Die digitale Transformation drängt, und die HR-Ressorts haben sich Zeit gelassen, sie anzupacken. Doch inzwischen sind Konzerne und Mittelständler dabei, die eigene Personalarbeit zu digitalisieren und effizienter zu gestalten. Das entlastet die Personaler und eröffnet Freiraum für neue Aufgaben wie People Analytics.
Personaler gelten per se als wenig technikaffin. Das mag ein Grund dafür sein, warum HR relativ spät die Digitalisierung der eigenen Strukturen und Prozesse anpackt. Doch inzwischen holt HR den Rückstand auf andere Ressorts auf und unterstützt das Management bei der digitalen Transformation und der Anpassung des Geschäftsmodells. Es gilt, Prozesse zu verbessern sowie die Erreichbarkeit und Schnelligkeit zu steigern. Ein Ziel ist dabei, HR bei angestammten Aufgaben zu entlasten und die Rolle des Business-Partners besser auszufüllen.
Für den verstärkten Einsatz digitaler Funktionen benötigt das HR-Personal neue IT-Kenntnisse und analytische Kompetenzen, die es mit dem eigenen HR-Know-how zusammenbringen soll. Die Digitalisierung betrifft die HR-Funktionen in unterschiedlichem Maße. Digitale Anwendungen kommen vor allem in den Bereichen zum Einsatz, die ein hohes Maß an Interaktion aufweisen. Das gilt beispielsweise für das Recruiting und das Talentmanagement, aber auch für People Analytics und Big Data. Dabei kann HR mittels People Analytics und Big Data eine Unterstützung der Unternehmensstrategie leisten.
Recruiting als Testfeld
Der Einsatz von Daten- und Analytics-Tools ermöglicht es, Recruiting nicht nur reaktiv aufzusetzen, sondern es lässt sich auch mittels Predictive Analytics proaktiv gestalten. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung ist Recruiting längst eine strategische Funktion geworden. „Recruiting-Center werden nicht wie Shared-Service-Center unter dem klassischen Kostenaspekt gebaut, sondern die Unternehmen wollen die Qualität ihres Recruitings erhöhen“, erklärt Thomas Faltin, Partner bei der Vergütungsberatung hkp Group. Deshalb bildet das Recruiting im Unternehmen quasi eine vorgelagerte Achse, zu der auch das Employer-Branding und das Personalmarketing zählen und die ein Kompetenz-Center bildet.
„70 bis 80 Prozent der Unternehmen beginnen bei der Digitalisierung der HR-Funktionen mit dem Recruiting“, so Faltin. „Das ist einfacher, da die Anforderungen an die Qualität und Aktualität von Bewerberdaten nicht so hoch sind wie bei Mitarbeiterdaten.“ Heute sind viele Bewerber ohne eine technische Unterstützung nicht mehr erreichbar. Und da Bewerber noch keine Mitarbeiter sind, hat die Mitbestimmung oft nichts gegen den Einsatz digitaler Tools im Recruiting. Somit ist der Abstimmungsbedarf im Recruiting geringer als bei anderen HR-Funktionen. Bewerber und Arbeitgeber können schneller in Kontakt treten. Zugleich kann HR direkt Faktoren wie die Zahl, die Qualität und die Art der Bewerbungen messen.
Neben den großen IT-Systemanbietern entwickeln auch Start-ups digitale HR-Lösungen. Oft handelt es sich dabei um Anwendungen, die mit den großen Systemen kompatibel sind und sie um weitere Funktionen ergänzen. So bieten sich beispielsweise für das globale Talentmanagement Verknüpfungen zu innovativen Anwendungen an, die Hochschulen oder einzelne Wissenschaftler im Auftrag entwickeln können und die den Anforderungen an Unternehmen für den Betrieb einer globalen Plattform entsprechen. Die Digitalisierung macht die Welt transparenter und bringt sie näher zusammen. Durch entsprechende Tools können Unternehmen leichter in Kontakt mit Talenten auf der ganzen Welt treten. Eine Vision wäre ein führendes globales Arbeitsmarktsystem, das die Talente aus der ganzen Welt auf einer zentralen Plattform zusammenbringt.
Bedarf an Transparenz bei Nebenleistungen
Inzwischen spielt das Thema Digitalisierung auch für die HR-Funktion Vergütung und Benefits eine größere Rolle. „Nicht selten herrscht in Unternehmen eine Vielfalt an Nebenleistungsangeboten, die die Mitarbeiter teilweise nicht mehr überblicken können“, sagt Thomas Faltin von hkp Group. Im Gegensatz zum Recruiting spielen Vielfalt und Regulierungen – etwa bei Kreditinstituten – bei Compensation & Benefits eine große Rolle. HR steht vor der Aufgabe, das Portfolio an Vergütungselementen und dessen Regelwerk permanent zu aktualisieren und es gleichzeitig für Mitarbeiter transparent zu machen.
Gerade bei Comp & Ben sollte HR von Anfang an Produkte, Prozesse und das Leistungsportfolio differenzieren und definieren, so dass die Mitarbeiter die unterschiedlichen Begriffe eindeutig verstehen und zuordnen können. Das ist insbesondere angesichts verschiedener Präferenzen der Generationen bei Benefits notwendig. „Gerade durch diverse Mitarbeiterpräferenzen müssen Leistungsangebote stärker differenziert werden“, empfiehlt Faltin. „Wie die Leistung im Rahmen des nachgelagerten Prozesses erbracht wird, ist vielen Mitarbeitern egal.“
Nun zählt der Bereich Compensation & Benefits für HR zu den sensibelsten Feldern und läuft deshalb oft noch in separierten IT-Systemen, die nicht mit anderen HR-Bereichen verknüpft sind. Selbst in vielen Großunternehmen existiert eine enorme Vielfalt an IT-Systemen. Die zu betreiben und aufrechtzuerhalten bindet viele Kapazitäten. Deshalb empfiehlt es sich, den IT-Bereich von HR mit Augenmaß zu harmonisieren und zu standardisieren. „Um im Personalbereich Leistungsangebote, Strukturen und Prozesse IT-technisch zu optimieren, ist es aus meiner Sicht richtig, sie dort zu differenzieren, wo es erforderlich ist“, so Faltin. „Und es ist sinnvoll, an Stellen zu standardisieren, an denen es notwendig ist.“
Cloud-Systeme und Payroll
Manche Großunternehmen wie der Pharmahersteller Merck nehmen die Mammutaufgabe auf sich, Core-Systeme für HR zu bereinigen und zu standardisieren. Das bedeutet für die eingebundenen HR-Mitarbeiter in der Entwicklungs- und Implementierungsphase viel Aufbauarbeit, doch hinterher profitieren HR und das Management von der Hilfe durch digitale Applikationen. Andere Großunternehmen und Mittelständler scheuen bislang den Schritt, eine langfristig gewachsene Systemlandschaft komplett neu aufzusetzen. „Manche kleinen Unternehmen gehen mit den neuen Medien agiler um und verfügen zum Teil über einen höheren technischen Reifegrad“, so Faltin.
Da stellen Cloud-Systeme mit Ministandards gangbare Lösungen dar. So kann ein Unternehmen für die Payroll-Funktion ein Middleware-System einrichten, das in der Cloud verfügbar ist. Dabei lassen sich Standardfunktionen und -prozesse für Payroll in ein Middleware-System und darüber in die Cloud ziehen, ohne sämtliche Payroll-Daten und -Funktionen in die Cloud übertragen zu müssen.
„Bei Cloud-Lösungen für den Mittelstand tut sich auf Anbieterseite viel, gerade im Bezug auf die Simplifizierung und Skalierung der einzelnen Lösungen auf unterschiedliche Unternehmensgrößen“, stellt Faltin fest. Im Augenblick sticht der Cloud-Anbieter Workday im Markt hervor. Das Unternehmen kommt nicht aus der On-Premise-Welt mit serverbasierten Computerprogrammen. Deshalb kann der Anbieter den Aufwand vermeiden, sämtliche Inhalte von einem Server in die Cloud zu verlagern. Vielmehr hat Workday sein System ohne technische Altlasten quasi auf der grünen Wiese neu entwickelt.
Dr. Guido Birkner,
verantwortlicher Redakteur Human Resources
FRANKFURT BUSINESS MEDIA – Der F.A.Z.-Fachverlag