Eines der bedeutendsten Themen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement ist derzeit die mentale Gesundheit. Das geht aus der aktuellen „#Whatsnext-Studie“ der Techniker Krankenkasse, des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung und des Personalmagazins hervor. Demnach sind 39 Prozent der gut 1.000 befragten Geschäftsführer, Personalerinnen und Personaler sowie Gesundheitsverantwortlichen davon überzeugt, dass psychische Erkrankungen aktuell eher oder sehr von Bedeutung sind. In Zukunft werde ihre Wichtigkeit zunehmen: 70 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass mentale Gesundheit in drei Jahren bedeutsam sein wird.
Gesamtgesellschaftliche Konflikte wie Krisen und Krieg setzen den Menschen derzeit mental zu. In der Arbeitswelt kommen dazu noch die Digitalisierung, ständige Veränderungen und eine erhöhte Flexibilisierung sowie Komplexität. Als die größten Herausforderungen der Arbeitswelt bezeichnen die Befragten der #Whatsnext-Studie die Menge und Komplexität an Aufgaben sowie die Quantität der zu verarbeitenden Informationen. „Beschäftigte haben in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit immer mehr, was sie leisten müssen“, fasst Studienleiter Mark Hübers vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFGB) zusammen.
Mentale Erkrankungen nehmen zu
Der erhöhte Mental Load hat Folgen für die mentale Gesundheit vieler Mitarbeitenden. Im vergangenen Jahr machten psychische Probleme knapp 18 Prozent des Gesamtkrankenstandes aus, mehr als Muskel-Skelett-Erkrankungen (rund 14 Prozent) und etwas weniger als Erkrankungen des Atemsystems (etwa 25 Prozent). Allerdings war die Anzahl der Atemwegserkrankungen 2022 auch auffällig hoch, nachdem Corona-Pandemie langsam abgeklungen war. Zurück zu den psychischen, gesundheitlichen Problemen: Innerhalb der vergangenen zehn Jahre haben sich Menschen immer häufiger aufgrund von psychischer Beschwerden krankgemeldet. Von 2021 bis 2022 ist der Anteil an psychischen Erkrankungen am Gesamtkrankenstand um ganze 35 Prozent gestiegen.
Trotz des Anstiegs der psychischen Probleme haben viele Unternehmen noch keine Projekte durchgeführt, die gezielt zur Förderung der mentalen Gesundheit beitragen. Stressbewältigungs- und Ressourcentrainings gibt es nur bei 39 Prozent der befragten Unternehmen. Stattdessen fokussieren sich die meisten Arbeitgeber beim BGM auf die Themen Arbeitssicherheit (78 Prozent) und betriebliches Eingliederungsmanagement (76 Prozent). Wichtiger scheinen ihnen auch die Themen Sport und Bewegung (57 Prozent) und Führung sowie Ernährung (jeweils 40 Prozent) zu sein, zumindest fokussieren sie ihre BGM-Projekte auf diese Bereiche.
BGM ganzheitlich angehen
All diese Dinge würden an sich auch indirekt oder direkt auf die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden einzahlen, sagt Karen Walkenhorst, Personalvorständin der TK. Dafür müssen Unternehmen das Gesundheitsmanagement allerdings ganzheitlich denken und aufsetzen. Das tun derzeit laut der Studie nur 27 Prozent der Arbeitgeber. „Eine gute Unternehmenskultur stärkt das Gemeinschaftsgefühl und die Zugehörigkeit zum Team“, sagt Walkenhorst. „Eine klare Kommunikation schafft Sicherheit und all das wiederum wirkt sich positiv auf die mentale Gesundheit aus.“
Es gehe bei BGM und beim Thema mentale Gesundheit folglich nicht darum, einzelne Aktionen durchzuführen – beispielsweise Yoga-Kurse anzubieten –, sondern sie in ihrer Gesamt- und Wechselwirkung zu sehen. „Die Lösungen fördern sich gegenseitig“, sagt Walkenhorst. Wer als Arbeitgeber beispielsweise die Balance zwischen Entgrenzung durch die Verschmelzung von Privat- und Arbeitsleben im Homeoffice und Entfremdung durch die physische Distanz zwischen Teams durch Remote Work fördert, Führungskräfte so schult, dass sie achtsam sind und den Teamspirit aufrechterhalten, und für die digitale Kommunikation Regelungen einführt sowie die Digitalkompetenz der Mitarbeitenden fördert, tut indirekt etwas für die mentale Gesundheit seiner Belegschaft.
Psychische Gefährdungsbeurteilung wird zu selten durchgeführt
Welche Aktionen zusammengenommen als ein Auffang- oder Präventionsnetz für Mitarbeitende dienen können, lässt sich laut Studienleiter Mark Hübers gut durch eine psychische Gefährdungsbeurteilung herausfinden. Bei der Analyse wird untersucht, inwiefern Mitarbeitende in welchen Bereichen ihres Arbeitslebens belastet sind – meist in Form von Mitarbeiterbefragungen. Basierend auf den Ergebnissen werden Maßnahmen entwickelt, wie man diese Belastungen vermindern kann.
Von deren Wirksamkeit ist auch der Gesetzgeber überzeugt, beschloss er doch 2013, dass eine solche Analyse fortan in jedem Betrieb verpflichtend ist. Doch die Vorgabe hat nur teilweise die Realität geformt: Lediglich 51 Prozent der Befragten sagen, dass in ihrem Unternehmen eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Hübers erklärt sich das folgendermaßen: „Den meisten Arbeitgebern fehlen Informationen zu der Gefährdungsbeurteilung“, sagt er. Es gelte folglich für alle, die dieses Wissen besitzen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Diejenigen, die nicht wissen, wie sie sich dem Thema mentale Gesundheit nähern sollen, sollten auf externe Hilfe zurückgreifen.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.