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Derzeit verändert sich die Arbeitswelt stark, Change-Prozesse sind fast an der Tagesordnung. Diese rasante Dynamik wird seit einiger Zeit oft mit dem Akronym VUCA (volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig) bezeichnet. Eine Studie ist nun der Frage nachgegangen, welche Folgen VUCA für Unternehmen hat und wie diese und die dort arbeitenden Menschen damit umgehen.
Wenn von VUCA die Rede ist, oft zusammen mit dem Wort „disruptiv“, schwingt immer eine Bedrohung mit. Auf jeden Fall heißt es, VUCA sei mindestens eine große Herausforderung für Unternehmen nach dem Motto: Sofortiges Handeln erforderlich, sonst kein Überleben! Woher VUCA kommt, wird zumeist nicht diskutiert. Es wird der Eindruck vermittelt, diese Entwicklung sei, genau wie die Digitalisierung, quasi naturgegeben und würde die (Unternehmens)Welt einfach so überfallen oder „von oben“ aufgepfropft. Egal wie man dazu steht: Fakt ist, dass sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung stark verändert.
Die Digitalisierung führt zu vielen Change-Prozessen
Die Hälfte von 132 befragten Unternehmen gibt an, in den letzten drei Jahren mehr als drei Change-Prozesse durchlaufen zu haben; bei 30 Prozent waren es mindestens zwei. Der Hauptgrund ist die Digitalisierung von Geschäftsprozessen. An zweiter Stelle stehen Kosteneinsparungen, gefolgt von zunehmendem Wettbewerbsdruck, Änderung der Geschäftsfelder, Outsourcing von Arbeitsplätzen und Stellenabbau. Das zeigt die Umfrage „HR Future Trends“ mit dem Thema „VUCA und die Folgen“, die von Juni bis September von der Agentur ohne Namen durchgeführt wurde. Von den 132 teilnehmenden Firmen waren 47 Prozent Großunternehmen.
Langfristige Personalplanung wird schwieriger
Der Aussage „Ich erlebe meine Arbeitswelt/mein Arbeitsumfeld VUCA“, stimmten 50 Prozent der Unternehmen zu. Die restlichen 50 Prozent gaben an, das stimme teilweise (ob noch weitere Antwortmöglichkeiten innerhalb der Online-Befragung zur Verfügung standen, geht aus der Studie nicht hervor). 60 Prozent stimmten der Aussage zu, das Arbeitsumfeld verändere sich immer schneller. 40 Prozent stimmten zu, das sei teilweise der Fall. 90 Prozent der Firmen sagten, dass sich langfristige Planungen als schwierig gestalten, vor allem im Personalbereich. 57 Prozent gaben an, Schwierigkeiten zu haben, die derzeitigen Veränderungen nachvollziehen und verstehen zu können.
Die meisten Mitarbeiter sind nur Zuschauer des Wandels
Der Studie fragte auch danach, mit welcher Haltung Mitarbeiter dem aktuellen Wandel gegenüberstehen. Danach sind 73 Prozent der Belegschaft Zuschauer, 17 Prozent Veränderungsgegner und zehn Prozent Befürworter. Außerdem gaben 80 Prozent der Studienteilnehmer an, dass die Mitarbeiter Veränderungen im Unternehmen eher mit einer abwartenden Haltung begegnen würden. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) sagten, die Mitarbeiter seien unsicher und jeder Fünfte (20 Prozent) denkt, dass die Mitarbeiter Angst haben. Immerhin 33 Prozent seien neugierig, doch nur drei Prozent reagierten mit Vorfreude. Eine gezielte Begleitung bei Change-Prozessen erhält lediglich etwas mehr als die Hälfte der Führungskräfte (57 Prozent), bei den Mitarbeitern sind es nur etwas mehr als ein Drittel (37 Prozent). Mehr als jeder zweite Befragte (53 Prozent) sieht die zunehmende Überforderung der Führungskräfte als künftige Herausforderung.
Gestiegene Anforderungen an Mitarbeiter und mehr Stress
Die Änderungen der Arbeitswelt bleiben für die Mitarbeiter nicht ohne Folgen: Jedes zweite Unternehmen gab an, dass der Stress- und Belastungspegel in den letzten drei Jahren gestiegen ist, bei 37 Prozent ist er sogar deutlich gestiegen. 13 Prozent der Befragten sind der Ansicht, Stress und Belastungen seien – auf hohen Niveau – unverändert geblieben. Einen Rückgang oder einen Verbleib auf niedrigem Niveau konnte keines der befragten Unternehmen verzeichnen. Auch der Krankenstand ist bei über drei Viertel der Unternehmen (77 Prozent) gestiegen oder auf einem bereits hohen Niveau geblieben. Außerdem konstatieren 70 Prozent der Studienteilnehmer, dass die Anforderungen an die Mitarbeiter steigen. Und wie ist damit umzugehen? 77 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass die Stressresistenz der Mitarbeitenden zukünftig höher sein muss, um weniger planbare Arbeiten durchführen zu können – Stichwort Resilienz.
Notwendige Flexibilität wird durch mehr Kontrolle konterkariert
Die Studienautoren sehen VUCA als eine belastende Welt, die „Anpassung im Akkord“ erfordere. Das Gefühl sei „übermächtig“. Die Resilienz der Mitarbeiter zu erhöhen, sei nur möglich, wenn man diese Welt versteht und proaktiv gestalten kann. Laut Studie tun die Unternehmen jedoch noch zu wenig, um Flexibilität und Agilität zu erleichtern und Change-Prozesse proaktiv zu begleiten. Zwar flexibilisieren 67 Prozent der befragten Unternehmen Arbeitszeiten, doch an Cloud- und Crowdworking-Lösungen arbeiten nur 37 Prozent. Mobile und selbstbestimmte Arbeit ermöglichen nur 33 Prozent und nur drei Prozent gaben an, aktiv Hierarchien abzubauen. 37 Prozent der Firmen sagen sogar, dass die Kontrollmechanismen in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen haben. 23 Prozent denken, dies sei manchmal der Fall. Außerdem finden 60 Prozent der Befragten, dass es heute deutlich schwieriger als früher sei, selbstständige Entscheidungen zu treffen.
Fazit: Ohne Anpassung verlieren Unternehmen den Anschluss
Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter bei Change-Prozessen nicht begleiten, Vertrauenskultur durch Kontrolle zerstören und die Handlungsfähigkeit durch abnehmende Entscheidungsbefugnisse einschränken, so die Studie, sinke der Handlungsspielraum jedes einzelnen. Mitarbeitende und Führungskräfte würden von Gestaltern zu Opfern und keine Befürworter des Wandels. Fazit der Studie: Die meisten Unternehmen sind nicht fit für die VUCA-Welt. „Passen wir uns nicht an, bleiben wir nicht flexibel, verlieren wir den Anschluss an die Zukunft.“
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.