebensentwurf wollen Mitarbeiter flexibler sein
Die Studie identifiziert zehn verschiedene Lebensentwurfsmuster. Die Mitarbeiter hinter diesen Lebensentwürfen brauchen jeweils etwas anderes für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und für die Steuerung ihrer Karriere. Doch allen ist etwas gemeinsam: Unabhängig von Berufs- und Lebensphase sowie individuellem Lebensentwurf wünschen sich Arbeitnehmer mehr Selbstständigkeit und mehr kurz- und langfristige Möglichkeiten der flexiblen Arbeitsorganisation. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist dabei genauso gefragt wie mehr Spielraum bei der Wahl des Arbeitsortes, etwa das (teilweise) Arbeiten im Homeoffice.
Vertrauen statt Kontrolle
Doch sowohl dezentrale Unternehmens- und Projektstrukturen als auch eine familienbewusste Personalpolitik verlangen von Führungskräften, die Mitarbeiter auf Distanz zu führen. Auch in Elternzeit oder während eines Sabbaticals sei gutes Führen auf Distanz sinnstiftend, sagt Oliver Schmitz, Geschäftsführer der Berufundfamilie Service GmbH. Allerdings gehe Distanz für viele Vorgesetzte mit einem Kontrollverlust einher und die Führungskräfte befürchteten, dass die Bindung zu den Beschäftigten leidet.
Das ist jedoch meistens nicht der Fall, wie die Studie zeigt: So ist es eine der wichtigsten Erwartungen der Befragten an Führungskräfte, dass diese die Selbstständigkeit der Mitarbeiter fördern. Die Arbeitnehmer wollen nicht, dass ihre Eigeninitiative und Kreativität durch zu enge Führung leiden. Das Arbeiten von zu Hause etwa macht sie zufriedener und loyaler. Führung auf Distanz minimiert sogar die Gefahren, die bei örtlicher Nähe oftmals gegeben sind: Bei einer zu starken Fokussierung auf das Vor-Ort-Management können Führungskräfte an strategischem Weitblick einbüßen, so die Studie.
Für Beschäftigte und für Arbeitgeber bringt das Führen auf Distanz aber nur dann Gewinne, wenn dieses strategisch in das betriebliche Handlungsfeld „Führung“ (…) eingebettet und Fallstricke systematisch aufgelöst werden,
sagt Oliver Schmitz. Bestandteil der Planung müsse auch sein, die Mitarbeiter bei der Karriereplanung fortlaufend zu berücksichtigen, damit sie nicht in eine Karrierefalle geraten nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Mitarbeiter, die etwa regelmäßig im Homeoffice tätig sind, sollten auch weiterhin in ihrer beruflichen Weiterentwicklung gefördert werden.
Handlungsempfehlungen für Führung an der langen Leine
Dazu, wie erfolgreiches Führen auf Distanz gelingt, gibt die Studie Praxistipps:
• Vor allem gilt es, eine Vertrauenskultur zu schaffen durch persönliche Gespräche und regelmäßige Meetings.
• Auch müssen die Rahmenbedingungen definiert werden, zum Beispiel wann, wie und wo gearbeitet wird und welche Erreichbarkeit zwingend notwendig ist. Regelmäßigkeit bietet beiden Seiten Sicherheit, dennoch müsse auch Flexibilität zugelassen sein.
• Bei der Festlegung der Aufgaben und Ziele muss klar bestimmt werden, wie die Zusammenarbeit erfolgt und woran Aufgaben, Fortschritte und Ergebnisse gemessen werden. Empfehlenswert ist die gemeinsame Definition der Standards. Auch Mitarbeiter, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, müssen in der Karriereplanung unterstützt werden.
• Darüber hinaus bedarf die Distanz einer besonders klaren, fortlaufenden Kommunikation. Dazu gehört auch zielführendes Coaching, also regelmäßiges konstruktives Feedback.
• Da sich Führung auf Distanz auf den Einsatz technischer Mittel (Mail, Telefon, Videokonferenz) stützt, muss die entsprechende Ausstattung bereitgestellt und gepflegt werden. Trotzdem dürfen dabei Empathie und Emotionen nicht aus dem Blick verloren werden, denn sie schaffen Nähe.
• Des Weiteren heißt es, auch Raum für informellen Austausch zu schaffen, etwa durch dafür eingeplante Termine oder mit Unterstützung sozialer Medien, da dieser Austausch wichtig ist für die Unternehmenskultur und die Innovationsfähigkeit.
Die Studie steht > hier zum Download bereit.