Variable Vergütungssysteme sind feste Bestandteile in der Vergütungslandschaft. Sie sind unterschiedlich in ihrer Ausgestaltung und ein Must-Have für attraktive Arbeitgeber. Umstritten sind derzeit die Performance-Management-Ansätze, auf denen sie basieren.
Der turnusmäßigen Festlegung der variablen Vergütung, die häufig jährlich um das Ende des ersten Quartals herum gezahlt wird, geht ein formalisierter Prozess der Leistungseinschätzung voraus. Dabei nimmt die Führungskraft eines Mitarbeiters die Bewertung seiner Leistung im zurückliegenden Jahr anhand definierter Kriterien vor. Um die Leistungseinschätzung auf eine breitere Basis zu stellen, kann die Einschätzung der Führungskraft durch Bewertungen zusätzlicher Personen ergänzt werden. Aufgabe der Führungskraft ist es dann, die Leistungseinschätzung in einem formalisierten Gespräch mit dem Mitarbeiter zu erörtern.
Geld hängt am Ergebnis der Bewertung. Gerade dann, wenn die Bewertung des Vorgesetzten nicht positiv ausfällt oder von der Einschätzung des Mitarbeiters abweicht, werden die Gespräche schwierig. Deshalb lassen viele Führungskräfte in der Leistungsbeurteilung Milde walten, was in der Summe zu einer Abweichung der Verteilungskurve von der Normalverteilung führt. Um diesem Effekt vorzubeugen, gibt es in vielen Unternehmen Vorgaben zur Verteilung von Bewertungsergebnissen (Guided oder Forced Distribution). In der Konsequenz muss jede Führungskraft ihre Leistungseinschätzungen einem Verteilungsmechanismus unterwerfen und vertritt das Ergebnis im Mitarbeitergespräch oft nicht mehr als das eigene.
Hängt die variable Vergütung von Zielen ab, werden persönliche Ziele zu Beginn eines Jahres abgesprochen und für unterschiedliche Erreichungsniveaus Messpunkte definiert. Die Ziele leiten sich dabei je nach Funktion aus den Unternehmenszielen ab und sollen nachweislich zur Steigerung des Unternehmenserfolgs beitragen. Dies setzt einen funktionierenden Prozess der Zielbildung voraus, in dem die Unternehmensziele bereichsübergreifend festgelegt und nachgelagerte Ziele für die weiteren Hierarchieebenen kaskadenförmig abgeleitet werden. Nur wenn es gelingt, die Ziele der Bereiche auf gemeinsame Unternehmensziele hin auszurichten und dafür das Commitment aller Beteiligten zu erzielen, lässt sich sicherstellen, dass alle daraus abgeleiteten Ziele der nachgelagerten Hierarchieebenen wirklich auf die Erreichung der Unternehmensziele einzahlen.
Die Formulierung von Zielen eröffnet der Führungskraft einen größeren Handlungsspielraum als eine Bewertung anhand vordefinierter Kriterien einer Leistungsbeurteilung. Sinnvolle Ziele mit Mitarbeitern zu vereinbaren setzt zudem voraus, dass es sich um Funktionen handelt, die dem Mitarbeiter eine ausreichende Dispositionsfreiheit für die Erledigung seiner Aufgaben einräumen. Kann der Mitarbeiter den Erfolg der Zielerreichung nicht durch eigenes Handeln beeinflussen, wird er für die Zielerreichung allenfalls im Erfolgsfall Verantwortung übernehmen. Ein Misserfolg in der Zielerreichung wird dabei allzu schnell externen Faktoren und dem System selbst zugeschrieben. Somit sind Zielvereinbarungssysteme mit Entgeltwirkung grundsätzlich nur für Funktionen wirkungsvoll, für die finanzielle und strategische Ziele auch geeignete Individualziele darstellen und die mit einem echten Handlungsspielraum ausgestattet sind. Dies ist in der Regel bei Führungs-, Vertriebs- und Spezialistenfunktionen gegeben.
Für die Bonusfestsetzung werden individuelle Ziele meist gewichtet und additiv, zuweilen auch multiplikativ mit Bereichs- und Unternehmenszielen verknüpft. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren rein additive Systeme um die Definition von Schwellenwerten oder Korrekturfaktoren ergänzt, um sicherzustellen, dass die Ergebnislage des Gesamtunternehmens bzw. des Bereichs die Ausschüttung von Boni rechtfertigt. Umgekehrt existieren auch Einschränkungen, die ein bestimmtes, individuelles Leistungsniveau voraussetzen, bevor ein Bonus ausgezahlt wird. Ergänzend zu Verteilungen wird bereichsverantwortlichen Managern bisweilen die durchschnittliche Zielerreichung vorgegeben, um sicherzustellen, dass das Volumen, das sich auf den individuellen Bonus bezieht, ein bestimmtes Maß nicht überschreitet. Die zugrundeliegende Annahme, dass sich die Vielzahl unterschiedlicher Leistungen gleich verteilt, egal ob das Bereichs- oder Unternehmensergebnis hervorragend oder schlecht ausfällt, ist fragwürdig. Diese Ergänzungen oder Einschränkungen haben dazu geführt, dass Systeme komplexer geworden sind und nicht mehr von allen Beteiligten in ihrer Wirkweise verstanden werden. Zuweilen lassen Manager ihre Mitarbeiter wissen, was sie von den Systemen halten. Intensive Kommunikationsmaßnahmen sind also erforderlich, um den Nutzen zu den Vergütungskosten in ein angemessenes Verhältnis zu rücken.
Wachsende Kritik an Performance-Management-Ansätzen
Ob die Höhe der variablen Vergütung an die Zielerreichung geknüpft wird und sich damit nach Leistungseinschätzung automatisch ergibt oder von Führungskräften innerhalb von Bandbreiten festgelegt wird, das Performance-Management spielt auf jeden Fall eine entscheidende Rolle. Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen mit klassischen und stark regulierten Systemen äußern zunehmend Zweifel an deren Wirksamkeit, so dass der Veränderungsdruck auf die Unternehmensleitung und HR zunimmt.
Nicht nur der rigide, formalisierte und zeitaufwendige Performance-Management-Prozess stellt bei immer größer werdenden Führungsspannen eine Herausforderung dar, bei dem der eigentliche Inhalt des Gesprächs in den Hintergrund tritt. Das Erfordernis, lückenlos mit allen Mitarbeitern alljährlich Ziele zu definieren und diese ein Jahr später zu bewerten, stellt für viele Führungskräfte immer wieder eine große Aufgabe dar. Auch immer häufiger werdende Veränderungen in der Teamzusammensetzung im Laufe eines Jahres bedingen administrative Schritte und erfordern zahlreiche Abstimmungsgespräche. Selbst der Einsatz von Performance-Management-Tools, die lästige Papierprozesse ablösen, bringt oftmals keine deutliche Erleichterung.
Bestehende Systeme erfordern zumeist die Zusammenfassung der Leistungseinschätzungen in numerischen Ratingkategorien. Schaut man sich darüber hinaus die Ergebnisse von Zielerreichungen, insbesondere bei Systemen ohne Verteilungsvorgaben, an, so steigen die individuellen Zielerreichungsgrade über die Jahre an bzw. pendeln sich auf einem konstant hohen Niveau ein, so dass von Leistungsdifferenzierung nicht mehr die Rede sein kann. Sollte man unterstellen, dass sich bei einer konsequenten Ableitung der Individualziele aus den Unternehmenszielen eine Korrelation aus Unternehmenserfolg und individueller Zielerreichung einstellt, so ist in der Praxis häufig genau das Gegenteil der Fall. Die Vermutung liegt nahe, dass individuelle Zielerreichungen negative Effekte in der Unternehmenszielerreichung bewusst ausgleichen. Im Übrigen bemängeln die meisten Mitarbeiter die fehlende Fähigkeit ihrer Führungskräfte, Leistungen differenziert einschätzen zu können. Im Ergebnis wird die resultierende Vergütung nicht als leistungsgerecht empfunden. Fatal, wenn hieraus geschlussfolgert wird, dass sich Leistung nicht mehr lohnt.
Ein weiterer Kritikpunkt an den Systemen liegt in der Tatsache, dass der Fokus der Betrachtung in die Vergangenheit gerichtet ist. Einmal im Jahr müssen Führungskraft und Mitarbeiter Ziele und Themen, die monatelang zurückliegen, mühevoll erinnern und bewerten. Dabei haben diese für die Zukunft häufig nur geringe Relevanz und bilden somit keine passende Grundlage für einen Dialog zu Entwicklungsbedarfen der Zukunft.
Darüber hinaus haben sich weitere Rahmenbedingungen in den letzten Jahren drastisch verändert. Neue Kommunikationstechniken und Social Media haben die Vernetzungsdichte und die Komplexität um ein Vielfaches erhöht und die Planbarkeit des Business reduziert. Mitarbeiter kooperieren heute über Bereichsgrenzen und Zeitzonen hinweg in virtuellen Teams, strukturelle Grenzen lösen sich auf. War es bislang Aufgabe der Führungskraft, in einer weitgehend vorhersagbaren und stabilen Situation Effizienz zu steigern und Strukturen zu schaffen, so muss die Führungskraft zukünftig ergebnisoffene Prozesse über Strukturen hinweg steuern, eigenes Nichtwissen zulassen, mit Mitarbeitern Zusammenhänge in komplexen Systemen reflektieren, Muster erkennen und gemeinschaftliche Lösungen entwickeln. Zu diesem Paradigmenwechsel passen keine Führungsinstrumente, die die Mitarbeiterleistung einmal jährlich retrospektiv und schematisch betrachten oder über die Vereinbarung von Jahreszielen vermeintliche Planbarkeit suggerieren, die es so nicht mehr gibt. Deshalb müssen Führungskräfte in dynamischen Rollen lösungsoffen denken und handeln und mit passenden Instrumenten dabei unterstützt werden.
Wie sieht das zukünftige System aus?
Ob eine variable Vergütung nur für bestimmte Mitarbeitergruppen an individuelle Ziele gekoppelt wird oder allen Mitarbeitern allein in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg gewährt wird, ist individuell zu entscheiden. Eine sinnvolle Ergänzung können unterjährige Einmalzahlungen oder Projektboni für einzelne Mitarbeiter oder Teams sein, die leistungsnah gewährt, klare Botschaften transportieren und motivierend wirken.
Performance-Management sollte nicht nur stattfinden, um über Beförderungen bzw. Abgänge oder einmal im Jahr über Boni zu entscheiden. Vielmehr sollte der Fokus des Performance-Managements vom Jahreswechsel auf den unterjährigen Prozess umgestellt werden. So müssen Führungskräfte befähigt werden, permanentes Feedback zu geben, so wie auch Bottom-up-Feedback Führungskräften ermöglichen soll, ihre Aufgabe noch besser zu machen. Führen mit Zielen ist nicht out. Moderne Prozesse erlauben einen unkomplizierten Umgang mit unterjährigen Zielveränderungen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen sowie teilweise die Loslösung von Jahreszyklen. Auch müssen Jahresziele nicht mehr mit allen Mitarbeitern vereinbart werden.
Führungskräfte sollten Mitarbeiter dabei unterstützen, ihre Stärken besser zu nutzen und es als ihre Aufgabe verstehen, mit dem Mitarbeiter gemeinsam die bestmögliche Rolle im Unternehmen zu finden. Professionelles Performance-Management will gelernt sein. Nicht nur Führungskräfte, sondern auch Mitarbeiter können lernen, wie sie ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen und ihre Potenziale entfalten.
Performanceinstrumente müssen Führungskräfte bei der aktiven Steuerung kooperativer Teamprozesse unterstützen und einen unmittelbaren Feedbackprozess während des gesamten Jahres sowie die Entwicklung neuer Kompetenzen als dauerhaften, immanenten Lernprozess fördern. Des Weiteren erwarten Mitarbeiter, die in nur wenigen Sekunden Likes oder Dislikes auf eigene Posts in sozialen Netzwerken erhalten, ein schnelles, direktes Feedback. Sie wollen ihre Ziele mit Kollegen teilen, Feedback geben und Feedback nicht nur von ihrer Führungskraft, sondern von anderen Mitarbeitern erhalten. Die Einbettung in den Performance-Management-Prozess stellt Unternehmen vor eine große Herausforderung. Leistungsnahes, unterjähriges Feedback und permanentes Coachen eignen sich besser, um Mitarbeiter zu hervorragenden Leistungen und zum Erreichen übergeordneter Unternehmensziele zu motivieren, als eine Top-down-Bewertung am Jahresende. Boni wirken nicht allein leistungssteigernd, und klassisches Performance-Management ist out. Pay-for-Performance will neu gelernt werden.
Frank Hoyck,
Geschäftsführender Gesellschafter,
Hoyck Management Consultants GmbH
Annette Rudolph,
Manager,
Hoyck Management Consultants GmbH