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Keine Angst vor Kollege Roboter

Bild: Kevin Smart/istock
Bild: Kevin Smart/istock

Angesichts der jüngsten technologischen Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz ist die Debatte um die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt voll entbrannt. Experten sagen einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen voraus und diskutieren die gesellschaftlichen Folgen. Aber welche Themen treiben die Arbeitnehmer selber um? Wie nehmen sie die technologische Entwicklung in ihrem eigenen Arbeitsumfeld wahr? Und was erwarten sie persönlich von der digitalen Arbeitswelt? Die neue europäische Gallup-Studienreihe „The Real Future of Work“ („Die Arbeitswelt von morgen“), die vierteljährlich mit jeweils einem anderen Schwerpunktthema erscheinen wird, gibt darauf Antworten.

1. Selbstbewusste Arbeitnehmer trotz neuer Technologien

Fakt: Nur sieben Prozent der deutschen Arbeitnehmer halten es für wahrscheinlich, dass ihr Job in den nächsten fünf Jahren durch Technologien wie künstliche Intelligenz oder Roboter ersetzt wird. Damit zeigen sich die deutschen Beschäftigten deutlich selbstbewusster als ihre französischen oder britischen Kollegen (17 Prozent beziehungsweise 13 Prozent). Das gilt auch in Hinblick auf die eigene Leistung. Nur jeder dritte Deutsche, aber rund zwei von drei Briten und Franzosen, rechnet damit, dass mit dem technologischen Wandel auch die Anforderungen an ihre Arbeitsleistung steigen werden.

Transfer: Dass die Beschäftigten hierzulande so viel selbstbewusster in die digitale Zukunft blicken, liegt unter anderem daran, dass der Kollege Roboter für viele deutsche Beschäftigte bereits heute eine Selbstverständlichkeit ist. Mit 309 Robotern je 10 000 Beschäftigte liegt Deutschland weltweit auf Platz drei, hinter Korea (631 Einheiten) und Singapur (488 Einheiten). Das sieht in Frankreich und Großbritannien ganz anders aus: Beide Länder liegen bei der Roboterdichte im Mittelfeld, Großbritannien hinkt dabei als einziges G7- Land sogar dem Weltdurchschnitt von 74 Einheiten je 10 000 Beschäftigte hinterher (Quelle: Internationaler Robotik-Verband IFR 2017).

2. Deutsche brauchen Qualifizierung, bekommen aber wenig Training im Unternehmen

Fakt: Der Technisierungsgrad in Deutschland ist hoch. Und viele Arbeitnehmer sind Neuerungen gewohnt. Vier von zehn Arbeitnehmern (38 Prozent) berichten davon, dass sich bei ihnen im Jahr 2017 Arbeitsmittel und Technik am Arbeitsplatz (Geräte, Arbeits- oder Produktionsprozesse) verändert haben. Am ehesten wird vermutet, dass durch die Veränderungen zukünftig die Anforderungen an die Qualifikation (44 Prozent) zunehmen, die Produktivität steigt (38 Prozent) und die Erwartungen an die Arbeitsleistung (33 Prozent) höher ausfallen werden.

Transfer: Die Einschätzung, dass zukünftig die Qualifikationsanforderungen anziehen werden, deutet darauf hin, dass sich Arbeitnehmer durchaus bewusst sind, dass ihre derzeitige Qualifikation und ihr Erfahrungswissen an Bedeutung verlieren. Unternehmen sind daher gut beraten, eine unterstützende, fördernde Kultur zu schaffen – eine Kultur, die jedem einzelnen Beschäftigten hilft, sich weiter zu qualifizieren und seine Stärken auszubauen. Allerdings: Nur 35 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland stimmten jüngst (2018) der Aussage „Ich habe das nötige Training erhalten, um gute Arbeit leisten zu können“ uneingeschränkt zu.

3. Leistungsbewertungen neu denken

Fakt: Die Führungskultur in vielen deutschen Unternehmen ist ausbaufähig. Nur 45 Prozent der Arbeitnehmer hierzulande erhalten überhaupt mindestens einmal monatlich Feedback von ihrem Vorgesetzten. Und auch in den üblichen Jahresgesprächen stehen bei uns meist nur Gehaltsfragen und Beförderungsentscheidungen im Mittelpunkt. Statt als Coach und Potenzialentwickler treten Führungskräfte in Deutschland ihren Mitarbeitern gegenüber viel zu häufig als Leistungskontrolleure auf und bewerten sie vielfach anhand von Kennzahlen, die sie nicht beeinflussen können. Lediglich 16 Prozent der Beschäftigten stimmen der Aussage „Ich kann die Leistungskennzahlen, an denen ich gemessen werden, selbst beeinflussen“ uneingeschränkt zu.

Transfer: Dass ein solches Performance Management wenig zur Motivation beiträgt und die wenigsten Beschäftigten die eigene Leistungsbewertung für fair halten, verwundert daher nicht. Nur jeder vierte Arbeitnehmer (27 Prozent) stimmt der Aussage „Die Leistungsbeurteilungen, die ich erhalte, sind fair“ ohne Wenn und Aber zu. Doch je mehr Qualifikation und Kompetenz – auch im Umgang mit neuen Technologien – benötigt werden, desto wertvoller wird der einzelne Mitarbeiter für das Unternehmen und desto wichtiger ist es, Mitarbeiter an den Arbeitgeber zu binden – gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der zur Folge hat, dass es immer weniger potenzielle Arbeitskräfte gibt.

Fazit: Die Unternehmen scheinen aufgrund der Digitalisierung stärker zu leiden als ihre Mitarbeiter, denn sie sehen sich disruptiven Geschäftsmodellen, neuen globalen Wettbewerbern und grundlegend veränderten Prozessen ausgesetzt. Um in dem sich ständig wandelnden Umfeld bestehen zu können, müssen Unternehmen beweglich bleiben und schnell reagieren. Viele setzen daher auf dezentrale, flexible Strukturen und flache Hierarchien. Von den Mitarbeitern wird damit erwartet, dass sie mehr Verantwortung übernehmen und mehr Eigeninitiative zeigen. Um das leisten zu können, brauchen sie Führungskräfte, die sie entsprechend coachen, hilfreiches Feedback geben und individuelle Potenziale fördern. Wer Verantwortung übernehmen soll, braucht Befähigung und Empowerment. Wer sich engagiert, muss für seine Leistung auch gewürdigt werden. Wer sich weiterentwickeln will und soll, braucht dafür Feedback, mit dem er tatsächlich etwas anfangen kann.

Anders als komplexe Maschinen brauchen Menschen die Erfüllung ihrer emotionalen Bedürfnisse wie beispielsweise positives und konstruktives Feedback, das Gefühl bei der Arbeit eingebunden zu sein, sich persönlich weiterentwickeln zu können oder als Mensch hinter der Arbeitskraft gesehen zu werden, um leistungsbereit und motiviert zu arbeiten. Dabei geht es nicht um die Pflege von Befindlichkeiten, sondern um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Denn die kann nicht allein mit technologischen Innovationen gesichert werden, sondern bedarf gut qualifizierter und talentierte Mitarbeiter, die mit Hand, Herz und Verstand bei der Arbeit sind. Die im Arbeitsumfeld erlebte Führung entscheidet nachweislich darüber, wie leistungs- und wettbewerbsfähig Unternehmen sind – von der Innovationskraft über die Kundenorientierung bis hin zur Weiterempfehlungsbereitschaft der eigenen Produkte und Dienstleistungen. Auch wenn die jüngste Gallup-Studie deutlich macht, dass die Arbeitnehmer hierzulande keine Angst vor Robotern haben, sollten sie nicht wie solche behandelt werden.

Die Studie
Für die Untersuchung hat Gallup jeweils 1000 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer ab 18 Jahren in den Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien im Februar und März 2018 telefonisch interviewt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in den jeweiligen Ländern.

+++ Der Praxistransfer ist in der Oktober-Ausgabe der Personalwirtschaft erschienen. Weitere Themen des Hefts sind:

• HR Service Design: Weg von der Prozessdenke, hin zur Kundensicht
• Forschung & Lehre: Möglichkeiten und Grenzen künstlicher Intelligenz
• Zoom: Whisteblower oder: Wenn Mut und Moral bestraft werden

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