Die HR-Funktion in Großunternehmen digitalisiert in rasantem Tempo ihre Instrumente. Ihre innovativen Lösungen beeindrucken das Business. Im Mittelstand gilt oft derjenige als Schrittmacher der Digitalisierung, der alte Software-Systeme auf den neuesten Stand bringt. Spannende Einblicke bei #HR macht 2018.
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Was heißt Digitalisierung für das Personalwesen? Das Arbeiten in der Cloud bringt hier noch keine echten Vorteile. Vielmehr muss sich das Personalressort fragen, wie ihr Service Modell aussieht, was sie damit erreichen will und wo der Hebel zu mehr Wertschöpfung liegt. „Doch der HR-Funktion fällt es schwer zu definieren, was sie mit der Digitalisierung erreichen will.“ Nach diesem Eingangsstatement von Nelson Taapken lieferte der Experte von EY auch gleich eine Zieldefinition mit: Digitalisierung bedeute für den Personalbereich einen Rollenwechsel: Die alte Denke – HR als Dienstleistungswesen – sei auf dem sterbenden Ast, denn diese Tätigkeiten würden in Zukunft vollautomatisiert ablaufen. „HR muss in die Wertschöpfung rein und mit fundierten Daten zur Talent- und Personalplanung die strategischen Ziele des Unternehmens unterstützen. HR und Talentorganisation müssen als Teil des Business verstanden werden und im Management Board ihre Platz einnehmen.“
People Analytics wertschöpfend eingesetzt
Und es gibt sie, die Personalabteilungen, die in dieser Funktion schon angekommen sind. Beispielsweise bei Merck. Ein Projektteam hatte die geniale Idee, für die mehr als 3.500 Führungskräfte ein Tool zu „basteln“ mit einem enormen Mehrwert. „Wir haben die globalen HR-Daten und -Prozesse zentral in eine Lösung eingespielt, mit der Führungskräfte heute strategische Personalfragen beantworten können“, beschreibt Leandra Griep von Merck. Dafür wurde sie stellvertretend für ihr Team mit dem Deutschen Personalwirtschaftspreis 2018 in der Kategorie HR-Organisation ausgezeichnet.
Alle Daten werden korreliert – vom Recruiting bis zum Talent Management – und sie stehen den Führungskräften jederzeit zur Verfügung. Griep liefert Beispiele, wo People Analytics die datenbasierten Antworten gibt: Bleiben die Talente länger in der Organisation, wenn sie die Möglichkeit haben zu rotieren? Bewähren sich Einstellungsentscheidungen und wie sahen die Profile des Kandidaten aus?
HR wird nun bei Projekten nach seiner Expertise gefragt oder beratend bei der Interpretation der Daten hinzugezogen. „Es war durchaus ein langer Prozess“, so Leandra Griep, „der mit den internen Datenschützern und dem Betriebsrat zu gehen war.“ Aber es habe geklappt, auch weil die Geschäftsleitung hinter dem Projekt stand.
Besserer Arbeitgeber durch geringere Administration
Ein weiteres Beispiel für eine digitale HR-Organisation: Bei DB Schenker lautet das Arbeitsprinzip „Challenge ist Status Quo“. Früher, so Julia Guenster, Director of Global HR Strategy & Innovation mit Sitz im Silicon Valley, sei man oft den Trends hinterhergelaufen. Kaum neue Lösungen eingeführt, waren sie schon wieder veraltet. Ihre Abteilung HR Innovation & Digitalization will jetzt dabei unterstützen, „Stufen zu überspringen und schneller zu werden“. Die Aufgaben lauten: Was ist wichtig für die Organisation? Wie können wir ein besserer Arbeitgeber sein? Und wie können wir die administrativen Arbeiten verringern?
Zwei große Aufgaben hat das Team schon gelöst: Über eine neue Plattform ist es möglich, „in real time“ ein Feedback bei dem Mitarbeiter abzufragen, seine Zufriedenheit zu messen und seine Motivation zu erfassen. Das zweite ist eine Plattform für temporäres Personal, auf die jeder Bewerber zugreifen kann. Sie erspart die Beauftragung einer Zeitarbeitsfirma. „Die Digitalisierung von HR-Prozessen kann nachweisbar Wert stiften und den Recruiting-Prozess verkürzen“, so Guenster.
Transformation ist auch eine Frage der Kultur
Was den Großen leicht fällt, da Personal, Know-how, Zeit und Geld für die Transformation freigeschaufelt werden können, schaut im Mittelstand anders an. Karl-Heinz Reitz, Geschäftsführer und seit einigen Monaten Arbeitsdirektor von Computacenter, steht noch am Anfang der Transformation. Der Dienstleister für Informationstechnologie hat seinen Geschäftsauftrag immer ernst genommen und sich stark auf die Kunden von außen fokussiert. Die Folge: HR war das Stiefkind, es wurde viele Jahre nicht investiert, die guten, viel arbeitenden HR-Mitarbeiter sollten „das Kind schon schaukeln“.
Aber für die 17.000 Beschäftigten braucht es nun neue Prozesse, neue Tools und eine neue Kultur, um in der Transformation erfolgreich zu sein. Zunächst müsse die HR-Software auf den neuesten Stand gebracht werden, Standard-IT-Lösungen kämen vorerst zum Einsatz. Doch an der Grundsatzdebatte zur Transformation führe kein Weg vorbei, beschreibt Karl-Heinz Reitz seine Planung. HR werde in Zukunft zwei wesentliche Wertbeiträge im Unternehmen leisten: „Einen operativen Teil, der das Sourcing, die Weiterentwicklung der Mitarbeiter, aber auch die Standardisierung der Prozesse betreibt. Der andere Part wird nah am Business, den Mitarbeitern und den Abteilungen arbeiten, verstehen, was sie wollen und es in das HR-Portfolio übersetzen. Sein Wertbeitrag wird ein methodischer, moderativer oder inhaltlicher sein.“
Drei Beispiele, die unterschiedlicher nicht sei können, aber dem Fachpublikum interessante Anregungen gaben, wie HR die digitale Transformation vorantreiben kann und wie neue digitale Lösungen die HR-Arbeit upgraden – bis zur Business-„Class“.
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Christiane Siemann ist freie Journalistin und Moderatorin aus Bad Tölz, spezialisiert auf die HR- und Arbeitsmarkt-Themen, die einige Round Table-Gespräche der Personalwirtschaft begleitet.