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Agilität: Pharma vorn, Automobil hinten

Ein Manager mit Aktentasche steht vor meheren offenen Türen und denkt nach, durch welche er gehen soll
Wie veränderungsfähig und agil sind deutsche Manager? Eine Analyse zeigt große Unterschiede je nach Branche.
Foto: © Elnur/Fotolia.de

Wie steht es um die individuelle Lernagilität der Führungskräfte hierzulande? > Korn Ferry hat die Agilitätswerte der Manager in unterschiedlichen Branchen in fünf Feldern vermessen. Grundlage ist ein Assessment-Verfahren, an dem 1123 Führungskräfte teilgenommen haben. Danach verfügen die Manager aus der Pharmaindustrie insgesamt über die stärkste Ausprägung von Lernagilität mit einem Durchschnittswert von 60 (das bedeutet, dass die Lernagilität höher ausgeprägt ist als bei 60 Prozent der Führungskräfte, die auch am Assessment teilgenommen haben). Auf Platz zwei und drei befinden sich die Technologiebranche (58) und der Handel (57). Konsumgüter, Industrie und Telekommunikation liegen mit einem Durchschnittswert von 54 im Mittelfeld. Weniger agil schneiden die Manager von Versicherungen (51) und in der Automobilindustrie (47) ab.

Mentale Agilität im Handel am ausgeprägtesten

Die Analyse des Einzelaspekts mentale Agilität ergab, dass Führungskräfte im Handel mit einem Durchschnittswert von 64 an der Spitze stehen; sie sind besonders neugierig und gut in der Lösung komplexer Probleme. Es folgen Pharma (60), Technologie (59) und Industrie (57). Laut Mathias Kesting, Senior Client Partner bei Korn Ferry, zeigt der gute Wert für die deutsche Industrie, dass sie gar nicht so behäbig ist wie oft vermutet. Die Schlussgruppe bilden Versicherungen und Telekommunikation mit einem Wert von jeweils 49.

Automobilmanager schneiden auch bei der Führung am schlechtesten ab

Im Bereich Führung zeigt sich die Konsumgüterbranche mit einem Wert von 58 am agilsten. Die Pharmabranche auf Rang zweit schneidet mit 56 Punkten ebenfalls überdurchschnittlich ab. Die anderen Branchen liegen dicht zusammen bei Werten zwischen 48 (Industrie) und 43 (Versicherungen). In der Autoindustrie kommen die Manager nur auf einen Wert von 39. Automanager bei OEMS und Zulieferern führten bisher weniger situativ und dynamisch, sondern einheitlich und hierarchisch, so Kesting. Erklärungen dafür könnten die hohe Standardisierung in der Automobilproduktion und die weit verzweigten Prozess- und Zulieferketten sein. Das habe in der Vergangenheit stets zu sehr hoher Effizienz und Qualität geführt, heute stellten sich jedoch neue Anforderungen an die Führungskräfte, die dies aber zunehmend erkennen würden.

Pharmabranche bei Veränderungsfähigkeit ebenfalls an der Spitze

In Sachen Veränderungsfähigkeit steht die Pharmabranche am besten da (75), dicht gefolgt von Technologie (74) und Handel (73). Pharma und Technologie seien seit jeher getrieben von Innovation, sagt Kesting, allerdings habe der Handel in den letzten Jahren nachziehen müssen, ansonsten gäbe es ihn heute vermutlich nicht mehr. Im Mittelfeld bewegen sich Industrie und Telekommunikation mit einem Wert von je 66 sowie Versicherungen (62). Die Konsumgüterbranche steht auf dem vorletzten Platz (58), die Automobilindustrie rangiert am Ende der Skala (53). Insgesamt schnitten die Teilnehmer in dieser Agilitätskategorie am besten ab – laut Kesting ein Beweis dafür, dass deutsche Führungskräfte keine Besitzstandswahrer seien, sondern Change verinnerlicht hätten und kontinuierlich an Verbesserungen ihrer Bereiche arbeiteten.

Technologiesektor punktet bei der Ergebnisagilität

Bei der ergebnisorientierten Agilität liegt der Technologiesektor mit einem durchschnittlichen Wert von 62 vorn, auch hier erreicht Pharma mit 61 einen der obersten Plätze. Mit etwas Abstand dahinter liegen Versicherungen und Handel (beide 56) und Industrie (55). Manager der Automobil- (52) und Konsumbranche (51) erreichen die niedrigsten Werte. Während die Führungskräfte der bestplatzierten Branchen äußerst belastbar seien und sich bei Hindernissen und sich ändernden Umständen schnell anpassten, so Mathias Kesting, hätten Manager in der Konsumgüterindustrie ein hohes Bedürfnis nach Klarheit, bezogen auf Zielvorgaben und Handlungsmöglichkeiten.

Selbstreflexion in Konsumgüterindustrie am besten, insgesamt aber ausbaufähig

Beim Aspekt Selbstreflexion ist die Agilität durchweg nicht ganz so stark ausgeprägt wie in anderen Bereichen. Den besten Wert mit 55 erzielt die Konsumgüterbranche, die auch bei der Mitarbeiterführung vorne liegt. Die Manager der anderen Branchen weisen Werte zwischen 51 (Telekommunikation) und 44 (Versicherungswirtschaft) auf. Die Automobilindustrie rangiert wieder auf dem letzten Platz (40). Wer situativ und divers führe, müsse viel nachdenken, auch und vor allem über seine eigene Rolle und die damit verbundenen Verpflichtungen, findet Kesting. Damit müsse eine offene Feedbackkultur einhergehen, in der man im geschützten Rahmen sprechen könne.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.