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Komplexität einfach beherrschen

Eine Frau surft vor der untergehenden Sonne
Die großen Wellen, die Change-Prozesse häufig schlagen, nehmen viele Unternehmen mit der Hilfe professioneller Change-Berater.

+++Alle Teilnehmer der Expertenrunde und ihre zentralen Thesen finden Sie in unserer › Bilderstrecke.+++

Change, das wurde gleich zu Beginn der mit sechs ausgewiesenen Experten besetzten Runde deutlich, ist ein Prozess. Aber einer, der sich selbst auch immer wieder wandeln kann. Während Entscheidungen früher noch häufiger nach dem Top-Down-Prinzip getroffen und durchgesetzt wurden, verlaufen Veränderungsprozesse heute eher in Wellenbewegungen. Mal werden sie in kleinem Kreis vorangetrieben, mal werden die Mitarbeiter in größerem Maße beteiligt. Das ist nicht nur sinnvoll, sondern angesichts eines zunehmend wechselhafteren Geschäftsumfelds auch nötig, um flexibel reagieren zu können.

Beteiligung sei jedoch nicht gleich Beteiligung, schränkten die Teilnehmer am Runden Tisch ein. Im Vordergrund müsse stets die Wirksamkeit stehen. Nicht immer bedeutet das, dass alle mitentscheiden sollen und dürfen. Überhaupt mit dem Change in Kontakt zu kommen, damit ist vielen Mitarbeitern oftmals schon viel geholfen. Der direkte Weg führt über die Kommunikation miteinander, der sich Führungskräfte nicht verschließen sollten.

Alle wollen digital werden

Die Digitalisierung ist das Hype-Thema dieser Tage, das wurde auch beim Round Table deutlich. Es stellt sich aber die Frage, ob die Unternehmen überhaupt schon reif sind für die schöne neue Welt. Die große Mehrheit der deutschen Unternehmen geht die Digitalisierung zwar strategisch an, aber nur eine Minderheit macht das Thema zur Chefsache, fand der Branchenverband Bitkom in einer Trendstudie heraus. Etventure, Teil der Beratung EY, kam nach einer Umfrage sogar zu dem Ergebnis: „Die deutschen Unternehmen sind zu langsam und zu unflexibel.“ Wir haben › 12 aktuelle Studien zu den Themen Change und Digitalisierung ausgewertet.

Vor allem etablierte Großunternehmen tun sich oftmals schwer, adäquat auf das neue Umfeld zu reagieren. Nicht, dass sie es nicht versuchten: Viele Innovation Labs oder ähnliche Einrichtungen zeugen von gutem Willen. Das Ergebnis am Ende aber in die Organisation zu integrieren, ist in der Praxis häufig nur mit Reibungsverlusten möglich (siehe hierzu unser › Interview mit Change-Guru John Kotter). Digitalisierung sollte nicht um ihrer selbst willen betrieben werden. Stattdessen sollten die Ziele von Anfang an definiert werden – und der mögliche Weg dorthin zumindest grob umrissen sein.

Unsicherheit aushalten lernen

Neben der Digitalisierung ist vor allem Komplexität ein weiterer Treiber des Wandels, darin waren sich die Experten einig. Gesucht werden unter anderem Antworten darauf, wie man in einem sich verändernden Umfeld agiler und schneller reagieren kann. Die gefühlte Sicherheit früherer Zeiten jedenfalls gibt es nicht mehr.

Allein, ein Unternehmen zu verändern, ist keine leichte Aufgabe. Ein Problem ist, dass viele Change-Projekte zusätzlich und parallel zum Tagesgeschäft aufgesetzt werden. Ein anderes, dass bei manchem Mitarbeiter, ebenso wie bei mancher Führungskraft, Unsicherheit herrscht. Diese auszuhalten ist anfangs unangenehm, aber gleichfalls ein Zeichen der heutigen Zeit.

Was es dafür braucht? Zum Beispiel Mut – und Mitarbeiter und Führungskräfte, die Mut machen. Dass es nicht mehr wie bisher weitergeht, haben die meisten Beschäftigten realisiert. Mitunter vergessen Führungskräfte jedoch, dass sie im Veränderungsprozess schon zwei bis vier Schritte weiter sind. Eine offene Kommunikation und ein authentisches Auftreten können den gefühlten Abstand zwischen den beiden Gruppen verringern. Veränderung könne zudem handhabbarer gemacht werden, wenn gleichfalls deutlich gemacht wird, was sich alles nicht verändert.

Langsame Abkehr von Phasenmodellen

Die Unsicherheit spricht nicht gegen formale Modelle, wie sie immer noch zum Standard in der Veränderungsberatung gehören. Sie stehen aber nicht mehr im Mittelpunkt, sondern dienen vielmehr als Eisbrecher. Als Abgleich, dass Berater und Kunde über dieselben Dinge sprechen. Und als Hilfe, um das eigene Denken zu strukturieren. Auf beiden Seiten hat sich jedoch Pragmatismus durchgesetzt. Es gibt ein Problem, und das soll gelöst werden – welcher Modellname auf der Lösung steht, ist zweitrangig.

Es kommt noch etwas anderes hinzu: Die alten Modelle passen nicht mehr so recht in die heutige Welt. Doch ist ein neues, auf das man sich einigen könnte, noch nicht in Sicht. Ob sich das in zwei Jahren oder gar nicht mehr ändert, darüber wurde ausgiebig – und mit offenem Ergebnis – diskutiert.

+++Alle Teilnehmer der Expertenrunde und ihre zentralen Thesen finden Sie in unserer › Bilderstrecke.+++

David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.