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Heute an morgen denken – Lufthansa zwischen Krise und Zukunft

Drei Stufen der Krise

„Das Jahr 2020 hat die Überschrift: Das Jahr der tiefsten Krise, die wir bislang erlebt haben. In dem Ausmaß hatten wir das noch nicht. Wir haben viele Krisen erlebt, aber nicht eine solche, bei der der Luftverkehr über eine lange Zeit zum Erliegen kam. Das war eine echte Zäsur.“ – So fasst Christian Thomas, Leiter Compensation & Benefits bei der Deutschen Lufthansa, das Krisenjahr zusammen.

Auch das Jahr 2021 stehe noch immer unter dem Zeichen der Krise. Es gebe weiterhin, gerade für Luftverkehrsunternehmen, düstere wirtschaftliche Kennzahlen. Doch der Vergütungsexperte hat auch Hoffnung: „Nichtsdestotrotz sehen wir schon einen Silberstreif am Horizont.“ Hoffnung machen ihm vor allem die Buchungszahlen, die zeigen, dass „die Menschen wieder in die Welt gehen möchten“.

2022 könnte für Lufthansa eine neue Normalität beginnen. Thomas geht davon aus, dass sich der Luftverkehr und das Reiseverhalten dann deutlich verändert haben werden. Lufthansa dürfte geschrumpft sein, und Umwelt- und Klimaschutz werden eine stärkere Bedeutung bekommen haben. 

Wie die Krise Comp & Ben verändert hat

Im Jahr 2020, als die Einnahmen über Nacht wegbrachen, ging es für den Konzern primär darum, die Liquidität zu sichern. Mitarbeiter waren von Gehaltsverzicht, Kurzarbeit, Streichung variabler Zahlungen und Aussetzen von Zahlungen in die betriebliche Altersvorsorge (bAV) betroffen. Der Bereich Comp & Ben musste sich mit neuen Modellen auseinandersetzen. Beispielsweise habe der Konzern überlegt, wie Thomas berichtet, Boni in Aktien auszuzahlen. Das sei allerdings an der Bundesbeteiligung gescheiter, die das nicht zulasse. Prinzipiell habe das Unternehmen „lufthansafokussiert“ gehandelt und keine „Standardlösungen vom Markt“ übernommen. Es habe Modelle entwickelt, die zum Unternehmen passen.

Prinzipiell müsse der Bereich Comp & Ben nicht nur Produkte entwickeln, sondern auch eine Botschaft transportieren, und zwar, was der Konzern für Mitarbeiter und potentielle Mitarbeiter sein möchte. Dazu gehöre, Themen wie mobiles Arbeiten, agile Strukturen und crossmediales Arbeiten in den Blick zu nehmen. Auch nachhaltige Themen wie Carsharing oder Mitfahrzentralen werde der Konzern in den Blick nehmen müssen. Dabei muss sich der Bereich mit Fragen beschäftigen wie:

  • Wie können wir Wertschätzung vermitteln?
  • Wie können wir Führungskultur mit dem Thema Geld verbinden, und das nicht nur einmal im Jahr, wenn ein Bonus bezahlt wird, sondern unmittelbar?
  • Wie kann der Konzern Führungsverhalten mit Comp & Ben-Themen verknüpfen, zum Beispiel durch einen Spotbonus?

Wenn sich ein Konzern zu diesen Themen positioniert, können potentielle Mitarbeiter abwägen, ob es sich um ein Unternehmen handelt, in dem sie arbeiten möchten. Thomas betont, dass es nicht nur um die Frage gehe: „Machen wir das, was die Mitarbeiter wünschen“, sondern auch darum, was wir als Konzern möchten und welche Mitarbeiter wir anziehen möchten.“ 

Fluktuation bei Talenten bremsen

Damit der Konzern nicht die Mitarbeiter verliert, die er halten möchte, muss Comp & Ben die Botschaften des Unternehmens an die Mitarbeiter vermitteln. „Wir können unsere Talente bestärken, bei uns zu bleiben, das ist viel Kommunikation, wir müssen aber auch Perspektiven geben.“ Die aktuelle Botschaft sei: „Wir versuchen, maximal schnell aus der Krise zu kommen und wieder eine Unabhängigkeit vom Staat zu bekommen und dann eine Perspektive zu entwickeln, was Vergütung betrifft.“

Eine zu große Differenzierung und Individualisierung befürwortet Thomas bei Vergütungsthemen und Benefits nicht. Flexibilisierung könne schnell dysfunktional und zu komplex werden. Menschen müssten dann Entscheidungen treffen, die sie gar nicht treffen wollen, weil sie zu viele Wahlmöglichkeiten haben. Thomas befürwortet daher, dass das Unternehmen solide Benefits anbietet, bei denen der Mitarbeiter darauf vertrauen kann, dass das Unternehmen für eine verantwortungsvolle Versorgung sorgt. Zu viel Variabilität sei nicht sinnvoll. 

Aus der Krise lernen

Aus der Krise nimmt Thomas mit, dass es hilfreich sein kann, mutig über kreative Lösungen nachzudenken. Vor der Krise sei über neue Ideen oft lange diskutiert worden. In der Krise mussten manche Lösungen rasch eingeführt werden, ohne viele Jahre vorher darüber nachdenken zu können. Nach der Einführung konnte das Unternehmen schauen, was passiert und gegebenenfalls nachbessern. Thomas rät daher, „etwas einfach auszuprobieren. Damit kann man anders überzeugen, als wenn man es vorher diskutiert hat.“

Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.