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Laut einer Studie integrieren sich immer mehr Geflüchtete in den deutschen Arbeits- markt. Die Sprachkenntnisse der Migranten lagen 2017 auf einem deutlich höheren Niveau als ein Jahr zuvor. Allerdings ist die Wahr- scheinlichkeit, dass diese Menschen unter psychischen Problemen leiden, höher als bei der gesamtdeutschen Bevölkerung.
In Deutschland leben derzeit rund 1,5 Millionen Geflüchtete, die meisten von ihnen sind seit 2015 zugezogen. Eine gemeinsame Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) am DIW Berlin zeigt, dass es immer mehr der Flüchtlinge gelingt, sich in das deutsche Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür wurden in den Jahren 2016 und 2017 jeweils rund 5000 Geflüchtete, die zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, repräsentativ befragt. Knapp 3000 der Teilnehmer nahmen an beiden Befragungswellen teil.
Zwei Drittel der Geflüchteten haben sehr gute bis mittlere Deutschkenntnisse
Jeder zweite der im Befragungszeitraum nach Deutschland gekommenen Geflüchtete besuchte bei der zweiten Befragung einen Integrationskurs oder hatte diesen bereits abgeschlossen; 2016 war das erst bei jedem dritten der Fall. Berücksichtigt man neben den Integrationskursen auch alle Arten von Sprachkursen, hatten 2017 insgesamt drei Viertel der Studienteilnehmer an mindestens einem solchen Kurs teilgenommen. Ein Drittel der Befragten (33 Prozent) gab 2017 an, über gute oder sehr gute Sprachkenntnisse zu verfügen; während dies ein Jahr zuvor nur fast halb so viele (18 Prozent) sagten. Ein weiteres Drittel berichtete 2017 von mittleren deutschen Sprachkenntnissen. Laut Studie decken sich die Selbsteinschätzungen weitgehend mit den Einschätzungen der Interviewer zu den Sprachkenntnissen der Befragten.
Die Erhebung zeigt allerdings auch, dass noch ein erheblicher Bedarf bei der Sprachförderung insgesamt und insbesondere für Frauen mit Kindern besteht,
gibt BAMF-Forscherin Nina Rother zu bedenken.
2017 besuchte jeder zehnte erwachsene Geflüchtete in Deutschland eine Schule, studierte oder befand sich in einer Ausbildung. Gegenüber 2016 ist die Bildungsbeteiligung um vier Prozent angestiegen. Von jenen Flüchtlingen, die 2016 angaben, hierzulande eine Bildungseinrichtung besuchen zu wollen, hat allerdings nur jeder fünfte dieses Vorhaben im Folgejahr umgesetzt. Die Studienautoren führen den bisher recht geringen Anteil zum Teil auf noch nicht ausreichende Sprachkenntnisse oder auf fehlende allgemeinbildende oder berufsbildende Voraussetzungen zurück.
Geflüchtete Frauen leben in anderen Familienstrukturen als Männer
Was die Erwerbstätigkeit betrifft, so gingen 2017 rund 20 Prozent der seit 2015 zugezogenen Geflüchteten einer Arbeit nach. Bis Oktober 2018 nahm dieser Anteil nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf 35 Prozent zu. Allerdings sind weibliche Flüchtlinge laut Studie deutlich seltener berufstätig als Männer. Der Untersuchung zufolge hängen diese Unterschiede zum Teil mit den Familienkonstellationen zusammen, insbesondere wenn Kleinkinder zu betreuen sind. Die Studie zeigt, dass die Familienstrukturen der Flüchtlinge sich stark unterscheiden. So waren zum Befragungszeitpunkt 73 Prozent der erwachsenen Geflüchteten männlich und nur 27 Prozent weiblich. Gut jeder zweite Mann war ohne Partnerin, während von den Frauen lediglich jede vierte (24 Prozent) keinen Partner hatte. Von den Männern lebten nur 20 Prozent mit Kindern in einem Haushalt, wohingegen es bei den Frauen 67 Prozent waren, 33 Prozent hatten Kleinkinder im Alter bis zu drei Jahren. 17 Prozent der Frauen und zwei Prozent der Männer waren alleinerziehend.
Höheres Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen
Erstmals wurden Geflüchtete auch repräsentativ zu ihrer Gesundheit befragt. Danach sind der physische Gesundheitszustand und die allgemeine Gesundheitszufriedenheit der Menschen zwar gut, doch sie weisen deutlich höhere Risiken von psychischen Erkrankungen wie Depressionen auf, das gilt auch für posttraumatische Belastungsstörungen. Besonders betroffen sind laut Studie Frauen und Ältere. Die psychischen Probleme lassen sich vor allem auf Kriegs-, Verfolgungs- und Gewalterfahrungen zurückführen, so die Untersuchung. 71 Prozent der Geflüchteten sind laut eigenen Angaben vor Krieg oder Bürgerkrieg geflohen, 47 Prozent vor politischer Verfolgung und 41 Prozent vor Zwangsrekrutierung. Außerdem berichteten 56 Prozent der Geflüchteten, die darüber Auskunft geben wollten, von Schiffbruch, Gewalterfahrungen, sexuellem Missbrauch, willkürlichen Gefängnisaufenthalten und ähnlichen Ereignissen auf der Flucht. Laut DIW-Forscher Hannes Kröger bedeutet das nicht, dass die große Mehrheit von psychischen Erkrankungen betroffen ist, dennoch müsse hier gezielt geholfen werden, denn eine psychische Belastung stelle ein gewaltiges Hindernis für die Integration in Deutschland dar.
Der Kurzbericht zur Studie ist > hier abrufbar.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.