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So nehmen Sie Mitarbeitern Sorgen und Ängste

HR-Werkstatt zu Sorgen und Ängste nehmen

Frage an die HR-Werkstatt: „Wie gehen wir mit den Ängsten unserer Mitarbeiter um, wenn es während der Corona-Pandemie zurück an den Arbeitsplatz geht?“

Es antwortet: Joachim Simon, Führungskräftetrainer und -coach.

Erfahrungen und Wertesysteme von Mitarbeitern sind verschieden. Deshalb reagieren sie auch auf dieselben Ereignisse emotional unterschiedlich. Das zeigt sich gerade in Ausnahmesituationen wie der Corona-Krise. Während die einen sich in den vergangenen Wochen unter anderem aufgrund der Bilder aus Italien um ihr Leben sorgen, genießen andere die Lockdown-bedingte Auszeit und das schöne Wetter.

Mit diesen Gefühlsextremen sind Personalverantwortliche wie Führungskräfte meist nur mittelbar konfrontiert. Denn: Häufig sind ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit oder im Homeoffice tätig. Doch nun kehren sie nach und nach wieder an ihre Arbeitsstätte im Betrieb zurück.

Tipp 1: Machen Sie sich die Individualität eines jeden Rückkehrers bewusst

Manche „Rückkehrer“ freuen sich auf die Arbeit vor Ort. Andere haben gemischte Gefühle, wenn nicht gar Angst – zum Beispiel,

  • weil sie sich vor einer Infektion am Arbeitsplatz fürchten oder
  • weil zuhause ihre Kinder sind, deren Schulen noch geschlossen sind, oder
  • weil sie sich fragen: Wie geht es im Betrieb weiter? Welche Veränderungen kommen auf mich zu? Eventuell sogar Arbeitslosigkeit?

Machen Sie sich die Unterschiedlichkeit des Lebens und Erlebens Ihrer Mitarbeiter bewusst. Nur dann können Sie angemessen hierauf reagieren.

Tipp 2: Stellen Sie sich Spannungen und Emotionen ein

Nicht selten führt das unterschiedliche Wahrnehmen und Empfinden zu Spannungen in der Belegschaft. So berichten Personalverantwortliche zum Beispiel, dass die Mitarbeiter ihres Unternehmens recht kontrovers darüber debattieren, inwieweit in der Nach-Corona-Zeit ein Arbeiten im Homeoffice noch möglich sein sollte. Oder dass die Produktionsmitarbeiter sich verärgert darüber zeigen, wenn sie schon „antanzen“ müssen, während die Büromitarbeiter noch im Homeoffice sind.

Auf solche Debatten müssen sich die Führungskräfte und HR-Abteilungen einstellen. Außerdem darauf, dass die Mitarbeiter emotional sensibler als in der Zeit vor dem Lockdown reagieren.

Tipp 3: Rechnen Sie mit „Scheingefechten“

Mitarbeiter zeigen ihre Gefühle im Job selten offen. Sie wissen meist aus Erfahrung: Wenn eine Person in Unternehmen Gefühle zeigt, wird dies von ihren Gesprächspartnern oft als Schwäche interpretiert. Deshalb sind sie bemüht, am Arbeitsplatz wenig emotionale Betroffenheit zu zeigen. Sie verbergen ihre Empfindungen hinter scheinbar rationalen Argumenten.

Das ist ein Grund, warum in Unternehmen oft endlos über Kleinigkeiten diskutiert wird. Und erreichen die Personen ihre Ziele nicht, dann versuchen sie dies häufig über Umwege – zum Beispiel, indem sie bewusst Beschlüsse fehlinterpretieren und Aufgaben vergessen.

Rechnen Sie mit einem solchen Ausweichverhalten.

Tipp 4: Suchen Sie das Gespräch und nehmen Sie Bedenken ernst

Die Gefahr, dass Mitarbeiter ein Ausweichverhalten zeigen, ist umso größer je unsicherer sie ihre Situation empfinden. Suchen Sie deshalb aktiv das Gespräch mit den Mitarbeitern. Sprechen Sie mit ihnen soweit möglich offen darüber, in welcher Situation sich das Unternehmen befindet und was dies für sie bedeutet – zum Beispiel, indem Sie sagen: „Unser Betrieb hat aktuell die Probleme A und B und steht vor den Herausforderungen C und D. Das heißt für uns, dass….“

Stehen Sie zudem dazu, dass auch Sie nur ein Mensch aus Fleisch und Blut sind – zum Beispiel, indem Sie zu den Mitarbeitern sagen: „Auch ich stehe momentan unter Druck. Legt deshalb bitte nicht jedes Wort und jede unwirsche Reaktion von mir auf die Goldwaage.“

Erklären Sie ihnen zudem immer wieder, dass auch die Top-Entscheider in Ihrem Unternehmen nur bedingt wissen, wie es weitergeht und sozusagen auf Sicht fahren. Dies sollten Sie speziell dann tun, wenn Planungen mal wieder über Bord geworfen werden. Sonst schürt dies die Ängste und den Unmut der Mitarbeiter.

Tipps 5: Bieten Sie Mitarbeitern emotionalen Halt

In manchen Branchen gehen die Top-Entscheider davon aus, dass die Umsätze ihrer Unternehmen langfristig um 20 oder gar 30 Prozent sinken. Deshalb stehen bei ihren Meetings auch Themen auf der Agenda wie:

  • Sollen wir gewisse Geschäftsbereiche schließen?
  • Müssen wir Mitarbeiter entlassen?

Dies kommunizieren die Top-Manager jedoch noch nicht öffentlich (auch an die ihnen nachgeordneten Führungskräfte), weil sie sich in folgender Zwangslage befinden. Ein vorzeitiges Publik-werden ihrer Erwägungen könnte negative Folgen für das Unternehmen haben – zum Beispiel für dessen Kundenbeziehungen, Image oder Finanzierungsmöglichkeiten.

Also können Sie als Führungskraft in einer „Sandwich-Position“ solche Entscheidungen nicht gänzlich ausschließen. Stehen Sie in den Gesprächen mit den Mitarbeitern dazu, dass Sie nicht mit 100-prozentiger Sicherheit wissen, wie es weiter geht. Versprechen Sie ihnen aber: „Ich informiere euch über alle Sachverhalte, die euch betreffen, so früh wie mir möglich.“

Seien Sie sich dabei jedoch bewusst: Ihre Funktion als Führungskraft ist es auch, Ihren verunsicherten Mitarbeitern Halt zu bieten. Sie sollten also im Mitarbeiterkontakt, soweit möglich, auch stets die Zuversicht ausstrahlen: „Wir schaffen es, wenn.…“. Versuchen Sie bei Ihren öffentlichen Verlautbarungen bei der Wahrheit zu bleiben, auch um Ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren.

Tipp 6: Reflektieren Sie regelmäßig Ihr Verhalten

Wichtig ist es in den kommenden Wochen und Monaten, dass Führungskräfte – gerade weil sie selbst unter Druck stehen – regelmäßig reflektieren:

  • Was ist mein Wertesystem und was kennzeichnet meine Lebens- und Arbeitssituation?
  • Wodurch unterscheiden sich diese von meinem Gegenüber?

Reflektieren Sie sich nicht, ist die Gefahr groß, dass sie auf Verhaltensweisen oder emotionale Äußerungen ihres Gegenübers, die sie irritieren, irrational oder mit Killerphrasen reagieren wie „Nun regen Sie sich mal nicht so auf“. Solche Aussagen verletzen das Gegenüber. Sie zerstören letztlich das, was sich Führungskräfte von ihren Mitarbeitern wünschen:

  • Identifikation mit ihrer Aufgabe sowie dem Unternehmen und
  • die Bereitschaft, sich hierfür zu engagieren.

Wichtig ist eine Reflektion des eigenen Wertesystems, damit Sie einen inneren Kompass haben, um Ihr Verhalten zu reflektieren und bei Bedarf neu zu justieren. Denn klar ist: Mit Situationen und Herausforderungen, mit denen Sie nicht gerechnet haben, werden Sie in den kommenden Monaten noch oft konfrontiert. Also brauchen Sie einen inneren Kompass. Sonst schwanken Sie nicht nur aus Mitarbeitersicht wie ein Rohr im Wind.

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