Eine variable Vergütung, die nicht an Performancekriterien geknüpft ist, ist heute kaum noch denkbar. Das gilt vor allem für die Vergütung von Führungskräften und Vorständen. Die meisten Performancekriterien in kurz- und langfristigen variablen Vergütungsplänen werden von den wichtigsten Key Performance Indicators (KPIs) eines Unternehmens abgeleitet. Diese dienen auch als Basis für die Definition individueller Performanceziele, nach denen Unternehmen die Leistung der Mitarbeiter bewerten. Welche Vor- und Nachteile haben Performancekriterien? Wie praktiziert der Markt?
Börsennotierte Aktiengesellschaften müssen die Vergütungsstruktur ihrer Vorstände auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausrichten. So schreiben es § 87 des Aktiengesetzes (Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder), der mit der Anpassung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. Juli 2009 (VorstAG) umgesetzt wurde, und der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) vor. Konkret müssen variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben und sich auf anspruchsvolle, relevante Vergleichsparameter beziehen. Eine nachträgliche Änderung der Erfolgsziele oder der Vergleichsparameter soll ausgeschlossen sein.
Die deutschen Vorschriften ähneln den Regeln, die seit langem in anderen Ländern gelten. Auch institutionelle Investoren und Proxy-Advisors, wie zum Beispiel Institutional Shareholder Services (ISS), Glass Lewis und die National Association of Pension Funds (NAPF), die britische Pensionsfonds vertritt, weisen in ihren Guidelines vergleichbare Forderungen aus. Diese Vorgaben sind zwar nicht gesetzlich verbindlich, aber in der Praxis je nach Anteil des Aktienkapitals, der von den institutionellen Mitgliedern dieser Proxy-Advisors direkt und indirekt kontrolliert wird, sehr einflussreich.
So ist etwa für ISS die Korrelation zwischen der CEO-Vergütung und dem Total Shareholder Return (TSR) für die Beurteilung der Vergütungspolitik eines Unternehmens ein entscheidendes Kriterium. Demnach sind Unternehmen aufgefordert, entsprechend dem Pay-for-Performance-Prinzip dafür zu sorgen, dass die variable Vergütung des Vorstands vom Unternehmenserfolg abhängt. Das gilt sowohl auf der Ebene der Gesamtvergütung wie auch in Bezug auf die Verwendung und Ausgestaltung von Performancekriterien. Diese Kriterien sollen die Performance nicht nur messen, sondern sie auch gezielt steuern. Dabei zeigt die Marktpraxis, dass Unternehmen vielfältige Performanceindikatoren verwenden.
Marktpraxis in Deutschland
Nur der Teil der Vergütung, der variabel ausgestaltet ist, lässt sich an Performancekriterien knüpfen. Deshalb hängt die Umsetzung des Pay-for-Performance-Prinzips davon ab, welchen Umfang der variable Anteil an der Gesamtvergütung hat. Derzeit beträgt er für Vorstandsmitglieder großer deutscher Unternehmen 60 bis 70 Prozent der Gesamtvergütung. Er ist jeweils etwa zur Hälfte als kurzfristige Komponente und als langfristige Komponente, also als Long Term Incentive Plan (LTIP), ausgestaltet.
In den DAX-30-Unternehmen sind insbesondere die Vergütungspläne für Vorstände und Führungskräfte an mehrere Performancekriterien geknüpft. So legen die Unternehmen bei der variablen Vergütung im Schnitt fünf Performancekriterien zugrunde, und das in unterschiedlicher Gewichtung und für verschiedene variable Vergütungselemente. Die meisten Performancekriterien finden sich bei kurzfristigen variablen Vergütungselementen, also bei Bonusplänen. Der Durchschnitt beträgt 2,7 Kriterien. Langfristig ausgerichtete Elemente basieren auf weniger Kriterien. Mid Term Incentive Plans weisen durchschnittlich 2,1 Kriterien, LTIPs 1,7 Kriterien auf.
Die hohe Zahl der verwendeten Performancekriterien und deren unterschiedliche Verknüpfungen miteinander machen Vergütungssysteme komplexer. Beispielsweise können Verknüpfungen additiv oder multiplikativ erfolgen. Zudem sind manche Performancekriterien für die Teilnehmer und Aktionäre kaum transparent und nachvollziehbar, da sie etwa intern oder extern nicht regelmäßig kommuniziert werden.
Internationaler Vergleich
In Großbritannien ist die Kennzahl „relativer Total Shareholder Return“ (TSR) – oft in Kombination mit einem definierten Schwellenwert für die „Earnings per Share“ (EPS) – das bislang am häufigsten verwendete Performancekriterium für LTIPs. Zugleich nehmen laut der „PwC Vorstandsvergütungsstudie 2013“ auch dort die Anzahl und die Vielfältigkeit der Performancekriterien bei den FTSE-100-Unternehmen erkennbar zu. In den Niederlanden sind TSR und – in geringerem Maße – EPS nach einer nationalen PwC-Studie die am häufigsten genutzten Performancekriterien bei langfristig ausgerichteten Plänen der AEX-25-Unternehmen.
In kurzfristig ausgerichteten (Bonus-)Plänen werden international und in Deutschland zahlreiche finanzielle und nichtfinanzielle Performancekriterien verwendet. Dabei wird der Gewinn als finanzielle Messgröße in Großbritannien am häufigsten verwendet. In Europa gleicht sich die Marktpraxis für die Art und die Kombination von Performancekriterien bei kurz- und langfristigen Vergütungsplänen zunehmend an. Das gilt ungeachtet der Unterschiede lokaler Vorschriften und Guidelines. Die Angleichung ist zum einen dadurch bedingt, dass die Unternehmen im Wettbewerb miteinander stehen. Zum anderen geht dieser Trend auch auf den Einfluss globaler Investoren und Aktionärsverbände zurück.
Klassifizierung von Performancekriterien
Performancekriterien lassen sich kategorisieren, etwa in quantitative und qualitative Performancekriterien. Die Matrix bietet einen Überblick über die Performancekriterien, die derzeit typisch für den deutschen Markt sind.
In den DAX-30-Unternehmen sind mehr als zwei Drittel aller Performanceziele, an die die einzelnen variablen Vergütungselemente geknüpft sind, laut der genannten PwC-Studie quantitativer Natur. Die am häufigsten verwendeten qualitativen Performancekriterien sind Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Bei den Performancezielen quantitativer Natur handelt es sich zu rund einem Drittel um Performancekriterien, die wie TSR an den Aktienkurs geknüpft und deshalb als extern zu bezeichnen sind. Zwei Drittel der Performanceziele quantitativer Natur sind interne Rechnungsgrößen, die das Management direkt beeinflussen kann, wie etwa EBITA.
Relevant ist zudem, wie hoch der Anteil der variablen Vergütung ist und wie die Performancekriterien verknüpft sind. Diese Kriterien sind, zusammen mit dem Schwierigkeitsgrad der festgelegten Performancekriterien, dafür bestimmend, welches Risiko bzw. welchen Anreiz ein performanceorientiertes Vergütungssystem in sich birgt. Die folgenden Beispiele sollen dies illustrieren.
Beispiel 1 zu einem relativ geringen Risiko bzw. Anreiz: Der Anteil der variablen Vergütung an der Gesamtvergütung beträgt 40 Prozent. Die variable Vergütung hängt davon ab, dass zwei Performancekriterien erreicht werden, die additiv gemessen werden. Das bedeutet, dass jeweils 20 Prozent der Gesamtvergütung vom Erreichen je einer dieser Performancekriterien abhängen. Ein solches Vergütungspaket funktioniert relativ statisch.
Beispiel 2 zu einem mittleren Risiko bzw. Anreiz: Die Ausgestaltung der variablen Vergütung ist ebenso wie oben. Allerdings beträgt der Anteil der variablen Vergütung 60 Prozent. Damit hängen insgesamt 60 Prozent – statt 40 Prozent wie in Beispiel 1 – der Vergütung davon ab, dass die beiden Performancekriterien erreicht werden. Dadurch sind die Anreizwirkung dieses Vergütungspakets und zugleich das Risiko für den Teilnehmer größer.
Beispiel 3 zu einem hohen Risiko bzw. Anreiz: Der Anteil der variablen Vergütung beträgt 60 Prozent wie in Beispiel 2, die beiden Performancekriterien sind multiplikativ miteinander verknüpft. Wird ein Performancekriterium nicht erreicht, ist also ein Parameter gleich null, erhält der Mitarbeiter keine variable Vergütung. Umgekehrt kann sich die variable Auszahlung je nach Art und Verknüpfung der Performancekriterien vervielfachen.
Die Beispiele veranschaulichen, dass es neben der Wahl geeigneter Performancekriterien ebenso wichtig ist, deren Einflussgrad angemessen festzulegen. Haben einzelne Performancekriterien einen zu hohen Einfluss, bleibt wenig Raum für einen Ausgleich durch andere Kriterien. Meistens entscheiden strategische Zielsetzungen, also die KPIs des Unternehmens, die Wahl der Performancekriterien für variable Vergütungspläne von Vorständen und Führungskräften. Oft weichen die Vorstellungen der Stakeholder voneinander ab. Führungskräfte und Mitarbeiter wünschen sich Performancekriterien, die sie beeinflussen und nachvollziehen können. Anteilseigner bevorzugen Performancekriterien, die den Unternehmenswert steigern, während die Politik zudem die Einbeziehung qualitativer Kriterien fordert.
Qualitative Performancekriterien
Wie effektiv sind Performancekriterien? Welche Vor- und Nachteile haben die einzelnen Messgrößen? Qualitative Performancekriterien haben erst vor wenigen Jahren Aufnahme in die marktüblichen Vergütungspläne gefunden. Sie genießen größere Beachtung, seit das Thema Corporate Responsibility (CR) an Relevanz gewonnen hat und seit die Öffentlichkeit und manchmal der Gesetzgeber fordern, Unternehmen sollten bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung und im Finanzdienstleistungssektor auch qualitative Vergütungsparameter verwenden.
CR-Kriterien sind in allen Unternehmensbereichen anzutreffen. Sie reichen von der Sicherheit und der Gesundheit der Mitarbeiter bis zum Umwelt- und Naturschutz. Ein weiteres Schlagwort im Zusammenhang mit qualitativen KPIs ist die Nachhaltigkeit. Dabei stellt sich die Frage, wie CR und Nachhaltigkeit zu messen sind.
Manche Faktoren des qualitativen Bereichs können im Unternehmen bereits messbar sein. Dazu zählen etwa der CO2-Ausstoß und die Mitarbeiterzufriedenheit. Der Einsatz von Parametern, die noch nicht gemessen wurden, bereitet erheblichen Aufwand, wenn sie nur für die Vergütungsfindung erhoben werden.
Quantitative Performancekriterien
Ein Vorteil quantitativer KPIs gegenüber qualitativen KPIs können die meist einheitlichere Erhebung und die dadurch bedingte bessere Vergleichbarkeit der Performance von Unternehmen miteinander sein. Das funktioniert auch auf Makroebene, d. h. unabhängig von der Ausgestaltung der einzelnen Vergütungskomponenten. ISS prüft im Rahmen ihres „Quantitative Assessment“ der CEO-Vergütung, inwieweit die jährlichen Veränderungen der Gesamtvergütungen von CEOs mit dem TSR des Unternehmens über die vergangenen fünf Jahre korreliert haben. Glass Lewis wiederum vergleicht die gewichtete durchschnittliche Vergütung der Top-5-Führungskräfte über drei Jahre mit den fünf Indikatoren Operating Cashflow, EPS-Wachstum, TSR, RoE und RoA. Dieser Vergleich ist unabhängig davon, ob und in welcher Form diese Performancekriterien in den Vergütungsplänen der Unternehmen verankert sind.
Bei der Verwendung von Performancekriterien in Vergütungsplänen existieren je nach Wahl der Performancekriterien bei quantitativen KPIs mehr oder weniger große Spielräume in der Berechnung. Bezogen auf die Ergebniskennzahl EBITDA (Earnings Before Interest, Tax, Depreciation and Amortization), ergibt sich dieses beispielsweise aus der Möglichkeit der Herausrechnung von GuV-Positionen. Ein Vorteil der quantitativen Performancekriterien besteht in dem meist geringeren Aufwand der Erhebung, da diese häufig bereits für andere Prozesse erhoben werden bzw. erhoben werden müssen.
Absolute versus relative Betrachtung
In einer relativen Performancemessung wird das Unternehmen nicht isoliert betrachtet, sondern im Verhältnis zum Markt. Dadurch werden Performancebeiträge um allgemeine Marktentwicklungen bereinigt. Hierbei ist entscheidend, mit welcher Vergleichsgruppe und über welchen Zeitraum ein Vergleich gezogen wird. Generell würden Führungskräfte bei schlechter Marktentwicklung eine relative Bemessung, bei guter Marktentwicklung eine absolute Bemessung vorziehen. Umgekehrt legen viele Aktionäre großen Wert auf relative Unternehmensleistung, honorieren diese aber ungern, wenn die absoluten Ergebnisse nicht ebenfalls positiv ausfallen.
Bei der Frage nach der Wahl der richtigen Peergroup zur Festlegung der relativen Performance schaffen länderübergreifende oder branchenspezifische Indizes Abhilfe. DAX-30-Unternehmen nutzen diese Indizes besonders beim Performancekriterium relativer TSR, zum Beispiel im Vergleich zum Dow-Jones-Stoxx-Auto-Index oder dem Dow Jones STOXX Europe 600 Financials.
Zu berücksichtigen sind hierbei die verschiedenen Möglichkeiten zur Berechnung der jeweiligen Parameter. So besteht zum Beispiel bei der Berechnung des ROCE ein erheblicher Spielraum, wenn es um die Definition des Capital Employed („beschäftigtes Kapital“) geht. Dies führt zwangsläufig zu einer geminderten Vergleichbarkeit dieser Kennzahl zwischen den Unternehmen. Bei anderen Kennzahlen sind zunächst Anpassungen vorzunehmen, um eine überbetriebliche oder zeitliche Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
Die relative Betrachtung scheint bei qualitativen KPIs auf den ersten Blick schwieriger zu sein. Mit der zunehmenden Bedeutung von CR und Nachhaltigkeit wurden Indizes geschaffen, die eine einheitliche Erhebung und einen Marktvergleich ermöglichen. Dieser Vergleich wird auch der Öffentlichkeit zugängig gemacht. Zwei dieser Indizes für eine relative Betrachtung und Bewertung qualitativer Performancekriterien sind der Corporate Responsibility Index (CRI), der mit über 150 teilnehmenden Unternehmen 2013 die aktuell größte Vergleichsstudie zur Abbildung der unternehmerischen Verantwortung in Deutschland ist, und die Dow-Jones-Sustainability-Indizes (DJSI). Diese stellen eine Familie länderübergreifender Aktienindizes dar, die ökonomische, ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen.
STIL-Methode zur Wahl geeigneter Performancekriterien
Die Wahl der geeigneten Performancekriterien hängt von den Rahmenbedingungen und dem spezifischen Steuerungssystem eines jeden Unternehmens ab.
S – Simplizität: Die Anzahl der Performancekriterien sollte möglichst gering bleiben. Gleichzeitig sollte die Auswahl gezielt unter Berücksichtigung einer möglichen Bündelung bzw. Verknüpfung von Kriterien zu einem Schwerpunkt getroffen werden.
T – Transparenz: Die Kennzahlen sollten verständlich sein und im Unternehmen akzeptiert werden. Sie sollten bereits zur Steuerung genutzt werden und von den Beurteilten und den beurteilenden Parteien (rechnerisch) nachvollziehbar bzw. prüfbar sein.
I – Interessenkongruenz: Die Zielvorgaben sollten in Einklang mit den Interessen der Anteilseigner stehen und mit diesen abgestimmt werden.
L – Leistungsbezug: Die Ausprägung der Performancekriterien sollte in direktem Bezug zu den Zielen der Gesellschaft stehen bzw. von diesen abgeleitet werden. Dies wird durch die Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie und der Berücksichtigung der darin definierten Ziele sichergestellt.
Basierend auf einer eingehenden Analyse der Unternehmensziele und der daraus resultierenden Zielgrößen einerseits und den Forderungen von Aktionären und anderen Stakeholdern andererseits, stellt die Anwendung der STIL-Methodik sicher, dass die angewendeten Performancekriterien intern und extern relevant sind und auch verstanden werden.
Barbara Seta
Partner Reward Consulting, Human Resources Services
PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft