Frage an die HR-Werkstatt: Wieso sollten und wie können Frontline Worker in digitale HR-Prozesse integriert werden?
Es antwortet: Ingo Meironke, Innovation Manager bei Campana & Schott
Information Workern stehen die Tools zur Verfügung, die Frontline Workern verwehrt sind. So müssen letztere in vielen Unternehmen ihren Schichtplan – mangels Alternativen – in einer privaten Whatsapp-Gruppe besprechen oder ihren Urlaubsantrag auf Papier einreichen. Und das, obwohl HR diesen dann digitalisiert, nur um die Freigabe doch wieder analog zu erteilen. Solche Lösungen sind kurzfristig gedacht, aufwändig und oftmals nicht sicher.
Stehen keine oder nur unzureichende digitale Prozesse zur Verfügung, steigt die Unzufriedenheit. Workflows werden behindert, Kommunikation gestaltet sich umständlicher, Effizienz geht verloren. Die Organisation zerfällt in zwei Klassen – digital integriert und digital abgehängt. Viele Frontline Worker kennen das und wissen: Eine produktive Integration sieht anders aus.
Das Problem: Unzufriedenheit und Vakanzen vs. Zufriedenheit und Loyalität
Allerspätestens, wenn Unzufriedenheiten in Fluktuationsrisiken umschlagen, sollte das HR auf den Plan rufen. Schließlich wird es immer schwieriger, Vakanzen adäquat nachzubesetzen. Immerhin zählen viele Frontline Worker zu genau jenen gefragten Fachkräften, die gerade händeringend gesucht werden. Wenn HR sich hingegen aktiv und frühzeitig für die digitale Einbindung der Frontline Worker einsetzt, zahlt dies auf den Gesamterfolg des Unternehmens ein: Zufriedenheit führt zu stärkerer Bindung ans Unternehmen, fördert die Produktivität und senkt die Fluktuationsrisiken. Dies wiederum, sichert unersetzliches Spezialwissen und die reibungslose Zusammenarbeit in eingespielten Teams. Und in Zeiten multipler Krisen stärkt diese personelle Kontinuität letztlich auch die Resilienz des Unternehmens.
Doch was können Arbeitgeber konkret tun, um das Thema wirkungsvoll zu adressieren?
Drei erste Schritte für Management und HR
Damit die Integration gelingen kann und der digitale Arbeitsplatz für alle Wirklichkeit wird, sind entsprechende Voraussetzungen zu schaffen. Neben der Gewährleistung von IT-Security, Identity & Compliance sowie einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat ist auch eine Device-Strategie erforderlich.
Entweder stellt das Unternehmen Geräte wie Mobiltelefone oder Tablets bereit, oder die Mitarbeitenden greifen über ihre privaten Mobilgeräte auf Kommunikationsplattformen wie etwa Teams sowie entsprechende Apps und Prozesse zu. Die Herausforderung liegt darin, solche ByoD-Lösungen (Bring your own Device) sicher zu gestalten. Außerdem können die Mitarbeitenden nicht verpflichtet werden, private Geräte für berufliche Anwendungen zu nutzen.
Am Anfang braucht es eine klare Haltung: Die digitale Transformation gelingt nur mit dem Menschen im Zentrum. Und zu einem solchen Commitment passt das digitale Abgehängt-Sein der Frontline Worker ganz und gar nicht. Hier ist HR-Fachpersonal gefordert, sich aktiv einzubringen.
Für HR besteht der erste Schritt in der Bewusstwerdung. Es mag banal klingen, doch viele Personalerinnen und Personaler müssen sich erst angesprochen fühlen, bevor sie das Thema aktiv mitgestalten. Schließlich ist die Digitalisierung an sich kein klassischer HR-Stake, hat aber großen Einfluss auf die Personalarbeit. Also muss die Personalabteilung vorab – im Zusammenspiel mit anderen relevanten Unternehmensfunktionen – ihre Rolle definieren und anhand entsprechender Use Cases konkretisieren.
Im zweiten Schritt sollte das Thema auf C-Level-Ebene gebracht werden. Head of HR, COO, CIO, aber auch die Unternehmenskommunikation werfen gemeinsam einen ganzheitlichen Blick auf die Situation der Frontline Worker. So kommen Zuständigkeiten, Schnittstellen sowie Unternehmens-/Transformationsstrategien auf den Prüfstand. Es gilt zu identifizieren, an welchen Stellen beispielsweise der Informationsfluss unterbrochen ist, welche Bedürfnisse zu kurz kommen und welche Auswirkungen das hat – auf Einzelne, Teams und den Betrieb insgesamt.
Welche Potenziale zur Integration der Frontline Worker existieren, sollten anhand eines Vierklangs genauer identifiziert und eingeordnet werden:
Sind die wesentlichen Punkte priorisiert, ist das die Grundlage, auf der IT, Fachbereiche und HR im dritten Schritt zusammen Lösungsmöglichkeiten erarbeiten können, deren Umsetzung dann wieder personalseitig und kommunikativ begleitet wird. Wie gelingt zum Beispiel das Pre- und Onboarding der Frontline Worker in die digitalen Prozesse? Welche Weiterbildungs-, Trainings- und Unterstützungsangebote braucht es? Wie gestaltet sich der Zugang der Frontline Worker etwa zu Employee Self Services? Was muss sich bei der Führungskultur in diesem Bereich ändern? Und nicht zu vergessen: Wie muss HR die eigenen Strukturen und Prozesse anpassen, um die digitale Einbindung wirkungsvoll begleiten zu können?
Ansatzpunkt Kommunikationskanäle
Welche Möglichkeiten gibt es also, Frontline Worker digital zu integrieren? Homeoffice ist in der Produktion natürlich keine Option, bessere Kommunikation hingegen schon. Laut der aktuellen Studie „Hybrid Work 2022“ von Foundry Research Services in Zusammenarbeit mit Campana & Schott und weiteren Partnern legen 31 Prozent der Befragten besonderen Wert auf eine Verknüpfung der Kommunikationskanäle. Offenbar ist das Grundbedürfnis nach Kommunikation und Zusammenarbeit branchen- und rollenübergreifend sehr ähnlich. Bei geringem Risiko kann zum Beispiel direkt damit gestartet werden, alle Kommunikationskanäle zu vereinheitlichen, beispielsweise mit dem Ausspielen von Unternehmensnachrichten für alle Mitarbeitenden. So hat etwa ein Energie-Dienstleister eine Mitarbeitenden-App eingeführt, um seine Frontline Worker digital zu integrieren.
Weg von Whatsapp, hin zu einer integrierten und sicheren Plattform
Eine digitale Integration aller Mitarbeitenden funktioniert zudem sehr einfach etwa mit Microsoft Teams und Microsoft Viva. Darüber kann auch ein Portal zur Verfügung gestellt werden, um alle Informationen und Prozesse einfach zugänglich zu machen.
Dazu zählen zum Beispiel Unternehmens-News sowie die Funktion, Artikel im Detail lesen, bewerten und kommentieren zu können; ein Chat zur Selbstorganisation von Fahrgemeinschaften; oder die Online-Beantragung von Urlauben über ein einheitliches mobiles Frontend, unabhängig davon, welche Systeme unternehmensseitig dahinterliegen.
Ein solches Pilotprojekt kann auch konkrete Erkenntnisse liefern, wie eine möglichst weitreichende Digitalisierung der Arbeitsprozesse von Frontline Workern sukzessive zu erreichen ist.
Fazit: Durchdachte Roadmap
Unternehmen sind gut beraten, in geeignete Lösungen zu investieren, um ein gutes Arbeitsumfeld auch für Frontline Worker zu gewährleisten. Dabei ist oft ein erfahrener Partner von Vorteil, der die technischen, kulturellen, betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Aspekte zusammendenkt und weiß, wie die Anwendungsszenarien konkret inhaltlich ausgestaltet werden. Des Weiteren beherrscht er die geeigneten Methoden, um Führungskräfte und Mitarbeitende zu überzeugen und zu trainieren.
Mit der richtigen IT-Basis und einer durchdachten Roadmap können letztendlich Workflows verbessert, System- und Medienbrüche vermieden und somit Reaktionszeiten verkürzt werden. Meist reichen schon einfache Lösungen, die sich schnell umsetzen lassen, um auf einen Schlag die Effizienz, die Produktivität der Zusammenarbeit, den internen Zusammenhalt und die Zufriedenheit aller Mitarbeitenden zu verbessern. Letzten Endes strahlt das dann auch auf die gesamtstrategische Rolle der Personalfunktion ab.
Autor
Ingo Meironke arbeitet als Innovation Manager bei Campana & Schott. Er ist zertifizierter Project Management Professional (PMP) sowie SCRUM Master und SCRUM Product Owner. Die Modernisierung von Business Applikationen und deren Verankerung in Unternehmen treibt er durch Technologien wie Low-Code-Plattformen, IoT, Cloud-Architekturen, Intelligente Vernetzung oder künstliche Intelligenz voran.