Die Pandemie hat den Anbietern von Zeitwirtschafts- und Zutrittslösungen einige Zusatzaufträge verschafft: Insbesondere in den ersten Monaten mussten schnelle Lösungen für die Umstellung auf Remote Work, kurzfristige Schichtplanungen und rigidere Zutrittskontrollen gefunden werden. Die Soft- und Hardware war darauf vorbereitet, die Unternehmen teilweise nicht. Ihnen wurde spätestens jetzt klar, dass es ohne digitale Lösungen in diesem Bereich nicht mehr geht. Das zeigt sich auch bei Bestandskunden, bei denen beispielsweise Vorbehalte gegenüber der Nutzung von Apps in den vergangenen beiden Jahren deutlich abgenommen haben. Corona war ein Anlass – wenn auch kein willkommener –, um Workflows zu digitalisieren.
Es ist weniger die Nachfrage als das Angebot, das den Anbietern einzelne Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Zum einen das Angebot an dringend benötigten Komponenten wie Computerchips, die teilweise zur Mangelware geworden sind. Das kann zu Produktionsausfällen oder zumindest zu einer Verlangsamung im Produktionsprozess führen. Zum anderen das Angebot an Fachkräften, die händeringend gesucht werden. Die Teilnehmer berichten von zunehmenden Personalengpässen, der Druck am Arbeitsmarkt steigt.
eAU: Sie kommt, sie kommt nicht …
Weniger einig waren sie sich bei der Einschätzung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Das Verfahren, das den „gelben Schein“ ersetzen soll, ist lange geplant, stockt aber in der Umsetzung. Manche der Experten zeigen sich unabhängig davon enttäuscht, dass die Stärken der Digitalisierung nicht ausgespielt werden und lediglich ein analoger Prozess mehr oder weniger unverändert übernommen wird. Hier würden viele Chancen vergeben, das Verfahren von Grund auf zu vereinfachen. Andere sind schon froh, dass es überhaupt Fortschritte in diesem Bereich gibt. Sie betonen die Möglichkeit, dass der Prozess in weiteren Schritten noch reifen kann. Mit der neuerlichen Verschiebung des verpflichtenden Starttermins auf Anfang 2023 halten sie das Thema im Auge, sehen momentan aber keinen weiteren Anpassungsbedarf über das hinaus, was sie ohnehin schon in die Wege geleitet haben.
Das Cloud-Geschäft zieht merklich an
Die Konzentration richtet sich eher auf andere Bereiche – etwa das Cloud-Geschäft, das vor allem in der Zeitwirtschaft stark zugenommen hat. Zwar wird in diesem Zusammenhang nach wie vor über Datenschutz und Datensicherheit diskutiert, doch hat sich herumgesprochen, dass das Schutzniveau in der Cloud meist höher und besser zu halten ist als in eigenen Serverräumen. Das liegt unter anderem an der wachsenden Komplexität der IT-Landschaften, die großes und aktuelles Wissen voraussetze. Dieses vorzuhalten, übersteigt die Möglichkeiten vieler Unternehmen. Ein weiterer Vorteil der Cloud-Lösungen ist, dass die Updatezyklen wesentlich schneller sind. Vor Ort sei dagegen mitunter noch veraltete Hard- oder Software im Einsatz, die unsicher geworden ist.
Bei der Zutrittskontrolle sind viele (noch) etwas zurückhaltender mit der Cloud, wenngleich sich auch hier grundsätzliche Sicherheitsbedenken mehr und mehr zerstreuen. Eine verbreitete Sorge mag sein, dass niemand vor verschlossenen Türen stehen will, wenn das Cloud-System einmal nicht verfügbar sein sollte. Sie ist aber unbegründet: Die Offlinefähigkeit ist eine Grundvoraussetzung der eingesetzten Systeme.
Standard bedeutet nicht von der Stange
Ein Vorurteil, mit dem nicht nur die Cloud zu kämpfen hat, ist, dass lediglich Standard, aber keinerlei Individualität möglich ist. Dabei wird oft vergessen, dass individualisierte Software viel Geld kostet und in die Abhängigkeit eines einzigen Herstellers führen kann. Außerdem stimmt es so nicht. Standard-Software kann bis zu einem gewissen Grad sehr wohl an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. Die fehlenden Meter sind es dann wert, genauer angeschaut zu werden. Denn oftmals müssten lediglich die Prozesse auf Kundenseite etwas modifiziert werden – was meistens sogar einen Mehrwert bringt, weil schlicht seit langer Zeit nicht hinterfragt wurde, ob sie überhaupt noch zeitgemäß sind. Vor allem im öffentlichen Bereich stoße man aber auf ein gewisses Beharrungsvermögen.
Bei der Nutzung des Smartphones sieht es dagegen etwas anders aus. Es hat sich mittlerweile in vielen Bereichen durchgesetzt. Dass es die gute alte Chipkarte bei Zeit- und vor allem bei Zutrittslösungen aber in naher Zukunft komplett ersetzt, glauben die Experten des Round Table nicht. Denn noch ist das Zücken des Telefons und das Aufrufen einer App aufwendiger als das kurze Hinhalten eines Chips an einen Leser. Mittelfristig könnte das anders aussehen, denn es wird bereits an Lösungen gearbeitet, die diesen Komfortrückstand aufholen sollen.
To-Do-Liste wird nicht kleiner
Dass den Anbietern die Arbeit so schnell ausgeht, glaubt keiner. So haben die Experten insbesondere im Mittelstand noch einigen Nachholbedarf ausgemacht, was moderne Zeit- und Zutrittslösungen sowie das Workforce Planning angeht. Dazu tragen auch die veränderten Arbeitsweisen bei, die auch nach dem Abklingen der Pandemie weiter Bestand haben werden. Zudem wachsen die Anforderungen des Marktes weiter – so war es schon in den vergangenen Jahrzehnten. Außerdem ziehen diese wiederum einen entsprechenden Modernisierungsbedarf nach sich, denn nur aktuelle Systeme sind auch sichere Systeme. Letztlich sind es auch die Mitarbeitenden selbst, die zum Fortschritt in den Unternehmen beitragen. Sie gewöhnen sich immer mehr an eigenverantwortliche Self Services wie eine Abwesenheitsplanung oder einen Schichttausch, den sie bequem mit dem Smartphone vom eigenen Sofa aus anstoßen können. Arbeitgeber, die ihnen solche Möglichkeiten bieten, erhöhen damit ihre Attraktivität für die Belegschaft und potenzielle Bewerberinnen und Bewerber.
David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.