Lucas Sauberschwarz sieht viele Unternehmen in „absurden“ Methoden der Mitarbeiterführung verhaftet. Im Interview erklärt der Geschäftsführer der Venture Idea GmbH, warum New Work Nachdenken voraussetzt – und neugierige Führungskräfte.
Personalwirtschaft: Herr Sauberschwarz – Ihre Keynote heißt „Good Job! Neue Impulse für eine absurde Arbeitswelt“. Was ist so absurd daran?
Lucas Sauberschwarz: Über die Jahre haben sich in der Arbeitswelt Verhaltensweisen und Rituale festgesetzt, die „man immer schon so gemacht“ hat und die kaum noch hinterfragt werden. Wenn zum Beispiel der Lebenslauf längst nicht mehr das wahre Leben wiedergibt, wenn E-Mails extra spät gesendet werden, um zu zeigen, wie fleißig man ist, wenn man im Homeoffice mehr Vorschriften hat als im Büro, oder wenn die höhere Position das bessere Argument schlägt. Sobald man damit beginnt, sich diese Arbeitsweisen genauer anzuschauen und zu hinterfragen, fällt einem schnell die Absurdität dahinter auf.
Haben die meisten Mitarbeiter einen guten Job?
Bei dem Zitat „Such dir einen Job, den du liebst, und du brauchst niemals im Leben mehr zu arbeiten“ würden die meisten Arbeitnehmer wohl frustriert abwinken. Denn laut etablierten Studien wie von Gallup machen über 80 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland Dienst nach Vorschrift oder haben sogar innerlich gekündigt! Dabei wirkt sich Zufriedenheit direkt auf Produktivität und Kreativität aus. Wer einen „Good Job“ hat, macht also auch einen guten Job!
Geht es bei „New Work“ also nur darum, die Wünsche der Mitarbeiter zu erfüllen?
Zunächst einmal ist New Work ein Sammelbegriff für jedwede Form neuer Arbeitsweisen. Für die einen ist es das Homeoffice, für die anderen die Flexibilisierung, und für wieder andere die gesellschaftliche Neudefinition der Bedeutung von Arbeit.
Für mich ist es die Optimierung der Arbeitsweisen zur besseren Erfüllung der Mitarbeiterbedürfnisse – welche wiederum dem Unternehmen zugutekommen.
Diese Bedürfnisse sind individuell und für einzelne Mitarbeiter, Teams, Abteilungen und Unternehmen unterschiedlich. Daher sollte man vorsichtig sein mit Standardlösungen, denn New Work ist das Gegenteil davon! Viel zu oft wird versucht, die Optimierung mit herkömmlichen, stumpfen Werkzeugen zu ermöglichen.
Was sind solche Standardlösungen?
Das sind Maßnahmen nach dem Motto „Reflex statt Reflexion“. Da wird an der Gehaltsschraube gedreht, obwohl Mitarbeiter sich mehr Freiraum wünschen, oder ein Großraumbüro geschaffen, obwohl die Mitarbeiter lieber flexibel von zu Hause arbeiten würden. Unternehmen tappen leicht in die „Old-Work-Falle“ und optimieren nur kurzfristig produktivitätssteigernde Aspekte wie Incentives, Kontrollen und Positionen, oder in die „New-Work-Falle“ und setzen auf Agilität, Kickertische und Feel-Good-Manager.
Was sind Ihre Werkzeuge?
Allgemeingültige Werkzeuge gibt es nicht, sondern einen Werkzeugkasten. Dieser sollte gefüllt sein mit Beispielen aus anderen Unternehmen, neuen Ideen, Forschungsergebnissen und vielem mehr. Wenn systematisch analysiert wurde, wo Lücken bestehen, können die passenden Good-Job-Rahmenbedingungen erarbeitet werden. In Dimensionen wie Führung, Recruiting, Entwicklung, Steuerung, Zusammenarbeit, Work-Life oder Arbeitsplatz gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Ob es ein selbstgesteuertes „Smart Working“ wie bei Microsoft oder Credit Suisse ist, oder eine Urlaubspflicht wie bei einigen amerikanischen Startups, oder ob wie bei Upstalsboom Hierarchien abgeschafft oder wie bei Otto Activity-Based Working-Büros geschaffen werden – all dies sollte von den Bedürfnissen der Mitarbeiter und dem Unternehmenskontext abhängen.
Viele Unternehmen setzten auf Talent Management, Projektkarrieren, Work-Life-Balance und vieles mehr. Ist das nicht schon genug Entgegenkommen für die Mitarbeiter?
Solche Maßnahmen sind sicherlich positiv zu bewerten, und Vorreiter wie Trumpf zeigen, dass sie einen Wettbewerbsvorteil darstellen können. In Zukunft jedoch werden das eher Voraussetzungen sein, um überhaupt qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen. Genug ist es erst, wenn die Mitarbeiterbedürfnisse bestmöglich erfüllt sind, denn nur dann machen die Mitarbeiter ihren bestmöglichen Job.
Wie müssen Führungskräfte umdenken, um dem Anspruch an „New Work“ gerecht zu werden?
Dafür muss man zunächst verstehen, dass viele Führungskräfte sich in einer „alten Arbeitswelt“ hochgearbeitet haben. Hier galten Dinge wie das Eckbüro und der große Firmenwagen noch als Privilegien einer Position, die nur durch strenge Kontrolle und Führung der Mitarbeiter erreicht werden konnten. Heute stehen – vor allem bei der Generation Y – jedoch Gestaltungsfreiheit, Kollaboration und Flexibilität im Vordergrund, Attribute, die auch für Unternehmen deutlich nachhaltiger sind. Um die Vorteile zu erkennen, müssen Führungskräfte diese Dinge selbst erleben. So hat Bosch zur Einführung von Homeoffice die Führungskräfte zunächst selbst ins Homeoffice geschickt. Vorurteile – etwa, dass zuhause zu arbeiten zu Kontrollverlust und Faulheit führe – wurden schnell abgebaut, und die Mehrzahl der Führungskräfte nutzen das Homeoffice nach Ablauf der Pilotphase weiter.
Auf der Zukunft Personal Europe in Köln hält Lucas Sauberschwarz eine Keynote |
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Thema: Good Job! Neue Impulse für eine absurde Arbeitswelt. |
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