Ungezählte Unternehmen haben seit 2020 Homeoffice und hybride Arbeitsformen eingeführt. Mit der Umstellung sind auch neue Anforderungen an Führungskräfte verbunden. Eine Studie hat nun untersucht, wie das mittlere Management Remote Leadership, das Führen aus der Ferne, erlebt und bewertet. Für die aktuelle Kooperationsstudie des Bundesverbands der Personalmanager (BPM) und Kienbaum Consultants International wurden 249 Führungskräfte in Deutschland befragt.
Führung auf Distanz strengt an
Die große Mehrheit der befragten Führungskräfte (81 Prozent) sagt, dass ihr Unternehmen erst seit Beginn der Corona-Krise remote arbeitet und es vor der Pandemie keine Homeoffice-Option gab.
Inzwischen haben aber auch diese Manager gut zwei Jahre Erfahrungen mit Telearbeit gesammelt – und die sind durchaus gemischt. Sechs von zehn Befragten (61 Prozent) geben an, dass ihre Arbeitsbelastung durch Remote Work gestiegen ist. Besonders das mittlere Management fühlt sich stärker überarbeitet und erschöpft. Diese Führungskräfte befinden sich in einer Sandwich-Position und sehen sich sowohl von Seiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch des Top-Managements größerem Druck ausgesetzt.
Teambildung, Unternehmenskultur und Mitarbeiterbindung leiden
Neben erhöhter Belastung stellen die Führungskräfte auch negative Veränderungen im Arbeitsalltag fest; 45 Prozent geben dies an. Als besondere Herausforderung im Alltag nehmen die Befragten neben dem Gesundheitsmanagement den Bereich People Management wahr. Vor allem die Bereiche Team Building und Unternehmenskultur (jeweils 75 Prozent der Nennungen) sowie die Mitarbeiterbindung (66 Prozent) leiden ihrer Aussage nach unter Remote Work. Außerdem sagen 44 Prozent, das Vertrauen der Beschäftigten habe sich negativ entwickelt. 39 Prozent geben an, dass die Kommunikation mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beeinträchtigt ist.
Höhere Produktivität auf Kosten der Mitarbeitergesundheit
Während viele Führungskräfte ein verringertes Vertrauen bei ihrer Belegschaft feststellen, bringen sie ihnen selbst mehr Vertrauen entgegen: 60 Prozent geben dies an und 66 Prozent gewähren ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen seit gut zweieinhalb Jahren mehr Eigenständigkeit. Die meisten Führungskräfte haben seit 2020 das Performance Management gelockert und setzen fast alle Instrumente der Leistungsmessung und Rückmeldung weniger ein als vorher. Laut den Autorinnen und Autoren der Studie ist dies ein Indiz dafür, dass vertrauensbasierte Führung an Bedeutung gewonnen hat. Tatsächlich stellt fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) eine gesteigerte Performance fest, fast ebenso viele (40 Prozent) konstatieren eine höhere Produktivität der Belegschaft fest.
Dies birgt jedoch Gefahren und bringt eine höhere Belastung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit sich: 46 Prozent der Führungskräfte berichten von mehr Überstunden, 56 Prozent von Erschöpfung. Und 37 Prozent haben registriert, dass die Fehlzeiten seit Corona-Beginn um 37 Prozent zurückgegangen sind, also virtueller Präsentismus vorliegt.
Mehrheit sieht Remote Work trotz negativer Effekte positiv
Trotz ihrer eigenen höheren Belastung und der ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie weiteren negativen Entwicklungen bewertet fast jede zweite Führungskraft (45 Prozent) Telearbeit positiv, offenbar aufgrund der festgestellten höheren Performance und Produktivität. 34 Prozent stufen Remote Work neutral ein und 21 Prozent empfinden sie als negativ. Interessant ist, dass die Führungskräfte glauben, ihr Team nehme Remote Work positiver wahr als sie selbst. Ein Grund dafür ist, dass Führungskräfte häufiger im Büro präsent sein mussten als ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, so die Studie. Das führte vielfach dazu, dass die Führungskräfte sich minderprivilegiert fühlten und sich einer besonderen Belastung ausgesetzt sahen. Hybrides Arbeiten wird sogar von mehr als drei Vierteln (79 Prozent) positiv gesehen. Die Mehrheit möchte in Zukunft hybrid arbeiten. Auch denken 91 Prozent der Befragten, dass Remote Work langfristig effektiv sein kann.
Info
Die Studie „Remote Leadership. Das mittlere Management in der Sandwich-Position“ steht hier zum Download bereit.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.