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Personaler als Sinnstifter

Unser Gast-Kommentator: Clemens Mulokozi / Foto: Christian Klant
Unser Gast-Kommentator: Clemens Mulokozi / Foto: Christian Klant

„Du hast es gut! Du machst jetzt etwas mit Sinn!“ – das gaben mir viele ehemalige Kollegen mit auf den Weg, als ich mich Ende 2014 entschied, in Vollzeit ehrenamtlich für meine Initiative › Jambo Bukoba e.V. zu arbeiten. Damals verantwortete ich das Employer Branding & Recruiting der Hypovereinsbank, und das Streben nach mehr Sinn in der Arbeit leitete mich im HR-Job. Umso bedenklicher finde ich, dass so vielen Arbeitnehmern der Sinn ihrer Tätigkeit heute scheinbar abhandengekommen ist.

Als Führungskraft habe ich HR meist als selbstverständlich vorausgesetzt. Heute bin ich viel dankbarer für guten HR-Support.

Als Juniorberater in einer Werbeagentur startete ich vor 27 Jahren meine berufliche Laufbahn. Ich erinnere mich daran, dass ich mir die Frage stellte, ob der Personalbereich etwas für mich wäre. Aber ich verfolgte diese Gedanken nicht weiter, weil ich den Eindruck hatte, HR sei dafür da, Personal zu verwalten, ja: ruhig zu halten. Nach über 20 Berufsjahren machte ich bei der Hypovereinsbank die Erfahrung mit einem herausragenden Entwicklungsprogramm, das meine Meinung von HR entscheidend zum Positiven änderte. Im Anschluss an dieses Programm wechselte ich von der Leitung des Sportsponsorings zu HR. Mein Umfeld konnte meine Entscheidung damals nicht verstehen: „Wie kann man so einen Traumjob aufgeben und in so einen ‚unsexy‘ Bereich wechseln?“ Selbst unter meinen neuen HR-Kollegen fand ich diese Einschätzung wieder. Ich teile sie bis heute nicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht Jambo Bukoba e.V. für sein soziales und zivilgesellschaftliches Engagement einem von sieben Bundespreisen. / Foto: Jambo Bukoba e. V.
Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht Jambo Bukoba e.V. für sein soziales und zivilgesellschaftliches Engagement einem von sieben Bundespreisen. / Foto: Jambo Bukoba e. V.

Als Sohn eines tansanischen Vaters bin ich in München geboren und zwischen meinem fünften und zwölften Lebensjahr in Tansania aufgewachsen. Die Situation von Kindern und Jugendlichen in Tansania und deren Perspektivlosigkeit hat mir irgendwann keine Ruhe mehr gelassen, sodass ich 2008 den gemeinnützigen Verein Jambo Bukoba e.V. gründete, mit dem Ziel, Bildung, Gesundheit und Gleichberechtigung in Tansania zu verbessern. Was zuerst nicht mehr war als ein neues Hobby, erreicht heute 482 000 Kinder in Tansania. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel zeichnete unsere Arbeit aus. Wenn jetzt jemand zu mir sagt „Toll! Du machst etwas mit Sinn!“, erwidere ich gerne: „Ja, stimmt! Ich bin aber nicht nur der, der sich von Angela Merkel im Kanzleramt auszeichnen lässt, sondern auch derjenige, der bei uns im Büro saugt.“

Täglich nutze ich in meiner neuen Rolle Erfahrungen aus meinem beruflichen Werdegang, speziell auch aus HR. Menschen dafür zu begeistern, sich verbindlich bis zu 20 Stunden pro Woche mit ihrer Expertise und Zeit ehrenamtlich einzubringen, sei es in der Buchhaltung, im Controlling, in der Kommunikation oder im Personalbereich, ist kein Selbstläufer. Leadership bekommt da noch mal eine ganz andere Bedeutung. Auch die „Prozesse“ haben mich im Nu wieder eingeholt, wenn es etwa darum geht, Arbeitsabläufe, Entscheidungswege und Kommunikation zwischen Deutschland und Tansania oder mit unseren unterschiedlichsten Stakeholdern zu gestalten, vom Privatspender über Unternehmen bis zu den Vereinten Nationen.

Clemens Mulokozi unterstützt Kinder in Tansania auf den Gebieten Bildung, Sport und Gesundheit. /  Jambo Bukoba e. V.
Clemens Mulokozi unterstützt Kinder in Tansania auf den Gebieten Bildung, Sport und Gesundheit. / Jambo Bukoba e. V.

Wenn es darum geht, dass wir als kleine und junge Organisation in Tansania nicht mit den dreimal so hohen Gehältern der großen Hilfsorganisationen mithalten können, erinnere ich mich an die Arbeitgeberrankings, Mitarbeiterumfragen und Gespräche mit Hochschulabsolventen und wie man daraus seine eigenen Stärken entwickelt. Welche Möglichkeiten haben wir, unsere Mitarbeiter in Tansania weiterzuentwickeln? Und wie können wir sie dann halten? Diese Fragen machen extrem viel Sinn für mich – heute bei meiner Arbeit für Kinder und Jugendliche in Afrika, aber eben auch „damals“ als „Banker“.

Mir fällt rückblickend auf, dass ich als Führungskraft HR meist als selbstverständlich vorausgesetzt habe. Heute bin ich um ein Vielfaches dankbarer für guten HR-Support. Heute wie damals schlägt mein Herz für Diversity, Chancengleichheit, Mitarbeiterentwicklung und eine respektvolle, ehrliche Unternehmenskultur. Ich bin überzeugt, dazu können besonders HRler viel beitragen, und das ist für mich Sinn pur.

Autor:
Clemens Mulokozi  ist Gründer und erster Vorstand von Jambo Bukoba e. V. Der Verein (› www.jambobukoba.com) fördert Grundschulkinder in Tansania. Zuvor leitete Mulokozi das Sportsponsoring sowie das Employer Branding & Recruiting der HypoVereinsbank.

Erschienen in Ausgabe 04/2017 der Personalwirtschaft.