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Niedrigstsensibel-HR

Doch dann kam es an einem Tag knüppelhart: Drei Informationen innerhalb kürzester Zeit, die auf der nach allen Seiten offenen „HR-Sensibel-Skala“ als „niedrigst“ (oder: 50 Meter unter Normalnull) anzusetzen sind. Der Glossist bekam schiere Existenzangst, weil die HR-Realität sämtlichen üblen HR-Paradoxien Humor derart überholte.

Was war passiert? In der Zeitung stand, dass die möbelhandelnde XXXL-Gruppe 100 Mitarbeiter in Mannheim Anfang 2016 auf spektakuläre Weise gefeuert hatte: Sie erschienen an ihrer Arbeitsstelle, kamen aber nicht mehr ins Gebäude. Der persönliche Zugangscode war gesperrt und eine Sicherheitsfirma war extra zu diesem Freudentag engagiert, um sie notfalls per Gewalt vom Betreten der Firma abzuhalten. Jeder Gesperrte bekam an der Pforte ein Blatt Papier in die Pfote, in dem die sofortige Freistellung und die Kündigung verkündet wurden. Ja! Das hatte Stil! HR at its best! Die Gerichte freuen sich, mal wieder saubere HR-Arbeit bewundern zu können. Merke: Einige HRler arbeiten hart daran, in die Toprankings wundersamer Kündigungen zu kommen, die seit Jahrzehnten von angelsächsischen Firmen angeführt werden. Dort erfährt der Gekündigte sein Glück per SMS, Whatsapp oder durch eine Feuerwehrübung, nach der er anschließend nicht zu seinem Arbeitsplatz zurückdarf.

Der nächste Fall kam an genanntem Low-Sensibel-Day per Telefon rein: Eine große Versicherung übernimmt einen gut bewerteten Mitarbeiter nicht nach Befristungsende. Bis hierhin: legal. Allerdings machen die Versicherungspersonaler dem Mitarbeiter den Vorschlag, die gleiche Arbeit künftig als Selbstständiger auszuführen. Man bewundere die paradoxe Ignoranz von HR, bezogen auf das Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit. Das Telefonat lief noch, als per Mail ein absoluter Knaller reinkam, der selbst hartgesottene Vertreter schwarzer HR-Magie beeindrucken wird: Eine Mitarbeiterin erhält von ihrer HRAbteilung einen Wisch zur Unterschrift. Es geht um Ihre Sabbatical-Auszeit: Sie soll bestätigen, dass sie für Mehrkosten aufkommt, die dadurch entstehen, dass in ihrer Abwesenheit ein Ersatzmitarbeiter eingestellt wird, der teurer ist als sie. Wie teuer, ist aber noch unklar; daher wurde im Text noch kein Betrag eingesetzt. Ein Arbeitsrechtsprofessor prüfte den Vertrag. Sein verwundertes Fazit: „Krude“! Der Chef besagter Mitarbeiterin hingegen fand die HR-Idee super – und meinte, wenn ihr das nicht gefiele, könne sie doch dagegen klagen.

Diese drei Fälle sensibelster HR-Arbeit führen zur Frage: Waren das bundesweit die absoluten Einzelfälle für 2016? Oder hat sich HR so verändert, dass diese HR-Abgründe als üblicher „HR-Limbo“ verbucht werden können?

Welche Fälle von HR-Limbo kennen Sie? Schreiben Sie uns!

Autor: Jobst R. Hagedorn