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Praxisbeispiele: Herausfinden, was die Kunden möchten

 


Portrait von Sandra Kerl
Sandra Karl, Head of Customer Experience bei Innogy. / Foto: Innogy SE

Beispiel: Innogy

Ein neues Serviceportal

Wie können wir unseren Mitarbeitern bei der Lösung ihrer HR-bezogenen Anliegen besser helfen? Das fragte sich das Personalmanagement von Innogy. Herausgekommen ist ein überarbeitetes HR-Portal, das die Bedürfnisse der Mitarbeiter trifft.

Vor vier Jahren hat die Personalabteilung von Innogy ihren Service zur Betreuung der Mitarbeiter umgestellt. Die Beschäftigten sollen in Stufe null das Serviceportal der HR-Abteilung nutzen. Finden sie dort keine Lösung für ihr Anliegen, können sie sich in der zweiten Stufe telefonisch an die Servicestelle der Personalabteilung wenden. Kann ihnen auch dort nicht geholfen werden, wird ihr Problem in der dritten Stufe an einen Fachexperten weitergeleitet. Sollte auch dann noch keine Lösung gefunden sein, gibt es noch zwei weitere Stufen: Das Problem kann an die sogenannten Kompetenzzentren, die für unterschiedliche Fachbereiche wie Personalentwicklung zuständig sind, oder an den zuständigen Business Partner übergeben werden, je nachdem wie komplex das Anliegen des Mitarbeiters ist.

„Kern des Stufenmodells und der zentrale Einstiegspunkt für alle Innogy-Mitarbeiter ist das HR-Portal“, sagt Sandra Karl, Head of Customer Experience beim Essener Energieversorger. Deshalb haben sie und ihr Team Service-Design-Methoden genutzt, um das HR-Portal kundenfreundlicher zu gestalten. „Schneller zum Ziel“ war der zentrale Leitsatz. Durch eine Online- Umfrage fanden Karl und ihr Team heraus, dass 79 Prozent der Nutzer das Portal hauptsächlich wegen Selfservices aufsuchten. „Dafür war unser Portal aber gar nicht ausgelegt“, sagt sie. Der Fokus habe vor allem auf der Informationsbeschaffung und Neuigkeiten aus HR gelegen. Der Bereich mit den Selfservices war zwar vorhanden, optisch aber recht klein und nicht anwenderfreundlich genug.

Selfservices in App-Optik

Um das zu verbessern, holte Karls Mannschaft 30 Mitarbeiter in eine abteilungs- und hierarchieübergreifende Testgruppe. Sie wurden in die Ideenfindung eingebunden und waren die ersten, die die neue Plattform testen durften. Das Ergebnis: Die überarbeitete Plattform ist seit Januar 2018 in Betrieb. Die Navigationsleiste mit den Inhalten ist am Anfang ausgeblendet. Stattdessen findet sich auf der Startseite eine Kachelübersicht mit verschiedenen Selfservices, ähnlich aufgebaut wie die App-Übersicht auf einem Smartphone. Dazu gehören etwa das Abrechnen von Reisekosten, die bereitgestellte Lohnsteuerbescheinigung und eine Weiterbildungsrubrik. Führungskräfte haben zudem die Möglichkeit, Informationen über ihr Team wie zum Beispiel die Arbeitszeiten oder Reisedaten einzusehen. Außerdem können sie Mitarbeiterprozesse wie eine Gehaltsanpassung oder Umgruppierung anstoßen.


Portraits von Stefan Werner und Diana Paschek
Stefan Werner und Diana Paschek, Landesgeschäftsführer und Sonderbeauftragte
für Fachkräftesicherung und -gewinnung. Fotos: Paritätischer Wohlfahrtsverband Thüringen

Beispiel: Paritätischer Wohlfahrtsverband Thüringen

Flexiblere Lösungen für die Mitarbeiter

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Thüringen möchte ein positiveres Bild der Pflegeberufe vermitteln und die Arbeit in der Sozialwirtschaft attraktiver machen. Mit Service-Design- Methoden hat man neue Lösungen für flexiblere Arbeitsbedingungen entwickelt.

Gerade der Sozialwirtschaft bereitet der Fachkräftemangel große Probleme. Seien es Pfleger im Seniorenheim oder Betreuer im Kindergarten – überall fehlt es an qualifizierten Leuten. Zu gering die Bezahlung, zu abschreckend die Arbeitszeiten, zu anstrengend der Job, lautet die gängige Meinung, wenn es um Pflegeberufe geht. Eine Ansicht, die Stefan Werner, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Thüringen, nicht teilen kann. „Der Beruf wird in der öffentlichen Debatte viel zu negativ gesehen“, sagt er.

Der Verband versucht deshalb, ein anderes Berufsbild zu vermitteln und gleichzeitig alles zu unternehmen, um das Recruiting zu verbessern. Dazu will Werner die Sichtweise, dass man in diesem Beruf etwas für die Gesellschaft tut, mehr in den Vordergrund rücken. Um sich besser auf die Bedürfnisse zukünftiger Mitarbeiter einstellen zu können, setzt der Verband gezielt auf Methoden aus dem Service Design. Gemeinsam mit 47 Unternehmen der Sozialwirtschaft organisiert er zehn Workshops. Gefördert wird das ganze Projekt vom Europäischen Sozialfonds (ESF).

Freude an der Arbeit und Wertschätzung

Zu den Workshops kommen Vertreter des Projektverbundes und Führungskräfte der einzelnen Unternehmen. Je nach Thema erstellen sie Personenprofile, entwickeln eine Kundenreise und versuchen, Lösungen zu entwickeln. „Ein Ergebnis ist, dass wir versuchen müssen, die Arbeit flexibler an die Bedürfnisse der Mitarbeiter anzupassen“, sagt Diana Paschek. Sie ist beim Verband Sonderbeauftragte für Fachkräftesicherung und -gewinnung. Dazu gehören klassische Teilzeitmodelle oder auch Elternzeiten. Doch auch die Digitalisierung spielt eine Rolle. Durch Computerprogramme und vernetztes Arbeiten lasse sich der Zeitaufwand für die Dokumentationspflichten reduzieren, die für die Branche typisch sind. Die Idee dahinter: „Unsere Mitarbeiter sind die beste Werbung für den Beruf“, sagt Paschek. Hätten sie viel Freude an der Arbeit und erführen mehr Wertschätzung, würden sie in ihrem Umfeld mehr darüber erzählen und so auch neue Mitarbeiter anwerben.


Portrait von Yvonne Pirkner
Yvonne Pirkner, Leiterin des Open Innovation Lab & Service Design Centers der Österreichische Bundesbahnen. / Foto: Sabine Hauswirth

Beispiel: Österreichische Bundesbahnen

Veränderte Denkweisen

Die Österreichischen Bundesbahnen setzen in vielen Bereichen auf Service Design. Die Methode ist inzwischen fest im Konzern verankert und fördert neue Denkweisen bei den Mitarbeitern, die für kreative Ideen und Innovationen sorgen.

In Sachen Service Design gehören die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zu den Vorreitern im deutschsprachigen Raum. Gemeinsam mit der Service Designerin Linda Kaszubski begannen die ÖBB vor sieben Jahren, Lehrgänge zu entwickeln, um das kreative Denken der Mitarbeiter zu fördern. „Das Team der zukünftigen Service Designer hat vom Management drei strategisch relevante Themen zur Bearbeitung bekommen“, sagt Kaszubski. In Gruppen von sieben Teilnehmern wurde jeweils ein Thema bearbeitet. Die Ergebnisse wurden dann dem gesamten Topmanagement präsentiert. Die Präsentation sei ein voller Erfolg gewesen, sagt Kaszubski.

Schnell, agil, unkompliziert

„Im Vordergrund stand von Anfang an, schnelles, agiles und unkompliziertes Denken zu fördern“, sagt Yvonne Pirkner, Leiterin des Open Innovation Lab & Service Design Centers der ÖBB. Die Mitarbeiter wurden darauf geschult, innovative Ideen zu entwerfen, Prototypen zu gestalten und eine radikale Kundenperspektive einzunehmen. Die ÖBB haben das Arbeiten mit Service-Design-Methoden nach den ersten Projekten weiter gezielt gefördert.

Kulturwandel angestoßen

Neben den gut 5000 Mitarbeitern, die mit Service-Design- Methoden vertraut sind, gibt es zudem rund 80 Moderatoren, die solche Arbeitsgruppen leiten können. Zur Entwicklung neuer Ideen haben die ÖBB das besagte Open Innovation Lab und Service Design Center eingerichtet.

„Das Programm hat uns nicht nur innovationsfähiger gemacht, sondern auch einen Kulturwandel angestoßen“, sagt Yvonne Pirkner. Was zuerst als HR-Projekt begonnen habe, wurde so auf viele weitere Unternehmensfelder ausgeweitet. Ein Beispiel sind die neuen Zugtoiletten bei den ÖBB. Mithilfe von Service Design wurde herausgefunden, dass die Kunden neben der Sauberkeit auch Atmosphäre auf den Zugtoiletten schätzen. Jetzt finden sich im Nahverkehr – und bald im Fernverkehr – WCs, die mit Almsee-, Bergwiesen- und Weltraummotiven beklebt sind.


Lesen Sie weiter zum Thema HR Service Design:

Interview mit Professor Birgit Mager von der International School of Design in Köln zu den Fragen, wie HR Service Design funktioniert und wie es Personalern helfen kann.

› Beitrag, ob und wie HR Service Design in der Personalabteilung helfen kann.


Die Titelstrecke zum Thema HR Service Design ist in Ausgabe 10/2018 erschienen. Sie können das Heft in unserem › Archiv komplett lesen.