In den vergangenen zwölf Monaten war die Auftragslage für die HR-Managementberatungen so gut wie lange nicht mehr. Dabei waren Themen wie Digitalisierung und Transformation schon vor der Krise stark nachgefragt. Das Ganze hat noch einmal Drive bekommen, ebenso wie strategische Führung und die Entwicklung von Kompetenzmodellen: In der Krise wurde vielen Arbeitgebern offenbar, wie schnell es zu einem Personalnotstand kommen kann und dass es unheimlich schwer ist, darauf kurzfristig zu reagieren. New Work-Mandate waren 2021 indes wesentlich seltener, wie einige der Teilnehmenden berichten. Das liegt aber weniger daran, dass das Thema uninteressant wäre. Vielmehr haben viele Unternehmen in diesem Bereich Maßnahmen selbstständig umgesetzt.
Einigkeit herrscht darüber, dass HR sein Profil während der Pandemie schärfen konnte. Eine schnelle und flexible Einsatzplanung? Betrieblicher Gesundheitsschutz in Zeiten von Corona? HR wurde ins kalte Wasser geschmissen, löste die Aufgabe aber allenthalben souverän. Darunter hat jedoch die perspektivische Ausrichtung der Funktion gelitten, ebenso wie ihre Digitalisierung. HR muss nicht Treiber dieser Entwicklung im Unternehmen sein. Aber bei anderen für die digitale Transformation zu werben, ohne sie selbst konsequent umgesetzt zu haben, kostet Glaubwürdigkeit. Ein anderer Weg zu mehr eigener Stärke wäre, sich deutlicher in Kernthemen einzubringen, etwa beim Aufbau einer modernen Lernarchitektur oder der Sensibilisierung von Führungskräften für die neue Arbeitswelt. Nicht als Treiber, sondern als Dirigent der Digitalisierung.
Hybride Arbeitswelt erfordert neues Denken
Apropos HR als Dirigent: Hier sind auch hybride Arbeitsmodelle zu nennen, die spätestens mit der Pandemie gekommen sind, um zu bleiben. Derzeit scheinen viele Unternehmen einen Weg zu suchen, wie sie das, was in der Krise schnell umgesetzt werden musste, in nachhaltige Strukturen übersetzen können. Schnell ins Homeoffice zu wechseln oder ein Meeting virtuell zu führen, war meist kein großes Problem. Was das beispielsweise für die Unternehmenskultur oder die Arbeit der Führungskräfte bedeutet, wurde erst später deutlich, als sich der Rauch des ersten Lockdowns lichtete. Wie etwa gehen Arbeitgeber damit um, wenn einige Mitarbeitende ins Homeoffice können, andere aber nicht? Auch organisatorisch und rechtlich muss da noch einiges nachgezogen werden. Die Personalfunktion kann hier unterstützen, individuelle Modelle zu finden und helfen, zwischen den einzelnen Bereichen zu übersetzen und zu vermitteln.
Solche Aufgaben sind dankbar, weil sie den Wertbeitrag von HR verdeutlichen helfen. Einige Fachleute sehen die Funktion nämlich an einem Scheideweg. Intern werde oftmals immer noch nicht gesehen, wie wichtig sie ist und was sie zum Erfolg beiträgt. Daraus ergeben sich zwei mögliche Entwicklungen. Entweder, HR nimmt seine Zukunft proaktiv in die Hand, besetzt wieder mehr ureigene Themen und forciert so seine Wahrnehmung – oder es droht die Gefahr, dass wichtige Aufgaben zunehmend in andere Fachbereiche abwandern, womit irgendwann sogar die weitere Existenz der Funktion in Frage gestellt werden könnte.
Am Round Table wurden verschiedene mögliche Ansätze für die erste Option diskutiert. Einer ist, die eigenen Maßnahmen stärker zahlengetrieben auszuwerten und damit die eigene Wirksamkeit immer wieder erneut unter Beweis zu stellen. Ein anderer, ein unternehmerisches Selbstverständnis zu entwickeln, seine Kompetenzen daraufhin neu auszurichten und somit Business Enabler zu werden. Ein dritter, die ersten beiden als zwei Entwicklungsschritte einer Lösung anzusehen.
Nachhaltigkeit wird zur Pflicht
Außerdem kommen neue Aufgabenfelder hinzu, in denen sich HR beweisen kann. Ein großes ist sicherlich das Thema Nachhaltigkeit, das von allen Seiten immer stärker eingefordert wird. Die Investorinnen und Investoren drängen darauf, die Bewerbenden fragen danach. Damit erhält es unternehmerische Relevanz. Dabei geht es um mehr als „nur“ das Klima, sondern auch um soziale Komponenten wie Fair Pay oder Führungsstile, die in den ureigenen Bereich der Personalfunktion fallen.
Der Ausblick auf das kommende Jahr indes fällt derzeit noch schwerer aus als ohnehin schon. Deswegen fragte Moderator Erwin Stickling nicht nach Prognosen, sondern nach Wünschen an die neue Bundesregierung. Der Zettel wurde lang: dringende Weiterentwicklungen des Arbeits- und Sozialrechts stehen darauf, etwa in Hinblick auf die Flexibilisierung der Arbeit. Ebenso wie eine stärkere Förderung des Arbeitnehmernachwuchses, auf dem die Hoffnung vieler Unternehmen liegen. Wenn 2022 auch noch den Abbau bürokratischer Hürden für Investitionen, mehr Rechtssicherheit im internationalen Datenverkehr und eine Regierung bringen würde, die sich darauf konzentriert, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, anstatt selbst als wirtschaftlicher Akteur aufzutreten, wären die Expertin und die Experten am Round Table vielleicht nicht rundum, aber doch schon sehr zufrieden.
David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.