Seit Jahren wird immer wieder darüber nachgedacht, Mitarbeiter überall auf der Welt mit einheitlichen Methoden und Abläufen zu rekrutieren und zu verwalten. Doch bis heute betreut jeder Arbeitgeber seine Belegschaft auf seine Art, mal mehr, mal weniger vorbildlich. Jetzt macht die International Organization for Standardization (ISO) Ernst: Vom nächsten Jahr an rollt auf die Unternehmen eine Welle von weltweit geltenden HR-Standards zu. Und außer knapp zwei Dutzend Menschen in Deutschland weiß niemand Bescheid.
Gut möglich, dass das Deutsche Institut für Normung (DIN) eines Tages daraus DIN-Normen macht. Wer sich daran hält, macht nichts verkehrt. Nur ist damit einiges an Aufwand verbunden. Allein der ISO-Standard weckt gemischte Gefühle – denkt man an die kostenträchtigen Begleiterscheinungen der ISO 9000 (Qualitätsmanagement) und ISO 14000 (Umweltverträglichkeit).
Viel Geheimniskrämerei
Wohl auch, um die zu erwartenden Proteste der Wirtschaft in Schach zu halten, arbeiten Experten aus 24 Ländern an den globalen HR-Standards. In kleinen Gruppen und hinter sorgsam verschlossenen Türen: Selbst im Internet finden sich unter dem Suchbegriff ISO/TC260 (TC steht für „Technical Committee“) lediglich Absichtsbekundungen, aber keine Details. Auch die Mitglieder des deutschen DIN-Spiegelausschusses haben sich zu absoluter Vertraulichkeit verpflichtet.
Manches sickert trotzdem durch. Vor vier Jahren hatte das Institut ´“alle Interessensgruppen“ (DIN-Projektkoordinatorin Inga Schlüter) zur Teilnahme eingeladen. Es meldeten sich keine zwei Dutzend Wissenschaftler, Berater, Verbandsvertreter und Personalleiter. Letztere kommen vor allem aus Großunternehmen – SAP, Telekom, Deutsche Bank, ZF, Panasonic, Phoenix Contact. Kaum ein Personaler aus dem Mittelstand ist vertreten. Selber schuld: Wer die Einladung damals für unwichtig befunden und in den Papierkorb versenkt hat, muss sich an die eigene Nase fassen.
Eine Norm ist kein Gesetz
Voraussichtlich 2016 wird mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung für mustergültiges Recruiting der Vorhang gelüftet. Der Entwurf kann für 58 Euro auf der › Webseite der ISO heruntergeladen werden. Danach folgen Prozessbeschreibungen für Workforce Planning, Diversity, HR Governance und weitere Teilaufgaben des Personalwesens.
Eine Pflicht für deutsche Betriebe, sich an diese Vorgaben zu halten, gibt es nicht. Selbst wenn die ISO-Standards anschließend in eine DIN-Norm gegossen werden, was zu erwarten ist, haben sie keine Gesetzeskraft. Dennoch werden Unternehmen mit bohrenden Fragen marktmächtiger Kunden und Kreditgeber wie auch von Bewerbern rechnen müssen: Haltet Ihr Euch daran? Sonst können wir Euch nicht mehr beauftragen. Sonst können wir Euch keine Vorzugskonditionen gewähren. Sonst kommen wir nicht.
Das deutsche Nein wurde überstimmt
Den Anstoß für das Standardisierungsprojekt gab die amerikanische Society for Human Resource Management (SHRM). Mit 275.000 Mitgliedern in mehr als 140 Ländern ist die SHRM die größte Vereinigung von HR-Verantwortlichen. Sie hat schon einige HR-Normen über die amerikanische Normierungsbehörde ANSI auf den Weg gebracht. Aber die gelten eben nur in den USA. 2011 ließ die ISO in Genf ihre Mitglieder über das Projekt entscheiden. Das vom DIN als Stimme Deutschlands eingerichtete Expertengremium war dagegen, wurde aber überstimmt. Vor die Wahl gestellt, als Beobachter zuzuschauen oder als aktives Mitglied Einfluss auf den Prozess zu nehmen, entschieden sich die Deutschen fürs Mitmachen.
Wenn der Zug schon fährt, dann wollen wir wenigstens mitsteuern,
begründet Inga Schlüter vom DIN. Große Überwindung dürfte das nicht gekostet haben. Über seine Tochtergesellschaft Beuth-Verlag verkauft das Institut exklusiv den Text von Normen.
Was mit der weltweiten Vereinheitlichung der HR-Prozesse erreicht werden soll, weiß Hilger Pothmann ganz genau. Er sitzt für die Deutsche Bank im Spiegelausschuss des DIN. „Ich persönlich will den Prozess inhaltlich mitgestalten, um die Interessen der Finanzbranche und hier ganz besonders unseres Heimatmarktes zu vertreten“, sagt Pothmann, Personalleiter der Geschäftsregion Ost. „Ziel ist es, Personalarbeit über klare, konsistente Standards vergleichbar und damit benchmarkfähig zu machen. Wir wollen dem Markt, also Öffentlichkeit, Mitarbeitern, Investoren und Kreditgebern Orientierung bei der Bewertung dieser immateriellen Werte geben.“
Nachteile für kleine und mittlere Unternehmen
Tatsächlich ist der Bereich Personal für Außenstehende oft ein großes, schwarzes Loch. Standardisierte Kosten-/Nutzen-Kennzahlen für einzelne Prozesse gibt es ebenso wenig wie Indikatoren, ob die richtigen Mitarbeiter an Bord sind. Letztere allerdings werden auch die bislang geplanten Normen nicht zu Tage fördern.
ISO-Standards können helfen, die für den Unternehmenserfolg relevanten HR-Prozesse besser zu strukturieren und zu organisieren,
lobt Thorsten Schneider, Leiter Personal bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft in Köln. Er sieht aber auch die Kehrseite: „Es droht eine Auditflut, die kleine und mittlere Unternehmen an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringen und von der in erster Linie die Berater profitieren.“
Man ahnt, was kommen könnte. Interne Prozesse müssen auf die neuen Standards umgestellt, die IT entsprechend angepasst, HR-Dienstleister verpflichtet werden, sich normvollendet zu verhalten. Auch wer als attraktiver Arbeitgeber gelten möchte, wird wohl nicht auf das Etikett ISO-geprüft verzichten wollen. Womöglich droht eine Zertifizierungspflicht, das riecht nach Kosten, mindestens nach aufwändiger Dokumentation.
Auf der anderen Seite wird es für Kaufinteressenten und Geldgeber leichter, die Personalarbeit zu beurteilen. Wenn schon nicht deren Qualität, dann doch wenigstens die Dokumentation.
Christine Demmer, freie Journalistin, Värnamo
Geplante ISO-Standards in Human Resources:
• Terminology
• Guidelines on recruitment
• Cost-per-Hire
• Guidelines on human governance
• Workforce planning
• Impact of Hire Metric
• Quality of Hire
• Retention Metric
• Turnover metric
• Reporting
• Diversity
• Management by sustainable employability of staff
Lesen Sie > hier die Langversion dieses Beitrags aus der Oktoberausgabe der Personalwirtschaft.