Personalwirtschaft:
Ende Februar mussten Sie Ihr Büro in Düsseldorf schließen, nachdem ein
Mitarbeiter positiv auf Corona getestet wurde. Sie waren unfreiwillig einer der
Pioniere des Lockdowns. Wie war das vor knapp zwei Monaten in Düsseldorf?
Oliver Simon: Wir
hatten die Berichte über die Ausbreitung des Corona-Virus in China Anfang des
Jahres aufmerksam verfolgt. Als dann die Meldung über die Infektion eines
Mitarbeiters kam, mussten wir sehr schnell handeln. Und wir waren auch sehr
schnell handlungsfähig, da EY Notfallpläne für Krisensituationen vorhält.
Was haben Sie konkret
gemacht?
Oliver Simon: Wir haben uns um den betroffenen Mitarbeiter
gekümmert und umgehend die Gesundheitsbehörden informiert. Wir haben innerhalb kürzester Zeit intern die
wichtigsten Entscheidungsträger zusammengebracht: Den Standortleiter, die
Kommunikationsabteilung, die HR-Abteilung, das Gesundheitsmanagement und das
Risikomanagement. Das ist unsere Task Force. Das Büro wurde am Folgetag
geschlossen. Am Vorabend wurden alle Mitarbeiter darüber informiert. Unser
Glück im Unglück: Als Beratungsunternehmen sind wir mobiles Arbeiten gewohnt.
Ein Großteil der Mitarbeiter war also bereits technisch für mobiles Arbeiten
ausgestattet.
Kann so ein extremer
Fall tatsächlich vorgedacht und als Plan in einer Schublade hinterlegt werden?
Oliver Simon: Definitiv.
Jedes Unternehmen braucht on hold ein Krisenmanagement und eine Anleitung
dafür, wer was in einem Notfall zu tun hat. Darin sind grundlegende Prozesse
geklärt.
Markus Heinen: Ein
Pandemie-Plan deckt nur rund 80 Prozent der relevanten Fragen ab. In einem
konkreten Fall, wie die jetzige Corona-Pandemie, müssen die restlichen 20
Prozent ebenfalls schnell geklärt werden. Das hat mit unserem Risikomanagement
gut funktioniert. Der Düsseldorfer Fall kam uns sogar zu Gute, weil wir in
einem sehr frühen Stadium in einem überschaubaren Umfeld unseren
Corona-Notfallplan erproben konnten. Wir mussten bereits Ende Februar Antworten
auf Fragen finden, die uns später an allen Standorten beschäftigten:
Ausreichende Verschlüsselungskarten für Homeoffice, Notfallbesetzungen für
relevanten Postverkehr oder Regelungen zur Kinderbetreuung, um nur einige
Beispiele zu nennen.
Stimmt der Eindruck,
dass HR durch die Corona-Krise auf einmal wieder deutlich sichtbarer wird? Ist
die Krise auch eine Chance für HR?
Oliver Simon: HR ist ein
wesentlicher Teil des Krisenmanagements. Das kann aber nicht funktionieren ohne
die Kollegen aus den erwähnten Bereichen Kommunikation und IT. Deshalb würde
ich nicht eine Funktion herausheben. Die Funktionen müssen ineinandergreifen.
Klar, jetzt schauen viele auf uns, weil wir bei den Themen
Gesundheitsmanagement und Arbeitsrecht besonders gefragt sind.
Markus Heinen: HR hilft
uns in den Business Lines in der aktuellen Situation enorm. Neben den schon
erwähnten Themen im Rahmen des akuten Krisenmanagements, dazu gehören übrigens
auch Rückholprogramme, kommt aktuell unser gutes Business Partner Management
zum Tragen. Denn auch das Beratungsgeschäft verändert sich durch Corona.
Deshalb ist es für uns sehr wichtig, mit HR Transparenz im Projekt- und
Kostenmanagement herzustellen. Urlaubsbestände, Zeitkonten, Workforce Management
– alles Themen, die zukünftig eine noch größere Rolle spielen werden. Hier
zahlt sich die Nähe von HR zum Business sehr aus. Und wenn auch viele
Unternehmen gerade auf Sicht fahren, wird sich diese wertschöpfende Nähe von HR
vor allem in der Zukunft auszahlen.
Wie wichtig sind die
Rückholprogramme?
Oliver Simon: Im März
wurden Grenzen geschlossen, Flüge storniert – bei einer weltweiten Pandemie ist
also schnelles Handeln erforderlich, um unsere Mitarbeiter im Ausland wieder
sicher zurückzuholen. Wir reden hier immerhin von fast tausend Kollegen, die
wir von Auslandsreisen und Entsendungen zurückholen mussten. Hierbei konnten
wir unserer Fürsorgepflicht in besonderer Weise gerecht und haben sehr schnell gehandelt. Alle waren
froh, dass wir zum Teil schneller als andere mit unserem Reisebüro die
Maßnahmen eingeleitet hatten.
Was sind für Sie die
zentralen Erfolgsfaktoren des Krisenmanagements?
Oliver Simon:
Unternehmen brauchen eine Governance-Struktur, das heißt Risikopläne, auf die
man sich in einem konkreten Notfall beziehen kann. Das zweite Thema ist
Leadership. Sie brauchen Menschen in der Taskforce, die in der Lage sind,
schnell Entscheidungen zu treffen. Der dritte und ein ganz wichtiger Punkt ist
die Kommunikation: Sie müssen schnell, sachlich und transparent kommunizieren.
Hierzu haben uns die Mitarbeiter in Düsseldorf übrigens ein sehr gutes Feedback
gegeben. Die Kommunikationswege haben wir in den letzten Wochen auch ausgebaut:
Neben Mails kommunizieren wir über Leadership-Webcast, über eine
Informationsplattform auf Sharepoint-Basis und über eine Hotline.
Herr Heinen, wie hat
sich Ihr Beratungsgeschäft verändert? Projekte vor Ort beim Kunden sind ja
zurzeit nicht möglich.
Markus Heinen: Im Bereich Mobility Service zum Beispiel, bei dem
wir die Kunden steuerrechtlich betreuen, sind die Veränderungen nicht so
gravierend. Das sind lang kontrahierte Verträge und die Kollegen können die
Arbeit problemlos auch im Homeoffice erledigen. Im Workforce-Advisory-Bereich
ist die Situation anders. Es gibt große Transformationsprojekte, in denen wir
die Kapazitäten zurückfahren müssen, da die Kunden gerade andere Prioritäten
haben. Ansonsten hat sich natürlich unsere Arbeitsweise geändert. Anstelle von
Workshops vor Ort arbeiten wir über Videokonferenzen mit unseren Kunden. Hier probieren
wir neben den klassischen Chat-Tools auch neue Technologien aus, die einen
Workshop-Charakter ermöglichen. Insgesamt ist unser Beratungsgeschäft zum Glück
nicht eingebrochen. Teilweise bekommen wir von Kunden auch ganz neue Anfragen.
Welche sind das?
Markus Heinen: Wir haben
bereits Ende Februar eine Covid-19-Initiative gegründet. Hier bündeln wir
unsere Beratungserfahrungen vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise. Der
Bereich Change und Kommunikation wird aktuell von den Kunden stark nachgefragt.
Das Thema Workforce Planning steht vor dem Hintergrund von Werkschließungen und
Kurzarbeit im besonderen Blickfeld der Unternehmen. Wir helfen dabei,
finanzielle Unterstützungsmaßnahmen des Staates richtig in Anspruch nehmen zu
können. Aber auch zukunftsgerichtete Themen bekommen durch die erzwungene
Homeoffice-Arbeit Auftrieb. Die Krise zwingt die Unternehmen dazu, Mitarbeiter
in eine neue Welt der Zusammenarbeit zu überführen. Wir nennen das Sta
Connected und begleiten diesen Change-Prozess. Die Krise wird helfen,
Innovationen zu beschleunigen. Agiles Arbeiten, Organisationsentwicklung,
Change und Learning – alles Themen in unserer Beratung, die an Bedeutung
gewinnen werden.
New Work bekommt also
einen Push.
Markus Heinen: Ich bin
ein Verfechter von agilen Arbeitsformen und wenig Hierarchien. Mitarbeiter
bringen sich in diesen Strukturen stärker ein, das Unternehmen ist flexibler.
Genau das zahlt sich in der Krise aus, in einer Zeit, wo die Unternehmen ihre
Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen müssen. Ich habe das noch vor der
Corona-Krise in einem Beitrag als Florida-Prinzip beschrieben. Und jetzt bin
ich mehr denn je davon überzeugt, dass nach der Krise starre Organisationsmodelle
in Frage gestellt werden.
Wie lange werden Sie und Ihre Mitarbeiter noch im Homeoffice arbeiten?
Oliver Simon: Wir planen mit 60 bis 90 Tagen. Aber es bleibt schwer
einzuschätzen, wie sich die Situation weltweit entwickeln wird. Die Mitarbeiter
machen das Beste daraus und wir werden gemeinsam diese Zeit überstehen. Und wir
werden danach auch die skizzierten positiven Aspekte der Krise zu schätzen
wissen.