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M&A is all about people

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Mehr als die Hälfte aller Fusionen weltweit scheitert oder gelingt nur teilweise. Ein wesentlicher Grund für das Scheitern ist, dass den Menschen in den Unternehmen zu wenig Beachtung geschenkt wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des M&A Research Centre der City University London. Der Erfolg von Changeprozessen im Rahmen von M&A-Transaktionen hängt demnach maßgeblich von drei Faktoren ab: von der gezielten Fokussierung auf Personalthemen, von einer strategisch ausgerichteten internen Kommunikation und von Bindungsmaßnahmen für ausgewählte Mitarbeitergruppen.

 

Unternehmen, die in einem globalisierten und zunehmend wettbewerbsintensiven Umfeld agieren, stehen vor der Herausforderung, sich laufend wandelnden Gegebenheiten anpassen zu müssen. Um die eigene Existenz zu sichern und Wachstum zu generieren, legen viele Betriebe den Fokus auf Fusionen oder auf die Übernahme von Unternehmenseinheiten. Hierbei ist es wichtig, personalpolitische Fragen frühzeitig in den M&A-Prozess einzubeziehen.

 

Kernthemen zur Steigerung des Unternehmenswertes als Verkäufer

 

Wer als Verkäufer sein Unternehmen im Vorfeld eines M&A-Deals optimal aufstellt, macht es attraktiver und kann damit den Verkaufspreis anheben. Zu einer guten Vorbereitung gehört im gesamten Personalbereich, den Fokus auf Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu legen. Dabei geht es um den Aufbau klarer HR-Strukturen und -Programme, um ein solides Performance- und Potentialmanagement sowie um eine wettbewerbsfähige Pensionsstrategie mit langfristiger Finanzierbarkeit. Dazu gehört die Etablierung unabhängiger Personalprozesse für den Unternehmensteil, zum Beispiel die Nachfolgeplanung für Führungskräfte, und eigene Steuerungsgrößen bei variablen Vergütungsprogrammen. Ebenso kann die Bereinigung von Altlasten aus der betrieblichen Altersversorgung und von deren Finanzierungsrisiken anstehen.

 

Due Diligence fördert versteckte Kosten und Risiken zutage

 

In der Due-Diligence-Phase ist es für den Käufer wichtig, möglichst hohe Transparenz der Kosten und Risiken sowie der Entwicklungspotenziale als Grundlage seiner Kaufentscheidung herzustellen. Auch hier ist insbesondere die sorgfältige Analyse bestehender bAV-Programme entscheidend. Solche Programme sind oft komplex und können das Geschäftsergebnis maßgeblich beeinflussen. Eine Kernfrage lautet: Birgt die betriebliche Altersversorgung – möglicherweise versteckte – finanzielle Risiken, die die zukünftige Unternehmensentwicklung belasten werden?

 

Ein Beispiel aus der Praxis zu versteckten Risiken der bAV

 

Ein europäisches Chemieunternehmen deckte seine Verpflichtungen über eine Pensionskasse im Rahmen eines Multi-Employer-Plans ab. Diesen Plan hat das Unternehmen in seiner Bilanz als Defined-Contribution-Plan eingestuft, also als beitragsorientierte Leistungszusage, bei der das Zins- und das Langlebigkeitsrisiko außerhalb des Unternehmens liegen. Ein Käufer darf bei dieser Frage aber nicht allein auf die Bilanz schauen, sondern auch auf andere relevante Faktoren. Für unser Beispielunternehmen reichten die geleisteten Beiträge aufgrund der ungünstigen Zinsentwicklung und der Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung nicht mehr aus, um die Verrentung vollständig zu finanzieren. In der Folge erhöhte die Pensionskasse die Arbeitgeberbeiträge in der Vergangenheit mehrfach signifikant. De facto erwies sich der Defined-Contribution-Plan als Defined-Benefit-Plan. Demnach wurde eine der Höhe nach bestimmte oder bestimmbare Leistung zugesagt, so dass auch in Zukunft für das Unternehmen ein erhebliches Nachschussrisiko besteht. Übernähme die Gesellschaft die Finanzierung der Pensionsansprüche, würde dies die Rückstellungen sofort auf etwa 7 Millionen Euro erhöhen. In den kommenden 15 Jahren würden sie auf etwa 50 Millionen Euro anwachsen.

 

Im Rahmen des Post-Closings ging es nach dem Herauslösen des Chemieunternehmens aus dem Mutterkonzern darum, ein zukunftsfähiges Versorgungssystem zu etablieren. Dieses sollte für künftige Dienstzeiten das bisherige System für die gesamte Arbeitnehmerschaft ablösen und als echter Defined-Contribution-Plan die Finanzierung langfristig sichern. Zudem wurden die Administrationsprozesse wegen der nun eigenständigen Stellung des Unternehmens außerhalb des Mutterkonzerns neu justiert.

 

HR-Steuerungsportfolio im Blick

 

Während der Due-Diligence-Phase sollte sich der Käufer einen Überblick über das bestehende HR-Steuerungsportfolio der strategisch relevanten Themen verschaffen. Die Untersuchung der mitbestimmungs- und arbeitsrechtlichen Situation sowie die Einschätzung der tariflichen Situation – eventuell in mehreren Ländern – hilft bei der Einschätzung, welches Entwicklungspotenzial im zu kaufenden Unternehmen steckt. Zu beachten sind hier auch Sonderregelungen für Top-Executives und andere Schlüsselpersonen. Dazu zählen zum Beispiel Bindungsprogramme mit Halteprämien, Trennungsregelungen mit Golden Parachutes und Change-of-Control-Klauseln. Auf Basis eines Management-Assessments sind weitere entscheidende Fragen zu klären:

  • Wie gut ist die obere Führungsriege darauf vorbereitet, die Transaktion zum Erfolg zu führen?
  • Sind die Führungskräfte und Mitarbeiter in der Lage, das Unternehmen nach der Übernahme erfolgreich weiterzuentwickeln?

Mitarbeiter für die Veränderung gewinnen

 

Ist die Übernahmetransaktion abgeschlossen, beginnt eine der anspruchsvollsten Phasen im M&A-Prozess. Es gilt, die Mitarbeiter für den Changeprozess zu gewinnen und nachhaltig in die neue Organisation zu migrieren bzw. zu integrieren. Die Beschäftigten fragen sich, welches Ziel hinter dem Changeprozess steht und wie er weitergeht. Möglicherweise bekommen sie neue Aufgaben und Kollegen. Die veränderte Situation schürt häufig Ängste und führt zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Neuen. Oft ist eine eingeschränkte Unternehmensperformance die Folge.

 

Deshalb empfiehlt es sich, die HR-Strukturen und -Programme gezielt auf die neue Unternehmensstrategie auszurichten. Eine neue Marktpositionierung kann notwendig sein, um die richtigen Mitarbeiter an Bord zu holen, zu motivieren und zu halten. Transparente Karriere- und Vergütungsmodellen leisten dazu einen großen Beitrag. Programme zur betrieblichen Altersversorgung und andere Benefits sowie Personalentwicklungsprogramme und das Talentmanagement müssen auf zukünftige Herausforderungen ausgerichtet werden. Die Kernfrage lautet: In welcher Form ist die neue Unternehmensstrategie mit der Mitarbeiterentwicklung und der Vergütungsstruktur über Performance- und Potenzialmanagementprozesse verzahnt?

 

Ein Praxisbeispiel zur Harmonisierung von HR-Programmen nach M&A-Deals

 

Ein führender IT-Hersteller wollte sein Marktpotenzial vergrößern und übernahm deshalb ein Outsourcing- und Consultingunternehmen. Nach abgeschlossener Akquisition stand die Integration der Mitarbeiter im Mittelpunkt, um deren gesamtes Potenzial und Wissen einzubinden. Den neuen Kollegen wurden dafür ihre künftigen Rollen und Karrieremöglichkeiten transparent aufgezeigt. Neben diesem ersten zentralen Baustein stellte sich die Frage, welche Form von HR-Programm aufzusetzen sei. Das Unternehmen entschied sich bewusst dagegen, den neuen Mitarbeitern sein bisheriges Programm unreflektiert überzustülpen. Vielmehr harmonisierte es die bestehenden Karriere- und Vergütungsmodelle beider Gesellschaften in einem neuen Modell. Das schuf eine hohe Akzeptanz bei allen Mitarbeitern und erleichterte die Migration in die neuen Unternehmensstrukturen.

 

Für Fusionen und Übernahmen lässt sich zusammenfassen: Wer ein integriertes HR-Management mit einer ganzheitlichen HR-Strategie aufstellt, schafft den Boden, auf dem die Mitarbeiter ihr Leistungspotenzial vollkommen entfalten können. Themen wie einheitliche Stellenbewertungs- und Vergütungsmodelle, betriebliche Altersversorgung und andere Benefits, strategische Personalentwicklung und Talentmanagement sowie durchdachte Changemanagementprogramme sind wichtige Stellschrauben für eine langfristige Sicherung des Übernahmeerfolgs.

 

Niko Lymberopoulos

Associate Partner

Lurse AG

NLymberopoulos@lurse.de

www.lurse.de

 

Matthias Edelmann

Vorstand

Lurse AG

MEdelmann@lurse.de

www.lurse.de