Wolf-Bertram von Bismarck schätzt nicht nur als Personaler individuelle Lebensläufe. Seinen CV nennt er „prägnant, spannend und kurvig”, denn er hat in seinem eigenen Werdegang für Abwechslung gesorgt. Er ist heute Vorstand Personal und Recht bei der Job AG.
Personalwirtschaft: Was hat Sie bewogen, so ausführlich an verschiedenen Universitäten in verschiedenen Ländern zu studieren? Steckte eine klare innere Ausrichtung dahinter?
Wolf-Bertram von Bismarck: Ein klares Karriereziel oder eine Laufbahnplanung hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht. Vielmehr waren Neugierde und Abenteuerlust mein Motor. Angefangen habe ich mein Studium mit der Kinderpsychologie, dann wurde daraus Arbeits- und Organisationspsychologie. Rückblickend kann ich heute sagen, dass ich auch das Wissen aus meinen ersten Studienjahren in allen Führungsetagen immer gut brauchen konnte. Und wenn ich heute gradlinig durchgetaktete Lebensläufe in die Hand bekomme, lege ich sie oft zur Seite. Solche Vorstellungsgespräche langweilen mich schnell.
Nach der Promotion sind Sie in die Beratung gegangen. Warum haben Sie diese der Praxis im Unternehmen vorgezogen?
Die Unternehmensberatung als erster Karriereschritt nach meiner Promotion war eine gute Schule: Die Themenvielfalt ist groß. Die Belastung, aber die Freiheitsgrade ebenfalls. Und man bekommt schnell Verantwortung. Beratung heißt meist, etwas Neues zu schaffen, zu verändern. Das macht mir Spaß.
Nach sechs Jahren zog es Sie dann doch in eine Personalabteilung. Was hat Sie da gereizt?
Die weltweite Personalarbeit bei Puma zu übernehmen war ein lateraler Karrieresprung von einer strategischen in eine sehr operative Verantwortung. Das war für mich komplettes Neuland: Ich hatte bis dahin weder mit Arbeitsrecht noch mit Mitbestimmung viel Berührungspunkte. Aber ich konnte gestalten, aufbauen und Menschen mitnehmen.
Und was hält Sie seitdem auf Unternehmensseite?
Als HR-Architekt im Unternehmen sind die Veränderungen ganzheitlicher und nachhaltiger. Aber ich hatte auch niemals die Aufgabe, nur den Status Quo zu erhalten. Das wäre mir zu langweilig. Ich hatte mal die Gelegenheit Dave Ulrich näher kennen zu lernen. Er sagte: „HR are the architects of organizational change. We control the rights and opportunities for companies to succeed.” Mir ging es immer darum, einen Beitrag nicht nur für HR, sondern für das Geschäft zu leisten.
Was war Ihre prägendste Station und warum?
Imtech. Dort habe ich gelernt, dass ein Personaler, der in HR bleibt, ein Personaler bleibt. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Nur wer sich aus dem HR-Bereich hinaus wagt und das Geschäft versteht, kann ernst genommen werden, kann wachsen. Daher habe ich bei Fielmann zwei Wochen in einer Niederlassung Brillen verkauft, bei Imtech im Blaumann auf der Baustelle mitgearbeitet und bei der Job AG für ein paar Tage in mehreren Niederlassungen ausgeholfen.
Fulda ist keine Weltstadt. Wie hat man Sie bei der Job AG überzeugt, dorthin zu kommen?
Fulda ist eine sehr schöne Stadt im Herzen von Deutschland. Aber überzeugt hat mich die Aufgabe als Personaler bei der Job AG. Als Personalleiter stand meine Arbeit immer im Hintergrund hinter dem Produkt, das verkauft werden soll. Die Job AG ist ein großer und professioneller Personaldienstleister, der an einem entscheidenden Punkt zum nächsten Wachstumssprung steht. Personalarbeit ist unser Produkt. Und in Zeiten, wo nicht die Kunden-, sondern die Mitarbeitergewinnung die entscheidende Herausforderung ist, stehe ich als Verantwortlicher für die Personalstrategie an vorderster Front.
Im Ganzen wirkt Ihr Lebenslauf fokussiert. Ihre einzelnen Stationen sind aber kürzer als üblich. Wo liegt darin die Konsequenz?
Wer abseits der ausgetretenen Pfade wandern gehen möchte, braucht die Bereitschaft loszulassen und zu verändern. An Kaminkarrieren glaube ich nicht. Nur wer mit lachendem Herzen zur Arbeit geht und den Sinn seiner Arbeit erkennt, kann gut sein.
Wann gehen Sie? Oder anders gefragt: Wie kann man Sie halten?
Personalarbeit hat immer eine strategische und eine operative Komponente. Ich passe nicht in administrativ ausgerichtete Personalabteilungen oder wenn das Unternehmen sich nicht wirklich verändern will.
Viele Stationen bedeuten viele unterschiedliche Eindrücke und Erfahrungen: Auf welche Weise beeinflusst das Ihre tägliche Arbeit?
Aus unterschiedlichen Eindrücken und Erfahrungen habe ich viel gelernt. Das bringe ich tagtäglich in meine Personalarbeit ein. Personalarbeit ist keine Raketenwissenschaft, aber die Erwartungen an uns haben sich in den letzten Jahren durch Themen wie Talentmanagement, Digitalisierung, neue Arbeitswelt et cetera sehr gewandelt. Um als Unternehmen modern zu bleiben, ist Vielfalt wichtig. Denn Vielfalt ist die Voraussetzung von Innovation.
In HR herrscht immer noch die Kaminkarriere vor. Ist das für Sie in der Zusammenarbeit schwierig? Persönlich kenne ich wenig wirklich dauerhaft erfolgreiche Kaminkarrieren. Das mag daran liegen, dass mir diese Persönlichkeiten zu langweilig sind. Aber ich sehe schon die Oldschool-Personaler und die „Jungen Wilden“ in der Personalerszene. Letztere reden über Employer Branding und Talent Management, verstehen, dass die Arbeitswelt von morgen bereits heute ist und wissen, dass die Einhörner den Dinosauriern gerade das Fürchten lehren.
Was sind Ihre Lieblingsthemen in HR – und warum?
Change, Strategie und Leadership sind aus meiner Sicht die drei Ingredienzien, aus denen Unternehmen gebaut sind:
- Veränderung ist immerwährend. Ist Tagesgeschäft, ist Führungsaufgabe, kein Projekt. Und wer sich nicht wandelt, entwickelt sich zurück.
- Wer keine Strategie hat, kennt den Hafen nicht, in den er segeln will.
- Und nur wer Leadership hat, kann seine Ideen umsetzen. Denn Management in seiner tayloristischen Ausprägung hat ausgedient. Leadership ist der Transmissionsriemen der Geschäftsstrategie: fehlt es, fehlt sie.
Welcher berufliche Wechsel war am bedeutsamsten für Ihre Karriere?
Bei meinem Wechsel von Hewitt Associates zu Puma kam ich von der strategischen Beraterwelt in eine komplett andere. In Windeseile musste ich mein Kompetenzportfolio multiplizieren und kannte die gestalterische und die operative HR-Welt. Beide Komponenten gut zu kennen, hat meine Karriere lang geprägt.
Gab es Irrwege oder Sackgassen, in die Sie geraten sind?
Bei Imtech kam ich an Bord, um ein am Abgrund stehendes Unternehmen kulturell neu aufzubauen, eine neue Welt zu gestalten. Das war eine echte Turnaround-Situation im Hochgeschwindigkeitsmodus mit einem super Management- und HR-Team. Das hat mir riesig Spaß gebracht. Rock `n Roll. Aber leider hatten wir nicht genug Zeit, um die Kultur wirklich zu drehen. Imtech war in 2015 eine der größten Insolvenzen Deutschlands.
Welche Lücke hat Ihr Lebenslauf, welche Chance hat sich in Ihrer Karriere nie ergeben?
Für mein Studium war ich in England und den USA. Mit Projekten in ganz Europa, in Indien und sogar Saudi Arabien habe ich dann zwar sehr international gearbeitet, aber nie im Ausland gelebt.
Und wie würden Sie Ihren Lebenslauf in drei Adjektiven umschreiben?
Prägnant, spannend, kurvig.