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HR als Schlichter bei Führungskräfte-Gerangel

Kollage Werkstatt Atmosphaere mit Schriftzug darauf
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Frage an die HR-Werkstatt: „Die Mitarbeiter aus zwei Teams, deren Führungskräfte offenbar nicht miteinander klarkommen, haben sich an uns als HR-Abteilung gewandt. Was können wir seitens des Personalmanagements tun?“

Es antwortet: Dr. Timo Müller, Experte für Konfliktmanagement

Die Mitarbeiter haben sich direkt an Sie gewandt, weil sie die Gesamtsituation mit den Führungskräften als sehr störend erleben. Sie denken jetzt vielleicht: „Nichts Neues, darauf bin ich auch gekommen!“ Wie sieht aber das Vorgehen nach dieser ersten Erkenntnis aus? Haben Sie den Anspruch, das Konfliktszenario ganz zu verstehen! Ein differenziertes und vollständiges Situationsverstehen ist Garant dafür, dass Sie später richtig handeln.

Geht es bei dem Konflikt der Führungskräfte primär um einen Konflikt um Sachfragen – etwa zum Vorgehen bei einem Projekt? Oder können die beiden in der Kommunikation „nicht mehr miteinander“? Oder trifft beides zu? Und: Gibt es vielleicht Ursachen für den Konflikt in der Vergangenheit der beiden Teamleiter? Diese Phase der Konfliktbearbeitung ist die Zeit für Ihre konkretisierenden Fragen.

1. Ein großer Schritt für den Mitarbeiter – Motivations-Szenarien

Es ist in jedem Fall ein großer Schritt, als Mitarbeiter vorbei am Vorgesetzten die Personalabteilung zu kontaktieren. Eine solche Handlung kann durchaus unterschiedlich motiviert sein. Sie befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch im „Stadium der Spekulation“. Verlassen Sie sich nicht auf ungesicherte Informationen – dazu zählen auch vorläufige Schlüsse von Ihrer Seite.

Motivationslage 1: Die Bitte um Unterstützung von Mitarbeitern kann darauf hinweisen, dass diese sich eine Verbesserung der Situation wünschen. Die Art des Umgangs der beiden Vorgesetzten miteinander wird als kontraproduktiv eingeschätzt: als Hemmnis für zukünftige Arbeitserfolge der beiden Teams. Dies war der alleinige Grund, warum Sie angesprochen wurden. Es ist möglich, dass dabei die sachliche Ebene überwiegt oder die psycho-emotionale Ebene. Demotivationen sind die Folge: „Die Arbeit macht einfach keinen Spaß mehr!“
Sie werden in diesem Szenario angesprochen, weil die Mitarbeiter Vertrauen zu Ihnen haben. Vertrauen, dass Sie etwas zum Besseren bewirken können. Es ist ein verstecktes Lob an Ihre Fachkompetenz und Ihre Verschwiegenheit.

Heimlichtuerei und taktische Absichten

Motivationslage 2: Nicht selten wenden sich Mitarbeiter heimlich an die Personalabteilung, wenn der Vorgesetzte nicht mitbekommen soll, dass der jeweilige Mitarbeiter den Konflikt als Thema benannt hat. Bei diesem Szenario steht aber nicht der Konflikt zwischen den Führungskräften im Mittelpunkt. Denn es geht eigentlich um einen Konflikt zwischen dem „mitteilungsfreudigen“ Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten – auch wenn es erst anders erscheint. Die Bitte um Unterstützung ist rein taktisch motiviert. Mit anderen Worten: Das „schwierige Miteinander der Führungskräfte“ wird von den Mitarbeitern genutzt, weil die jeweilige Führungskraft geschwächt werden oder sogar arbeitsrechtliche Maßnahmen zu spüren bekommen soll (Ermahnung, Abmahnung, Versetzung). Lassen Sie sich als HR-Mitarbeiter in einem solchen Szenario nicht instrumentalisieren!

2. „Jetzt tun Sie ‚mal etwas!“

Nachdem die Mitarbeiter den Konflikt zwischen den beiden Führungskräften ausführlich beschrieben haben, kommt der Moment, an dem von Ihnen Handlungen erwartet werden. Aber welche? Fragen Sie direkt nach: „Was wünschen Sie sich konkret von mir beziehungsweise von der Personalabteilung?“ Sie beugen so vor, weit über die Mitarbeiterinteressen hinaus zu intervenieren.

Manche Mitarbeiterseite lässt sich überzeugen, dass es das Beste ist, die eigenen Sorgen und Interessen in einem Gespräch gegenüber den Führungskräften offen auszusprechen. In diesem Fall wäre eine Konfliktmoderation in der Großgruppe günstig – mit allen Beteiligten. Das Gespräch sollte durch einen erfahrenen Konfliktmoderator geleitet werden. Wenn die Mitarbeiter sich aber nicht zur Aussprache überzeugen lassen, kommt es zur Gewissensfrage.

Schutzbedürfnis der Mitarbeiter zweitrangig?!

Es gibt Situationen, in denen die Interessen der Mitarbeiterseite als zweitrangig einzustufen sind. Etwa wenn durch den Führungskräftekonflikt großer (wirtschaftlicher) Schaden für das Unternehmen droht. In diesem Fall müsste notgedrungen – gegen den Willen der Mitarbeiter – ein Gespräch mit den Teamleitungen gesucht werden. Dies müsste den Mitarbeitern vorher transparent gemacht werden – inklusive einer detaillierten Erklärung der Notwendigkeit.
Es geht aber auch geschickter: Wenn die Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen den Teams seit dem Konflikt nachweisbar schlechter sind, wäre dies auch ein geeigneter Ansatzpunkt. Dass die Information von der Mitarbeiterseite kam, müsste in diesem Fall gar nicht kommuniziert werden.
Die über die Sachlage informierte Abteilungsleitung könnte mit den Führungskräften über die Leistungen ins Gespräch kommen und in diesem Kontext auch gezielt über deren Kooperationspraxis sprechen. Meine Empfehlung: Bereiten Sie die Abteilungsleitung angemessen auf die herausfordernde Gesprächssituation – halb Sachgespräch zum Arbeitsstand, halb Konfliktbearbeitung – vor!

3. Was ist die Aufgabe von HR, wenn Führungskräfte Konflikte managen sollen?

Ist die vorgesetzte Leitung der beiden Führungskräfte immer einzubeziehen? Im Regelfall ja. Denn sie ist die direkte personalverantwortliche Person für die zwei Konfliktparteien. Und diese Führungskraft – und nicht die Personalabteilung – ist auch diejenige, die für die Bearbeitung des Konfliktes verantwortlich ist. Der professionelle Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz ist Führungsaufgabe! Er gehört zum 1×1 der Führungskommunikation.

Gerne können die Vorgesetzten den Sachverhalt mit Unterstützung der Personalabteilung klären. Vereinbaren Sie beispielsweise für die Abteilungsleitung ein Konfliktcoaching oder lassen Sie diese bei Konfliktmoderationsgesprächen unterstützen.

✓ Werkstatt-Check: Dies sollten Sie bei der Konfliktlösung grundsätzlich beachten

Die direkte Führungskraft hat Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Sie
ist erster Ansprechpartner bei allen Mitarbeiterkonflikten. Lassen Sie
ihr diesen Spielraum. Seien Sie seitens HR aber dazu bereit, diese in
schwierigen Fällen zu unterstützen, z.B. durch ein Konfliktcoaching oder
eine Begleitung bei der Konfliktmoderation!
Wenn Sie sich entscheiden, zu intervenieren: Bemühen Sie sich um ein differenziertes und vollständiges Konfliktverstehen!
Lassen Sie sich durch keine Konfliktpartei instrumentalisieren!
Schaffen Sie den Spagat: Mitarbeitervertrauen nicht enttäuschen und gleichzeitig Unternehmensinteressen verfolgen!
Um im Führungsalltag herausfordernden und konflikthaften Situationen
erfolgreich(er) zu begegnen, brauchen Führungskräfte spezifische
Konfliktmanagement-Kenntnisse. Konfliktmanagement-Kompetenzen reichen
über allgemeine Kommunikationskenntnisse hinaus. Ihre Verantwortung als
Personalmanagement ist es, die Führungskräfte im Unternehmen angemessen
zu qualifizieren.

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